Kopfschmerzen Notruf aus dem Schädel

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Erste Hinweise auf die Ursache des Kopfschmerzes liefern Fragen nach Vorerkrankungen sowie nach Beginn, Dauer und Verlauf der Attacken. (Agenturfoto) Erste Hinweise auf die Ursache des Kopfschmerzes liefern Fragen nach Vorerkrankungen sowie nach Beginn, Dauer und Verlauf der Attacken. (Agenturfoto) © Dragana Gordic – stock.adobe.com

Suchen Patienten wegen heftiger Kopfschmerzen ihren Arzt auf, stellt sich vor allem eine Frage: Ist die Attacke harmlos oder steckt eine schwerwiegende Erkrankung dahinter? Die gezielte Anamnese sowie eine umfassende körperliche und neurologische Untersuchung geben Hinweise auf mögliche sekundäre Ursachen.

Erste Hinweise auf die Ursache des Kopfschmerzes liefern Fragen nach Vorerkrankungen sowie nach Beginn, Dauer und Verlauf der Attacken. Auch den Charakter und die Intensität der Schmerzen sollte man erfragen, ebenso mögliche Begleitsymptome wie Übelkeit oder Erbrechen, schreiben Dr. Tim Eschbach­ und Dr. Christian­ Rosenwick­ vom Marien-Krankenhaus in Bergisch­ Gladbach­. Die beiden Autoren raten zudem zur gründlichen Medikamentenanamnese und einer Suchtanamnese. Nicht nur in der kühlen Jahreshälfte kommt eine Kohlenmonoxid­intoxikation etwa als Folge defekter Heizungsanlagen als Ursache einer Cephalgie infrage.

Bei Schwangeren an eine Sinusvenenthrombose denken

Bei Schwangeren und bei Frauen, die kürzlich entbunden haben, ist eine Sinusvenenthrombose in Betracht zu ziehen. In jedem Fall sollte neben der Anamnese eine neurologische Untersuchung erfolgen, bei der insbesondere fokal-neurologische Defizite wie Seh-, Sprach- und Sprechstörungen überprüft werden. Darüber hinaus sind Verhaltens- und Bewusstseinsstörungen zu erfragen. Auffälligkeiten in diesen Bereichen können auf eine sekundäre Ursache wie eine Sinusvenenthrombose oder eine Subarachnoidalblutung hindeuten. Das FAST-Schema ist zwar nicht für Kopfschmerzen evaluiert, kann aber als Merkhilfe für die körperlich-neurologische Untersuchung herangezogen werden (s. Kasten­).

Red Flags bei der Anamnese

Folgende Punkte gelten im Zusammenhang mit starken Kopfschmerzen als Warnzeichen:

  • starke Intensität („Schmerzen wie noch nie“)
  • plötzliches Auftreten („Donnerschlagkopfschmerz“)
  • Änderung des Schmerzcharakters
  • Kopfschmerzen nach Trauma
  • Kopfschmerzen mit Synkope
  • Antikoagulation
  • Alter > 50 Jahre
  • Krampfanfall
  • Malignom
  • Immunsuppression
  • Schwangerschaft (v.a. letztes Trimester), kürzlich erfolgte Entbindung

Obligat in der Initialdiagnostik ist die Messung der Vitalparameter, insbesondere von Blutdruck und Körpertemperatur, um etwa eine hypertensive Krise ausschließen zu können. Fieber kann auf Meningitis hindeuten. Unabhängig von der Körpertemperatur sollte man zudem die Möglichkeit eines Meningismus mit dem typischen Symptomkomplex aus Übelkeit, Erbrechen, Geräusch- und Lichtempfindlichkeit sowie Nackensteifigkeit bedenken. Fehlende Meningismuszeichen schließen eine Meningitis nicht aus.

Eine zuverlässige Unterscheidung zwischen idiopathischem und sekundärem Kopfschmerz ist im präklinischen Setting oft nicht möglich, schreiben Dr. Eschbach­ und Dr. Rosenwick­. Solange eine primäre Ursache nicht zweifelsfrei bewiesen ist, müsse man von einer sekundären Ursache und einer bedrohlichen Erkrankung ausgehen.

Red Flags bei der körperlich-neurologischen Untersuchung

Diese Warnzeichen helfen bei der Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Kopfschmerz:

  • Fieber
  • stark erhöhter oder erniedrigter Blutdruck
  • quantitative oder qualitative Bewusstseinsstörung
  • Meningismus
  • Sehstörungen
  • Ptose bzw. Horner-Syndrom, Anisokorie, harter Bulbus, Rötung, Lakrimation
  • fokal-neurologische Defizite (FAST-Schema)
  • neuropsychologische Störungen

Präklinisch besteht die Therapie hauptsächlich aus der Stabilisierung des Patienten und der symptomatischen Schmerzbehandlung. Bis zum Ausschluss einer Sub­arachnoidalblutung oder eines hämorrhagischen Schlaganfalls dürfen keinesfalls gerinnungsmodifizierende Analgetika wie Acetylsalicylsäure oder nicht-steroidale Antirheumatika zum Einsatz kommen, betonen die beiden Autoren. Stattdessen sollte man Nicht-Opioidanalgetika wie Paracetamol (1.000 mg i.v.) oder Metamizol (1.000 mg i.v.) sowie Opioide wie Pethidin (25–50 mg i.v.) wählen, alternativ auch Piritramid (7,5–15 mg i.v.).

Nach der Erstversorgung in die Klinik schicken

Im Anschluss an die Erstversorgung muss der Patient für die zielgerichtete Diagnostik und Therapie an eine passende Klinik und die richtige Fachrichtung geschickt werden. Liegen keine Warnzeichen vor (s. Kästen­), reicht normalerweise der nächstgelegene Grund- und Regelversorger mit Möglichkeit zur radiologischen Schnittbilddiagnostik (CT/MRT) aus.

FAST-Merkhilfe

Das FAST-Schema kann bei der neurologischen Untersuchung als Merkhilfe dienen:

  • Face: Fazialisparese?
  • Arm: neu aufgetretene, einseitige Schwäche in Armen und/oder Beinen?
  • Speech: Sprach- oder Sprechstörungen?
  • Time: möglichst rasche Versorgung!

Wurden anamnestisch oder bei der körperlichen Untersuchung entsprechende Auffälligkeiten festgestellt, erfolgt die Überweisung an eine neurologische oder neuro­chirurgische Abteilung. Bei trauma­assoziierten Kopfschmerzen kann je nach Mechanismus des Traumas und möglichen Begleitverletzungen die Einweisung in ein Traumazentrum erforderlich sein.

Quelle: Eschbach T, Rosenwick C. Dtsch Med Wochenschr­ 2023; 148: 684-690; DOI: 10.1055/a-1981-6799