Ärztinnen ans Messer! Chirurginnen schneiden besser ab als ihre männlichen Kollegen

Autor: Dr. Michael Brendler

Ärztinnen haben in der Männerdomäne Chirurgie keinen leichten Stand. Ärztinnen haben in der Männerdomäne Chirurgie keinen leichten Stand. © iStock/iambra & iStock/shotsstudio MT

Frauen sind die besseren Operateure – zumindest, wenn man einer großen kanadischen Studie glaubt. Neben der fachlichen Eignung zeigen die Experten aber vor allem das bestehende Geschlechtermissverhältnis im OP auf. Denn hinter Mundschutz und Haube verbirgt sich noch zu selten ein weibliches Gesicht.

Ärztinnen haben in der Männerdomäne Chirurgie keinen leichten Stand. Trotz der zunehmenden Zahl weiblicher Medizinstudenten sind sie im OP unproportional spärlich vertreten. Immerhin wird die Geschlechtergleichstellung in den chirurgischen Fächern auch in Bezug auf Lohn und Beförderungschancen immer mehr zum Thema, schreiben Christopher JD Wallis, Abteilung für Urologie der Universität von Toronto, und Kollegen. Um diese Entwicklung zu unterstützen und Vorurteilen entgegenzuwirken, haben die Forscher die Behandlungsergebnisse von Chirurgen und Chirurg­innen miteinander verglichen.

Einer aus 230 wäre mit einer Operateurin besser bedient

In der Provinz Ontario unterzogen sich in einem Zeitraum von neun Jahren 1,16 Millionen Menschen einem von 25 definierten Eingriffen aus verschiedenen Disziplinen. Jeder achte Patient wurde von einer Ärztin operiert. Insgesamt waren 23,4 % der Chirurgen weiblich. Die Forscher identifizierten retrospektiv nun zwei Gruppen mit jeweils 52 315 Personen, die entweder von einer Ärztin oder einem Arzt im ähnlichen Alter, mit ähnlicher Erfahrung, im gleichen Krankenhaus sowie mit der identischen OP behandelt wurden. Zudem glichen sich die Patienten in Alter, Geschlecht und in puncto Komorbiditäten.

Der primäre Endpunkt – definiert als Komplikationen, Wiedereinweisung und Tod innerhalb von 30 Tagen – trat bei 11,1 % der von weiblicher Hand operierten Patienten ein. Nahm ein Mann das Skalpell in die Hand, betrug die Quote 11,6 %. Der statistisch signifikante Unterschied entspricht umgerechnet einem aus 230 Patienten, der mit einer Chir­urgin besser bedient gewesen wäre. Die Differenz ließ sich gemäß einer Subanalyse letztlich der unterschiedlichen 30-Tages-Mortalität zuschreiben: Diese lag bei einem weiblichen Operateur um 12 % niedriger.

Schlechtere Outcomes erzielten vor allem die männlichen Kollegen aus der plastischen Chirurgie. Im Fachgebiet HNO schnitten die Ärztinnen schlechter ab. Bei notfallmäßigen Eingriffen war es für das Patientenwohl egal, wer am OP-Tisch stand, Unterschiede fanden sich nur bei elektiven Eingriffen.

Ähnliche Ergebnisse zeigten sich kürzlich in einer Gegenüberstellung der Behandlung von Internistinnen und Internisten im Krankenhaus. Über die Gründe für die Geschlechterunterschiede können die Forscher aber nur spekulieren: Möglicherweise operierten Kolleginnen deshalb erfolgreicher, weil sie sich enger an Leitlinien halten, besser kommunizieren und mehr auf den einzelnen Patienten eingehen. Vielleicht haben sie aber auch einfach mehr Ahnung vom Fach, wie eine Studie mit Medizinstudenten vermuten lässt.

„Ich seh‘ aus wie ein Chirurg“

Seit ungefähr zwei Jahren kursiert in den sozialen Medien der Hashtag #ILookLikeASurgeon. Dabei handelt es sich um eine Onlinekampagne, die Frauen in operativen Fächern unterstützt. Die Äußerungen von 35 000 Nutzern in über 150 000 Tweets haben inzwischen deutlich gemacht: 1. Das Stereotyp des arroganten, weißen, männlichen Chirurgen erschwert es, ein Teil dieses vermeintlich eingeschworenen Clans zu werden. 2. Das Fach Chirurgie besteht weltweit eben nicht nur aus diesem Stereotyp, sondern lebt von der Vielfalt.

Logghe H et al. BMJ 2017; 359: j4653

Ein weiterer Erklärungsversuch hat mit dem Betriebsklima zu tun: Weil bestimmte Stereotypen von Chirurgen, Diskriminierung und Arbeitsbelastung viele Ärztinnen von operativen Fächern abschreckten, käme womöglich bevorzugt ein bestimmter Frauentyp zum Zug, so die Autoren. Dieser umfasst überproportional fähige, motivierte und hart arbeitende Kolleginnen. Die Experten betonen, dass durch ihre Studie keineswegs ein Geschlecht in der Chirurgie bevorzugt werden soll. Vielmehr diene sie der Forderung nach mehr Geschlechtergleichheit und Diversität in einem traditionell männlich dominierten Fach. Ein ähnliches Fazit ziehen die Kommentatoren Clare Marx und Professor Derek Alderson vom Royal College of Surgeons of England. Den Unterschied in der 30-Tages-Mortalität schreiben sie aber eher nicht erfassten Störfaktoren zu als dem Geschlecht des Operateurs. Das Outcome der Patienten langfristig zu verbessern, sei ein komplexes Unterfangen und hänge von sehr vielen Umständen ab.

Quellen:
1. Wallis CJD et al. BMJ 2017; 359: j4366
2. Marx C und Alderson D. A.a.O.: j4580