Coronatests: Öffentlicher Gesundheitsdienst kann Reihenuntersuchungen beauftragen
Rückwirkend zum 14. Mai 2020 ist die „Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“ in Kraft getreten. Danach haben Versicherte in definierten Fällen Anspruch auf Labordiagnostik (s. Tabelle).
Wann darf nach der neuen Verordnung getestet werden? |
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Testungen bei asymptomatischen Personen können vorgenommen werden, wenn diese zu einer mit SARS-CoV-2 infizierten Person Kontakt hatten, … |
… weil sie Gesprächssituationen von mind. 15 Minuten oder direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten hatten,
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Vorsorgliche Testungen bei asymptomatischen Personen können auch ohne solche Kontakte vorgenommen werden bei Patienten, die … |
… ambulant operiert werden sollen,
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Quelle: Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 8. Juni 2020 |
Auch Privatpatienten können getestet werden!
Die neuen Regelungen gelten nicht nur für GKV-Kunden. Das Einbeziehen von Privatpatienten wird damit begründet, dass die Tarife der privaten Krankenversicherungen die Testungen asymptomatischer Personen typischerweise nicht umfassen und dass so auch Menschen einbezogen werden können, die nicht krankenversichert sind. Dieser Anspruch bezieht sich allerdings nur auf den direkten Erregernachweis. Die Bestimmung von Antikörpern ist (zunächst) ausgeschlossen, da nach momentanem Stand der Wissenschaft ungeklärt ist, inwieweit ein Antikörpernachweis mit dem Vorliegen einer Immunität korreliert. Ziel ist, durch einen direkten Erregernachweis umfassender als bisher bestimmte Personengruppen auf das Virus zu testen. Dazu gehören Menschen, bei denen noch keine Symptome für eine Ansteckung vorliegen, aber eine Infektion naheliegend erscheint, sowie jene, bei denen eine hohe Gefahr besteht, dass sie oder andere in ihrem Umfeld durch eine Infektion besonders gefährdet wären. Welche Auswirkungen hat dieses Gesetz auf den Praxisbetrieb? Was die Vorgehensweise und Leistungsabrechnung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie betrifft, ändert sich zunächst nichts. Es bleibt dabei, dass Fälle, bei denen das Virus labordiagnostisch nachgewiesen wurde, mit dem Diagnoseschlüssel „U07.1“ gekennzeichnet werden und Verdachtsfälle mit „U07.2“, wenn eine klinisch-epidemiologische COVID-19-Erkrankung diagnostiziert wurde, aber keine SARS-CoV-2-Infektion mit einem Labortest nachgewiesen werden konnte (MT berichtete). Nur in solchen Fällen können Abstriche zur Testung durch die Praxis vorgenommen und an ein geeignetes Labor zur Auswertung überwiesen werden. Und nur dann können alle Leistungen mit der Pseudonummer 88240 gekennzeichnet und damit auch extrabudgetär vergütet werden. Wie bisher ist eine solche Kodierung bei asymptomatischen Patienten nicht möglich. Man hätte sie auch bisher nicht testen dürfen und bei Testzentren oder Schwerpunktpraxen wären sie abgewiesen worden. Der Differenzierungsaufwand, den man uns als Vertragsärzten bisher aufgebürdet hat, erlangt nun aber eine andere Dimension. Zunächst wird eine gewisse Erleichterung geschaffen, denn Fälle, bei denen wir eine Fallkonstellation wie in der Verordnung sehen, können wir nun an das Gesundheitsamt verweisen.Neuer ICD-10-Code für „spezielle Verfahren“
In diesem Zusammenhang ist aber eine weitere Neuerung bei der Kodierung zu beachten. Seit dem 1. Juni 2020 gibt es nämlich eine ICD-Verschlüsselung für die Veranlassung von nicht-kurativen Coronatests bei symptomfreien Personen. Der neue ICD-10-Code „U99.0!“ steht für „Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf SARS-CoV-2“. Mit diesem Code sollen jene Fälle gekennzeichnet werden, bei denen keine Symptome bestehen, jedoch ein Labortest durchgeführt wurde und dieser negativ ausgefallen ist. Auch bei diesem Code handelt es sich um eine Sekundärschlüsselnummer, die durch ein Ausrufezeichen gekennzeichnet ist. Ihm muss deshalb mindestens ein weiterer ICD-Code, in diesem Fall „Z11“ für „Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf infektiöse und parasitäre Krankheiten“, folgen. Fazit: Die scheinbare Organisationserleichterung verpufft wieder, weil wir in unseren Praxen mehr als bisher entscheiden müssen, ob wir einen Patienten selbst testen lassen können oder wegen fehlender Indikation zum ÖGD schicken müssen. Formal entsteht bei einer Fehlentscheidung nämlich eine Regressgefahr. Sie dürfte allerdings glücklicherweise nicht finanziell zum Tragen kommen, da in beiden Fällen in etwa die gleichen Kosten für die GKV entstehen. Der Gesetzgeber hat die Einschränkung bei der Veranlassung der Tests bei asymptomatischen Patienten vermutlich vorgesehen, um eine übermäßige Ausweitung solcher Massentests zu verhindern. Das Angebot, den ÖGD als „Bremser“ zu nutzen, sollten wir deshalb annehmen.Bestimmte Träger könnten Kostenübernahme verweigern
Vorsicht ist lediglich bei Privatpatienten geboten, insbesondere wenn sie ihre Erstattung über die Beihilfe oder als Versicherte der KVB und PostB erhalten. Deren Kostenträger könnten unter Berufung auf die Verordnung eine Kostenübernahme verweigern, was uns diese Patienten nachtragen werden. Der nun gebahnte Weg über den ÖGD mag für Privatpatienten umständlich sein, schützt diese Versichertengruppe aber vor einem finanziellen Schaden. Offen ist die Auswirkung der Verordnung auf die Veranlassung von SARS-CoV-2-Antikörpertests. Ausgeschlossen werden sie durch die Verordnung zwar nicht – aber auch nicht eingeschlossen. Beachten sollte man auch hier die erforderlichen Voraussetzungen: Nur wenn ein begründeter Verdacht auf eine Infektion oder eine abgelaufene Infektion besteht, kann man eine Antikörperbestimmung veranlassen und mit „U07.1“ oder „U07.2“ kennzeichnen. Wenn ein Versicherter nur wissen will, ob er Antikörper hat, z.B. um sich in einer (zweifelhaften) Immunlage zu wägen, muss er die Kosten selbst tragen.Medical-Tribune-Bericht