Videosprechstunde: Medizinisch sinnvoll – und betriebswirtschaftlich?
Seit dem 4. Quartal 2019 berechtigt ein Videokontakt zur Abrechnung der hausärztlichen Versichertenpauschale. Vorher konnte nur die mit 9,27 Euro vergütete Nr. 01439 berechnet werden. Bei der am häufigsten in einer Videosprechstunde zu erwartenden Patientengruppe vom 19. bis zum 54. Lebensjahr ist die Versichertenpauschale nach Nr. 03003 mit 12,53 Euro bewertet. Unter Berücksichtigung des vorher auch schon berechnungsfähigen Zuschlags nach Nr. 01450 EBM (4,39 Euro) ist damit der Unterschied zum ursprünglichen Honorar nicht sehr groß.
Pauschalen reißen das Ruder noch ein bisschen rum
Eine etwas substanziellere Verbesserung tritt dadurch ein, dass die vorgesehenen Zuschläge von der KV automatisch zugesetzt werden. Dies sind die Vorhaltepauschale nach Nr. 03040 (15,16 Euro), ggf. die NäPa-Pauschalen nach den Nrn. 03060/03061 (3,74 Euro) sowie die bis zum 30. September 2021 befristete Anschubförderung nach Nr. 01451 (10,11 Euro).
Diese Leistungen ergeben in der Summe ein Honorar von 45,93 Euro für einen einzigen Kontakt im Quartal. Hier beginnen dann aber Unwägbarkeiten: Die Nr. 01450 ist auf 1899 Punkte (aktuell 208,65 Euro) budgetiert und die Nr. 01451 wird für den begrenzten Zeitraum zwar extrabudgetär, aber auch begrenzt auf 4620 Punkte (aktuell 514,20 Euro im Quartal) vergütet.
Eine weitere Stolperstelle: Finden bei einem Patienten die Arztkontakte im Quartal ausschließlich in einer Videosprechstunde statt, muss auf dem Behandlungsschein die Pseudoziffer 88220 angegeben werden. Diese hat zur Folge, dass ein Abschlag von 20 % auf die Nrn. 03000/04000 und auf die Zuschläge nach den Nrn. 03040/04040, 03060, 03061 erfolgt. Bei unserem Beispielpatienten nach Nr. 03003 resultiert dann nur noch ein Honorar von 40,63 Euro. Und ab dem 01.10.2021 sogar nur noch eines von 29,53 Euro.
Mit diesem „Basis-Honorar“ ist rein betriebswirtschaftlich also noch kein Staat zu machen. Die Frage ist deshalb: Was geht im Einzelfall darüber hinaus? Kommt es zu einer Videosprechstunde mit einem positiv getesteten oder nach RKI-Kriterien der Infektion mit SARS-CoV-2 verdächtigen Patienten, kann die Pseudoziffer 88240 zugesetzt werden. An diesem Tag werden – zunächst auch wieder begrenzt auf das 2. Quartal 2020 – alle Leistungen im Rahmen einer Videosprechstunde extrabudgetär vergütet. Das Honorar wird zu 100 % ausgezahlt.
Danach greift aber wieder die Einschränkung, dass ggf. ein Abschlag von 20 % und zusätzlich die Begrenzung des Abrechnungsvolumens aus einer Videosprechstunde auf maximal 20 % einer berechneten Leistung bzw. aller Behandlungsfälle je Arzt und Quartal erfolgt.
Auch psychosomatische Intervention über Video
Man muss deshalb spätestens, wenn diese Regelungen wieder scharf geschaltet werden, darauf achten, dass wirklich alle Leistungen zur Abrechnung kommen, die bei der Videosprechstunde erbracht wurden. Neben der Versichertenpauschale und den Zuschlägen sind das noch eine ganze Reihe weiterer Positionen.
Diese Positionen können zusätzlich zur Videosprechstunde berechnet werden | |||
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EBM | Legende (Kurzform) | Euro | Bemerkungen |
01444 | Zuschlag für die Authentifizierung „unbekannter“ Patienten | 1,10 |
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01450 | Zuschlag Videosprechstunde (Technik- und Förderzuschlag) | 4,39 |
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03230 | problemorientiertes Gespräch | 14,06 |
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01442 | Videofallkonferenz mit an der Versorgung des Patienten beteiligten Pflegefachkräften | 9,45 |
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35110 | verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen | 21,21 | Differenzialdiagnostische Klärung nach Nr. 35100 muss zuvor mit persönlichem APK erbracht worden sein. |
30210 | Teilnahme an multidisziplinärer Fallkonferenz vor Überweisung von Patient mit diabetischem Fußsyndrom an hyperbare Sauerstofftherapie | 9,45 (9,45) |
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37400 | Zusatzpauschale Beteiligung an Beratung zur Versorgungsplanung letzte Lebensphase | 10,99 | Kann nur von einem an der Beratung beteiligten Arzt abgerechnet werden. |
Kommt es zu einem problemorientierten ärztlichen Gespräch, das mindestens 10 Minuten dauert, kann die seit dem 1. April 2020 deutlich auf 14,06 Euro aufgewertete Leistung nach Nr. 03230 berechnet werden. Hier greift auch wieder ein internes Budget von 64 Punkten, ausgenommen bei Patienten mit der Kennziffer 88240. Auch eine verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen nach Nr. 35110 ist per Videokontakt – und neben der Ziffer 88240 sogar extrabudgetär vergütet – möglich.
Eine Honorarperspektive könnten ferner die verschiedenen Formen von Fallkonferenzen sein, die auch telefonisch oder in einer Videosprechstunde erbracht werden können. Aber auch hier gibt es schon wieder Einschränkungen. In Verbindung mit Fallkonferenzen nach den Nrn. 30210, 30706, 30948, 37120, 37320 und 37400 kann die Nr. 01450 nur vom initiierenden Arzt berechnet werden. Einigen dieser Fallkonferenzen liegen auch Qualifikations- oder vertragliche Voraussetzungen zugrunde.
Bei diesen Leistungen müssen Auflagen beachtet werden | |||
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EBM | Legende (Kurzform) | Euro | Bemerkungen |
01442 | Videofallkonferenz mit an der Versorgung des Patienten beteiligten Pflegefachkräften | 9,45 |
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30210 | Teilnahme an multidisziplinärer Fallkonferenz vor Überweisung eines Patienten mit diabetischem Fußsyndrom zur hyperbaren Sauerstofftherapie | 9,45 |
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30706 | Schmerztherapie-Fallkonferenz | 9,45 |
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30984 | Teilnahme an einer MRSA-Fall- und/oder regionalen Netzwerkkonferenz | 9,45 | KV-Genehmigung erforderlich |
37400 | Zusatzpauschale Beteiligung an Beratung zur Versorgungsplanung letzte Lebensphase | 10,99 | Kann nur von einem an der Beratung beteiligten Arzt abgerechnet werden. |