Welche Erfahrungen Hausärzte mit der Videosprechstunde gesammelt haben

e-Health , Telemedizin Autor: Isabel Aulehla

Die Nachfrage war zu Beginn der Coronapandemie sehr groß und flacht nun etwas ab. Die Nachfrage war zu Beginn der Coronapandemie sehr groß und flacht nun etwas ab. © iStock/Ridofranz

In den letzten Wochen wurde die Telemedizin als wichtiges Werkzeug in der Coronapandemie gepriesen und gefördert. Doch wie lukrativ und sinnvoll ist das Angebot? Drei Hausärzte berichten.

Vor der Coronakrise empfand der Allgemeinmediziner Kay Krumbiegel Konsultationen per Video nicht wirklich als notwendig. Seine Praxis in Elmshorn (Schleswig-Holstein) ist gut an den Verkehr angebunden und auch ohne Telemedizin ausreichend frequentiert. In den letzten Wochen lernte der 43-Jährige die Fernbehandlung allerdings zu schätzen.

„Das Angebot entstand aus der Not heraus“, erzählt der Hausarzt. Da zu Beginn der Pandemie kaum Schutzkleidung vorhanden war, schienen ihm Videokonsultationen nützlich, um Patienten und Personal der Gemeinschaftspraxis vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu schützen. Das hat gut funktioniert: „Per Video konnte ich die Verdachtsfälle vorsortieren. Wenn ein Abstrich erforderlich war, habe ich die Patienten in die Praxis bestellt oder diesen veranlasst. Viele mussten aber gar nicht kommen.“

Älteren Patienten fehlt oft die technische Ausstattung

Krumbiegel betrachtet die Video­sprechstunde vorrangig als Werkzeug, das er in begründeten Fällen einsetzen kann. Nebenbei verbessert sie bei jüngeren Patienten offenbar auch das Image der Praxis: „Teilweise wechseln sie deswegen sogar zu uns.“

So machen Sie Ihre neue Videosprechstunde bekannt
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Professioneller farbiger FlyerAm Tresen und im Wartezimmer auslegenKeine kopierten Briefbogen verwenden. Sie bieten schließlich etwas Besonderes und Hochwertiges an!
Quelle: Marc Däumler, Agentur excognito

Wie Ärzte Patienten auf ihr neues Angebot einer Videosprechstunde aufmerksam machen können, erklärt der Berliner Social-Media-Experte Marc Däumler anhand von Beispielen.

Dass viele der zertifizierten Video­dienstanbieter die benötigte Software während der Pandemie kostenfrei zur Verfügung stellen, kam dem Hausarzt gelegen. „Es ist eine schöne Möglichkeit, um das Angebot mal auszuprobieren.“

Ähnlich dachte Dr. Sebastian Münster in Troisdorf, Nordrhein-Westfalen. Die vorübergehend kos­tenlose Software war auch für ihn verlockend. „Ich habe bereits seit einem Jahr mit dem Gedanken gespielt und bin froh, dass ich mich jetzt dazu durchgerungen habe“, berichtet der 39-Jährige.

Er empfindet die Telemedizin als sehr sinnvoll, auch wenn es für ihn einen Wermutstropfen gibt: Ursprünglich hätte der Hausarzt die Videosprechstunde gerne genutzt, um die vier Pflegeheime, die er betreut, telemedizinisch zu unterstützen. Auf diese Weise hätte er direkte Kontakte während der Pandemie reduzieren können. Er machte die Träger der Heime mehrfach auf das Angebot aufmerksam, doch es bestand keinerlei Interesse. „Das war sehr enttäuschend“, bilanziert er. Grundsätzlich sei es bedauerlich, dass gerade die Patienten, die es am meisten entlasten würde, das Angebot nicht nutzen können: „Senioren fehlt meist das technische Equipment und die Medienkompetenz“.

So präsentiert Dr. Münster das Angebot auf seiner Webseite.

Wie auch Krumbiegel beobachtete Dr. Münster zu Beginn der Pandemie eine starke Nachfrage. Von Mitte März bis April habe er bis zu 15 Videosprechstunden am Tag abgehalten, sagt er. Das Interesse habe aber im Verlauf von vier Wochen nachgelassen. Inzwischen führe er nur noch ein bis zwei Videokonsultationen am Tag, manchmal auch gar keine. Trotzdem scheint dies verglichen mit der Zeit vor der Coronakrise eine Steigerung zu sein: Im benachbarten Ort Niederkassel bietet Dominik Pütz schon seit 2017 Videosprechstunden an. Bis März 2020 sei diese Möglichkeit fast nie genutzt worden, erzählt er. Erst als das Angebot zur Kassenleistung wurde, habe sich das geändert. Er hofft, dass die Leistung künftig besser vergütet wird. „Dann würden Konsultationen per Video auch boomen“, meint der 43-Jährige. Aus wirtschaftlicher Sicht lohnen sich Konsultationen per Video derzeit nur bedingt, berichten die drei Allgemeinärzte übereinstimmend. Die KVen zahlen einen Zuschlag von 10 Euro pro Videosprechstunde, sofern die Leistung im Quartal mindestens 15 Mal erbracht wird. Wird dieser Zuschlag erreicht, bringt eine Videosprechstunde etwa 15 Euo ein. Von der technischen Seite her seien Videosprechstunden leicht zu handhaben, meinen die Ärzte. „Jeder, der bei Amazon bestellen kann, kann auch die Video­sprechstunde einrichten“, so Dr. Münster.

Wenn schon Videokonsultation, dann auch professionell

Damit eine Viedeosprechstunde ordentlich abläuft, sollten folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
  • Internet: Die Verbindung sollte gut und ruckelfrei sein.
  • Licht: Vor allem Ihr Gesicht muss gut ausgeleuchtet sein.
  • Ton: Ein Headset hilft.
  • Dresscode: Ein Arzt muss auch in der Videosprechstunde wie ein Arzt aussehen, daher Kittel oder weißes Hemd tragen.
  • Organisation: Erstellen Sie eine Checkliste zum typischen Ablauf. Wie viel Zeit steht zur Verfügung? Welche Informationen brauchen Sie? Wie ist die Reihenfolge der Fragen?
  • Hintergrund: Das Gegenüber achtet auch auf Details im Hintergrund. Medizinische Bücher strahlen Kompetenz aus, Patientendaten dürfen nicht erkennbar sein. Auf Ordnung achten.
Etwas schwieriger gestaltete sich die Umstellung der Abläufe im Praxisalltag. „Anfangs haben die Schließungszeiten am Mittag sehr darunter gelitten“, erzählt Krumbiegel.

Im Praxisalltag muss sich das Angebot erst einpendeln

Auch Dr. Münster empfand es zunächst als gewöhnungsbedürftig, abwechselnd per Video und dann wieder im direkten Kontakt zu arbeiten. Inzwischen haben die Mediziner jedoch herausgefunden, wie sie das Angebot für sich optimal handhaben. Die drei Hausärzte nutzen die Telemedizin vor allem für Beratungen und kleinere Beschwerden wie etwa Atemwegsinfekte. Bestimmte Messungen können die Patienten unter ärztlicher Anleitung selbst durchführen, sofern sie die nötigen Kleingeräte besitzen. Gelegentlich komme es auch vor, dass eine Videokonsultation abgebrochen werden muss, weil eine schwere Erkrankung nicht ausgeschlossen werden kann, berichten die Allgemeinmediziner. In diesem Fall wird der Patient besucht oder muss doch in die Praxis kommen. „Das ist eine Frage von gesundem Menschenverstand und gesunder Moral“, betont Krumbiegel. Trotz aller Schwierigkeiten empfinden die drei Ärzte die Videosprechstunde als sinnvoll und würden sie Kollegen empfehlen. „Es hat mir große Freude bereitet, das auszuprobieren“, so Dr. Münster. Wie seine beiden Kollegen wünscht er sich, dass mehr Patienten die Vorzüge des Angebots entdecken, vor allem ältere.

Medical-Tribune-Recherche

Kay Krumbiegel, Allgemeinmediziner Kay Krumbiegel, Allgemeinmediziner © privat
Dr. Sebastian Münster, Allgemeinmediziner Dr. Sebastian Münster, Allgemeinmediziner © privat
Dominik Pütz, Allgemeinmediziner Dominik Pütz, Allgemeinmediziner © Thomas Hieronymi