Regelmäßiger Cannabis-Konsum kann anhaltende Emesis verursachen

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Beim Verdacht auf ein Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrom empfiehlt sich unbedingt ein Drogenscreening im Urin. Beim Verdacht auf ein Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrom empfiehlt sich unbedingt ein Drogenscreening im Urin. © iStock/Motortion

Schwallartiges Erbrechen über Stunden hinweg, dazu Bauchschmerzen und Schwindel – doch kein Antiemetikum zeigt durchschlagende Wirkung. Wer in solch einem Fall das Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrom auf dem Schirm hat, kann seinem Patienten eine Überdiagnostik ersparen.

Bei Menschen, die über einen langen Zeitraum große Mengen an Cannabinoiden konsumieren, kann es zum Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrom kommen. Die Fallzahlen sind gering, das Krankheitsbild weitgehend unbekannt, erläutern Dr. Florian du Bois und Dr. Hendryk­ Schneider vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik Freiburg.

Die beiden Pädiater berichten über einen 17-Jährigen, der in Begleitung der Mutter mit starker Übelkeit, Bauchkrämpfen und nach stundenlangem, wiederkehrendem Erbrechen in die Ambulanz kam. Ähnliche Symp­tome wären bereits drei Monate zuvor sowie im Vorjahr aufgetreten, gab der Jugendliche in der Anamnese an. Beim damaligen Klinik­aufenthalt hätten die Ärzte nur eine Gastroenteritis gefunden. Medikamente nähme er nicht ein, er tränke keinen Alkohol und nähme keine Drogen, versicherte der junge Mann.

Der Jugendliche übergab sich bis zu zwanzig Mal am Tag

Bei der körperlichen Untersuchung fiel den Medizinern auch dieses Mal zunächst nichts Außergewöhnliches auf. Der Patient war leicht dehydriert und tachykard, der Blutdruck leicht erhöht. Neurologische Symptome bestanden nicht.

Über die nächsten Tage besserte sich der Befund nicht wesentlich und der Grund für das Erbrechen blieb trotz Sonographie und Endoskopie weiterhin im Dunklen. Auch die kombinierte Therapie mit Omeprazol, Dimenhydrinat, Ranitidin und Granisetron konnte die Attacken – bis zu zwanzig Mal am Tag musste sich der Patient erbrechen – nicht eindämmen. Schließlich half ein Drogenschnelltest im Urin mit anschließender Labor­untersuchung weiter, deren Befund auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum und das Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrom hinwies.

Warmduscher als Diagnosekriterium

Beim Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrom (CHS) berichten Betroffene oft, dass Übelkeit und Erbrechen sich durch heißes Duschen bessern. Das ist derart typisch – auch wenn es beim Jugendlichen des Fallberichts fehlt –, dass einige Experten es sogar als Diagnosekriterium fordern. Wichtig sei vor allem, bei entsprechenden Symptomen an das CHS zu denken, betonen den Autoren. Bisher ist die Erkrankung in Deutschland außer bei Suchtmedizinern relativ unbekannt. Beim Verdacht auf ein CHS empfehlen sie unbedingt ein Drogenscreening im Urin. Das könne dem Kranken eine ganze Reihe unnötiger, teils invasiver Untersuchungen ersparen. Kausal hilft letztlich nur der Verzicht auf die Droge.

Nun redeten die behandelnden Ärzte nochmals eindringlich mit dem jungen Mann. Dabei erfuhren sie eine komplizierte soziale Vorgeschichte: Die Eltern waren geschieden, er lebte bei der Mutter und litt seit Längerem an einer ausgeprägten sozialen Phobie. Letztere bestand wohl auch wegen einer Hyperhidrose, die ihn schwer belastete. Er konsumierte seit zwei Jahren fast täglich Cannabis. Die Fachleute stellten den Kontakt zu einer Drogenberatungsstelle her und veranlassten psychotherapeutische Gespräche. Am siebten Tag ging es dem Patienten deutlich besser und er durfte nach Hause. Bei Nachuntersuchungen war er beschwerdefrei und berichtete, dass er die psychologische Therapie fortsetzte. Cannabis konsumierte er nicht mehr.

Quelle: du Bois F, Schneider H. internistische praxis 2019; 61: 52-55