Ärztemangel Suche nach angestellten Ärzten: Selbst der Headhunter braucht vier Jahre
Hausärzte, die Kollegen in Anstellung suchen, haben es schon seit Jahren äußerst schwer. Die massive Arbeitsbelastung, der die Praxen während der Pandemie ausgesetzt waren, habe den Beruf in den Augen potenzieller Bewerber nicht unbedingt attraktiver gemacht, vermutet Dr. Sabine Thiel, Hausärztin im hessischen Schlangenbad. „Ich habe mich an einen Headhunter gewandt, der auf Allgemeinmediziner spezialisiert ist. Er meinte, vier bis sechs Jahre seien eine realistische Wartezeit.“
Ihre Praxis liegt im Einzugsgebiet Wiesbadens, ist Lehrpartner der Universität Mainz und läuft nach Angaben der Medizinerin hervorragend. Trotzdem gestaltet sich die Suche nach Unterstützung mühsam. „Ich habe den Eindruck, dass der nachwachsenden Generation die enge Patientenbindung in einer Hausarztpraxis zu viel Verantwortung bedeutet. Sie arbeiten lieber in großen Einrichtungen, in denen Kontakte anonymer und austauschbar sind.“
Hinzu komme, dass die Behandlung der meist älteren und multimorbiden Patienten sehr anspruchsvoll sei. „Sie nehmen teilweise bis zu zehn Medikamente parallel. Da den Überblick zu behalten, ist schwierig.“ Dementsprechend schrecke es manche Bewerber ab, wenn sie hören, dass die Praxis 80 Einwohner eines Pflegeheims betreut. „Aber so sieht der Beruf nun mal aus.“
Derzeit wird Dr. Thiel von einer angestellten Kollegin und einer Weiterbildungsassistentin unterstützt. Da Letztere nicht im hausärztlichen Bereich bleiben möchte, muss die Stelle bald nachbesetzt werden. Doch lange bürokratische Prozesse erschweren die Mitarbeitersuche unnötig. So würde Dr. Thiel gerne eine Medizinerin anstellen, die Teile ihrer Weiterbildung in Rom absolviert hat und nach Deutschland zurückkehren möchte. Es werde jedoch ein Dreivierteljahr dauern, bis die Qualifikationen anerkannt seien, teilte die Kammer mit. „Bis dahin darf die Kollegin leider nichts in der Praxis machen“, berichtet Dr. Thiel. Um die Arbeitsbelastung in der Phase der Personalknappheit etwas zu reduzieren, ermöglicht die Medizinerin ihren MFA die Weiterqualifikation zur NäPa oder Verah.
Die einzige Möglichkeit, das Problem langfristig zu lösen, sieht Dr. Thiel auf der politischen Ebene. So müsse die Tätigkeit von Allgemeinmedizinern dringend besser vergütet werden, um Hausarztpraxen für den Nachwuchs attraktiver zu machen.
Worauf Bewerber im Arbeitsvertrag Wert legen
Gute Struktur ist ein wichtiges Kriterium
Abgesehen vom Gehalt auf Tarifniveau sind es eher weiche Kriterien, die für die Bewerber eine Rolle spielen. Sie erwarten, geduldig eingearbeitet zu werden und legen Wert auf einen gut strukturierten Praxisablauf, berichtet Dr. Springborn. „Aber den brauchen wir ohnehin für uns selbst. Eine gute Struktur steigert die Lebensqualität.“ Zudem sei es wichtig, dass Aufgaben fest verteilt sind und zuverlässig übernommen werden. Natürlich seien auch eine offene Fehlerkultur und ein umgängliches Miteinander unverzichtbar. Unterm Strich sei die Beschäftigung neuer angestellter Ärzte im ersten Jahr eher ein Verlustgeschäft, berichtet Dr. Springborn. Es dauere, bis sie die Patienten sowie deren Familien kennen. Und auch die Tücken der Budgetierung müssen sie erst mal durchschauen. Doch mit der Zeit würden sie in die Tätigkeit hineinwachsen.Medical-Tribune-Bericht