Welche Erfahrungen Hausärzte mit der Videosprechstunde gesammelt haben
Vor der Coronakrise empfand der Allgemeinmediziner Kay Krumbiegel Konsultationen per Video nicht wirklich als notwendig. Seine Praxis in Elmshorn (Schleswig-Holstein) ist gut an den Verkehr angebunden und auch ohne Telemedizin ausreichend frequentiert. In den letzten Wochen lernte der 43-Jährige die Fernbehandlung allerdings zu schätzen.
„Das Angebot entstand aus der Not heraus“, erzählt der Hausarzt. Da zu Beginn der Pandemie kaum Schutzkleidung vorhanden war, schienen ihm Videokonsultationen nützlich, um Patienten und Personal der Gemeinschaftspraxis vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu schützen. Das hat gut funktioniert: „Per Video konnte ich die Verdachtsfälle vorsortieren. Wenn ein Abstrich erforderlich war, habe ich die Patienten in die Praxis bestellt oder diesen veranlasst. Viele mussten aber gar nicht kommen.“
Älteren Patienten fehlt oft die technische Ausstattung
Krumbiegel betrachtet die Videosprechstunde vorrangig als Werkzeug, das er in begründeten Fällen einsetzen kann. Nebenbei verbessert sie bei jüngeren Patienten offenbar auch das Image der Praxis: „Teilweise wechseln sie deswegen sogar zu uns.“
So machen Sie Ihre neue Videosprechstunde bekannt | ||
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Aktionsfeld | Maßnahme | Tipp |
Webseite | Neue Videosprechstunde direkt auf der Startseite ankündigen und nicht in einem Menüpunkt wie „News“ verstecken | Gleich die Voraussetzungen, den Ablauf und die Termine nennen |
Google My Business | Im Google Knowledge-Graph (= Info-Fenster auf der ersten Seite bei Google oben rechts mit den Praxisinformationen) unter Neuigkeiten kostenlos und gut sichtbar auf Videosprechstunde hinweisen | Den Beitrag mit der Website verlinken |
Foto als Servicehinweis posten | Videosprechstunde für etwa 4 Wochen als Titelbild einsetzen | |
Ein Post dazu ist gut | #videosprechstunde als Hashtag benutzen | |
Arztbewertungsportale | Angebot der Videosprechstunde vorne auf die Praxisbeschreibung setzen und unter Besonderheiten der Praxis aufzählen | Manche Arztbewertungsportale bieten sogar Videosprechstunden als technischen Service an |
Service der Videosprechstunde gut sichtbar unter die Fußnote Ihrer E-Mails setzen | Link auf die Website dazu | |
Anrufbeantworter | Wer in der Praxis anruft, möchte oft einen Termin. Jetzt ist der beste Moment, auf die Videosprechstunde hinzuweisen | In der Ansage früh ankündigen, dass am Ende Informationen zum neuen Service der Videosprechstunde folgen |
Professioneller farbiger Flyer | Am Tresen und im Wartezimmer auslegen | Keine kopierten Briefbogen verwenden. Sie bieten schließlich etwas Besonderes und Hochwertiges an! |
Quelle: Marc Däumler, Agentur excognito |
Wie Ärzte Patienten auf ihr neues Angebot einer Videosprechstunde aufmerksam machen können, erklärt der Berliner Social-Media-Experte Marc Däumler anhand von Beispielen.
Dass viele der zertifizierten Videodienstanbieter die benötigte Software während der Pandemie kostenfrei zur Verfügung stellen, kam dem Hausarzt gelegen. „Es ist eine schöne Möglichkeit, um das Angebot mal auszuprobieren.“
Ähnlich dachte Dr. Sebastian Münster in Troisdorf, Nordrhein-Westfalen. Die vorübergehend kostenlose Software war auch für ihn verlockend. „Ich habe bereits seit einem Jahr mit dem Gedanken gespielt und bin froh, dass ich mich jetzt dazu durchgerungen habe“, berichtet der 39-Jährige.
Er empfindet die Telemedizin als sehr sinnvoll, auch wenn es für ihn einen Wermutstropfen gibt: Ursprünglich hätte der Hausarzt die Videosprechstunde gerne genutzt, um die vier Pflegeheime, die er betreut, telemedizinisch zu unterstützen. Auf diese Weise hätte er direkte Kontakte während der Pandemie reduzieren können. Er machte die Träger der Heime mehrfach auf das Angebot aufmerksam, doch es bestand keinerlei Interesse. „Das war sehr enttäuschend“, bilanziert er. Grundsätzlich sei es bedauerlich, dass gerade die Patienten, die es am meisten entlasten würde, das Angebot nicht nutzen können: „Senioren fehlt meist das technische Equipment und die Medienkompetenz“.
Wenn schon Videokonsultation, dann auch professionell
- Internet: Die Verbindung sollte gut und ruckelfrei sein.
- Licht: Vor allem Ihr Gesicht muss gut ausgeleuchtet sein.
- Ton: Ein Headset hilft.
- Dresscode: Ein Arzt muss auch in der Videosprechstunde wie ein Arzt aussehen, daher Kittel oder weißes Hemd tragen.
- Organisation: Erstellen Sie eine Checkliste zum typischen Ablauf. Wie viel Zeit steht zur Verfügung? Welche Informationen brauchen Sie? Wie ist die Reihenfolge der Fragen?
- Hintergrund: Das Gegenüber achtet auch auf Details im Hintergrund. Medizinische Bücher strahlen Kompetenz aus, Patientendaten dürfen nicht erkennbar sein. Auf Ordnung achten.
Im Praxisalltag muss sich das Angebot erst einpendeln
Auch Dr. Münster empfand es zunächst als gewöhnungsbedürftig, abwechselnd per Video und dann wieder im direkten Kontakt zu arbeiten. Inzwischen haben die Mediziner jedoch herausgefunden, wie sie das Angebot für sich optimal handhaben. Die drei Hausärzte nutzen die Telemedizin vor allem für Beratungen und kleinere Beschwerden wie etwa Atemwegsinfekte. Bestimmte Messungen können die Patienten unter ärztlicher Anleitung selbst durchführen, sofern sie die nötigen Kleingeräte besitzen. Gelegentlich komme es auch vor, dass eine Videokonsultation abgebrochen werden muss, weil eine schwere Erkrankung nicht ausgeschlossen werden kann, berichten die Allgemeinmediziner. In diesem Fall wird der Patient besucht oder muss doch in die Praxis kommen. „Das ist eine Frage von gesundem Menschenverstand und gesunder Moral“, betont Krumbiegel. Trotz aller Schwierigkeiten empfinden die drei Ärzte die Videosprechstunde als sinnvoll und würden sie Kollegen empfehlen. „Es hat mir große Freude bereitet, das auszuprobieren“, so Dr. Münster. Wie seine beiden Kollegen wünscht er sich, dass mehr Patienten die Vorzüge des Angebots entdecken, vor allem ältere.Medical-Tribune-Recherche