Wirtschaftlichkeitsprüfungen: Neue Rahmenempfehlungen für verschärfte Maßnahmen
Das Terminservice- und Versorgungsgesetz regelt die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen neu. Die bisher von Amts wegen vorgesehene Stichprobenprüfung von mindestens 2 % der Ärzte je Quartal wurde durch eine Prüfung auf begründeten Antrag ersetzt (§ 106a Abs. 3 SGB V).
Formal ist damit die Richtlinienkompetenz der Bundesebene bei der Zufälligkeitsprüfung weggefallen. KBV und GKV-Spitzenverband haben deshalb nur Rahmenempfehlungen zur Antragsprüfung vereinbart. Diese treten am Tag nach der Unterzeichnung in Kraft und müssen danach von den Regional-KVen in die jeweiligen Prüfvereinbarungen eingefügt werden. Das ist ein Hoffnungsschimmer, denn regional könnte die neue Prüfung noch abgefedert werden.
Auf Durchschnitte und Zeiten wird weiterhin geachtet
Doch muss eine solche Ausweitung der existenziellen Bedrohung der Praxen ausgerechnet jetzt erfolgen, wo man eher über Stützungsmaßnahmen nachdenkt, um Verluste der Praxen durch die Pandemie auszugleichen?
Immerhin schließt die neue Vereinbarung andere Prüfungen, insbesondere diejenigen nach Durchschnittswerten oder der Plausibilität gemäß der Zeitvorgaben, nicht ein. Die Hauptlast der Prüfungen für die Praxen bleibt unverändert bestehen. Zusätzlich können künftig noch Prüfungen erfolgen, selbst wenn keine statistische Abweichung zur Vergleichsgruppe vorliegt, und die neben der ärztlichen Leistungsabrechnung auch Sachkosten und veranlasste (z.B. aufwendige medizinisch-technische) Leistungen umfassen.
Delikat ist dabei, dass solche Prüfanträge nicht nur von der KV, sondern auch von einzelnen oder gemeinsam mehreren Krankenkassen bei der sog. unabhängigen Prüfungsstelle eingereicht werden können. Eine solche Prüfung auf Antrag muss als Einzelfallprüfung stattfinden.
Spätestens an dieser Stelle muss man die Kritikfähigkeit der KBV in Zweifel ziehen. Als Hintergrund für die Neuregelung nennt die KBV nämlich den mit der Zufälligkeitsprüfung verbundenen hohen bürokratischen Aufwand bei nur geringem Nutzen. Das ist aber schon rein rechnerisch ein Irrtum!
Die Zufälligkeitsprüfungen waren – zwar ebenfalls als Einzelfallprüfungen – auf 2 % der Vertragsärzte in einer KV beschränkt. Jetzt können Kassen wahllos solche Prüfmaßnahmen beantragen.
Zu klären ist der Verdacht beim einzelnen Patienten
Selbst eine statistische Abweichung vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe ist als Prüfungsauslöser nicht mehr erforderlich. Es genügt die Darstellung von Sachverhalten am Beispiel einzelner Patienten, die einen Verdacht auf Unwirtschaftlichkeit nahelegen.
Und wer glaubt, die „unabhängigen“ Prüfgremien würden hier einen Riegel vorschieben, der irrt. In diesen Gremien sitzen Kassen und Ärzte paritätisch beisammen und die Ärzteparität ist dort selten eine Interessensvertretung.
Schaut man sich die Beispiele für Verdachtsmomente an, die in der Rahmenempfehlung aufgezählt werden, läuft es einem kalt den Rücken herunter. Da werden genannt:
- die fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),
- der Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zum Erreichen des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),
- der Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihr fachgerechtes Erbringen (Qualitätsmangel), insbesondere bezüglich der Vorgaben der Richtlinien des G-BA,
- der Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten hinsichtlich des Behandlungsziels.
Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, welche zusätzlichen Belastungen dieser Prüfmechanismus, insbesondere für die basisversorgenden Vertragsärzte, nach sich ziehen wird. Ein Arzt muss sich künftig auf der Grundlage der „Denke“ von Kassenfunktionären genau überlegen, welche Leistungen er bei einem Patienten erbringt oder veranlasst. Insbesondere die Veranlassung dürfte dabei bedeutsam sein, denn ein Regress für angeblich unnötig beauftragte CT-, MRT- oder Laboruntersuchungen kann teuer werden.
Da hilft es auch wenig, wenn die Vertragspartner auf Landesebene die Zahl der je Quartal in einer KV maximal zu prüfenden Ärzte begrenzen dürfen. Das öffnet der Kassen- und KV-Willkür eher noch mehr Tür und Tor.
Medical-Tribune-Bericht