Honorarabzug für TI-Verweigerer Nach der Klage ist vor der Klage

Praxismanagement , Praxis-IT Autor: Anouschka Wasner

Trotz der vom Richter verfügten begrenzten Teilnahmemöglichkeit hatten Ärzt:innen ihre Praxis aus Solidarität geschlossen. Sie sind nach München gefahren, um zu zeigen, dass die Telematikinfrastruktur nicht ein Problem einiger weniger ist. Trotz der vom Richter verfügten begrenzten Teilnahmemöglichkeit hatten Ärzt:innen ihre Praxis aus Solidarität geschlossen. Sie sind nach München gefahren, um zu zeigen, dass die Telematikinfrastruktur nicht ein Problem einiger weniger ist. © Dr. Eberhard Siegle

Eine weitere Klage gegen den Honorabzug für die Verweigerer der Telematikinfrastruktur ging verloren. Folgt der Marsch durch die gerichtlichen Institutionen?

Am 26. Januar 2023 wurde die Klage von Dr. Gernot Petzold, Vorstandsmitglied des Bayerischen Facharztverbandes (BFAV), über die Zulässigkeit der Sanktionen vor der 38. Kammer am Sozialgericht München verhandelt. Von der Klageeinreichung bis zur Verhandlung hatte es fast drei Jahre gedauert. Der BFAV finanziert nach eigener Aussage diese Klage mit dem Ziel, in einem Musterverfahren die Verletzung von verfassungsrechtlichen Grundsätzen und berufsfreiheitlichen Rechten durch den Zwangsanschluss an die TI festzustellen. Kritiker der Telematikinfrastruktur hatten den Prozess mit Spannung erwartet - auch wenn dann das Ergebnis wenig überraschend war.

Auch für den unterstützenden BFAV erfolgte die Klageabweisung nicht unerwartet, schreibt der Verband. Die Entscheidung müsse, so sei die Einschätzung des Gerichtes , als Grundsatzurteil auf höherer Ebene fallen. Die Gesamtproblematik werde wohl erst nach einer Verfahrensdauer „von 5 bis 10 Jahren“ vor dem BSG oder aufgrund der Grundgesetz-Problematik erst vom Bundesverfassungsgericht oder dem EuGH entschieden werden.

Inhaltlich diskutiert wurden im Rahmen der Verhandlung die Möglichkeit des missbräuchlichen Erwerbs des Heilberufsausweises, die von der Gematik als ein „rein akademisches Szenario“ bestritten wurde. In einer Diskussion über die Sicherheitsanforderungen der Konnektoren wurde seitens der Gematik argumentiert, diese seien nach dem Sicherheitsprotokoll des BSI ausgestaltet. Eingeräumt worden wäre von den anwesenden Vertretern der Gematik dagegen, dass die Konnektoren über keinen physikalischen Schutz verfügten.

Zum Thema Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) erläuterten die Gematik-Vertreter, dass von einer Arztpraxis keine Daten, sondern lediglich Karten-Nummern verschlüsselt an die Krankenkasse gesendet würde. Läge dort ein veränderter Datensatz vor wie zum Beispiel eine geänderte Adresse dann würde dieser neue Datensatz verschlüsselt an das Kartenlese/schreib-Gerät der Praxis zurückgesendet und die Karte neu beschrieben.

In seinem Schlussplädoyer schildert der klagende Dr. Gernot Petzold dem Bericht des BFAV zufolge, er sei seit 36 Jahren niedergelassen und seit 22 Jahren in einer voll digitalisierten Praxis mit einem komplexen internen Netzwerk mit Datensätzen von 56.000 Patienten. „Ich bin mit meinem Praxisserver nicht an das Internet angeschlossen, dafür halte ich einen separaten PC vor. Der Nichtanschluss meines Praxisservers an das Internet dient allein dem Schutz der Patientendaten, um Hackerangriffe prinzipiell unmöglich zu machen. Die ärztliche Schweigepflicht ist eines der höchsten Güter in der Arzt-Patienten-Beziehung.“ Die Antwort des Gematik-Vertreters darauf sei gewesen, so der BFAV, dass er sich vorstellen könne, dass es schwierig sei, etwas zu tun, von dem man nichts verstehe. Das berechtige aber nicht zu dem pauschalen Vorwurf, das System sei unsicher.

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung Bayerns bedauerte als „Interessenvertretung der Ärzte“ ausdrücklich die Auseinandersetzung. Sie begleite die TI sehr kritisch und bemängele die fehlende Praktikabilität, es fehle der Mehrnutzen für die Ärzte. Der Honorarabzug sei „nicht zielführend“, aber als „Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ müsse sie Gesetze befolgen.

In Bayern sind aktuell rund 2800 Ärzte und Psychotherapeuten und 200 Zahnärzte nicht an die TI angeschlossen und werden deshalb jedes Quartal mit einem Honorarabzug von anfangs 1 %, mittlerweile 2,5 % bestraft.

Der Vorstand des BFAV will jetzt das Urteil im Detail analysieren und dann beschließen, inwieweit der weitere Gang durch die Instanzen als Musterverfahren finanziert wird.

Medical-Tribune-Bericht