Diabetes-Fortbildungsinitative gewinnt 1A-Award
Ein Zwölfjähriger hat bei einem Schulausflug Probleme mit seinem Diabetes, im Kindergarten fängt ein zuckerkrankes Mädchen plötzlich an, unkontrolliert zu zittern und zu schwitzen. Muss der Lehrer reagieren und wenn ja wie? Muss man einen Schüler mit Typ-1-Diabetes überhaupt mit auf eine Klassenfahrt nehmen und wenn ja, welche Konsequenzen hat das, auch rechtlich?
Vor derlei Fragen stehen Schulpersonal, aber auch Erzieher in Kindergärten, Horten oder Krippen immer wieder. Weshalb es seit vergangenem Jahr in Rheinland-Pfalz eine Initiative gibt, die Lehrern und Erziehern standardisiert auf die Sprünge hilft, per Webvideo. Dafür erhielt der Verein „Hilfe für Kinder und Jugendliche bei Diabetes mellitus e.V.“ nun den 1A-Award. Eine unabhängige fünfköpfige Jury hatte den Preisträger Ende des vergangenen Jahres ausgewählt.
Marlies Neese, Vorsitzende des Vereins, nahm die Ehrung im Januar entgegen. „Für mich stellt der Preis eine schöne Anerkennung für meine und viel wichtiger unsere Arbeit dar, denn es waren wirklich eine Menge Menschen beteiligt“, sagt Neese. Selbst Mutter eines zuckerkranken Kindes, gründete sie im Jahr 2006 den Verein, nachdem sie jahrelang mit Widrigkeiten und Problemen ihrer Tochter im Schulalltag gekämpft hatte. Diese ist inzwischen über 40 Jahre alt und selbst Mitglied. Der Verein unterstützt Kinder und Jugendliche mit Diabetes und berät Eltern, das gesamte Umfeld einschließlich pädagogischer Fach- und Lehrkräfte. 2015 folgte die Idee, Pädagogen in Sachen Diabetes fortzubilden. Grundlage waren Handlungsempfehlungen des Landes Rheinland-Pfalz, nach denen Lehrer und Erzieher ein Anrecht auf medizinische Aufklärung über Diabetes haben.
Präsenzveranstaltungen auf Dauer zu aufwendig
Der Anfang war nicht einfach: „Bis wir ein einheitliches Curriculum hatten, nachdem die Schulungen ablaufen sollen, verging etwa ein Jahr“, sagt die Stellvertretende Vorsitzende des Vereins und niedergelassene Diabetologin Dr. Dorothea Reichert. Denn es galt, Experten vom Qualitätszirkel für Kinderdiabetologie sowie Erwachsenendiabetologen mit Zulassung zur Behandlung von Kindern unter einen Hut zu bringen.
Irgendwann war klar, dass Präsenzveranstaltungen auf Dauer zu aufwendig sind. Mitte 2019 folgte der Umschwung ins Digitale. „Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie und das Bildungsministerium sowie die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland haben uns unterstützt“, erläutert Dr. Reichert. In Online-Schulungen können Teilnehmer die Grundlagen der Erkrankung verstehen lernen. Zeitunabhängig, wichtig für die Teilnehmer, aber auch für die Diabetes-Referenten: „Wir haben zu wenig Diabetologen. Die müssten für Livevorträge ihre Praxen schließen und auf Reisen gehen, um dann an einem bestimmten Ort eine kleine Gruppe von pädagogischen Lehrkräften fortzubilden. Diese Zeit fehlt in den Sprechstunden und den Ambulanzen“, sagt Neese.
Das Programm besteht aus acht Filmen. Neben Basiswissen zum insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 1 gibt es Informationen zu Themen, die direkt den Kita- bzw. Schulalltag betreffen. Auch soziale Probleme werden angesprochen. So müssen Erziehungsberechtigte ein Formular ausfüllen, damit es den Pädagogen überhaupt erlaubt ist, das Kind zu unterstützen oder gar Medikamente zu verabreichen.
Sollten nach den Filmen noch Fragen offen sein, können die Teilnehmer diese in einem FAQ nachsehen oder per Mail stellen. Kompetente und erfahrene Experten beantworten sie dann zeitnah. Am Ende jeder etwa fünfminütigen Einheit folgt ein kleiner Test, indem die wichtigsten Punkte noch einmal wiederholt werden. Ein bis zweimal im Monat, bei Bedarf auch öfter, gibt es Live-Fragerunden im Internet, bei denen sich die Teilnehmer informieren können. Die Beantwortung obliegt Diabetesärztinnen und -ärzten, die auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert sind.
Ute Schmazinski vom Bildungsministerium Rheinland-Pfalz ist begeistert vom Projekt, in das das Ministerium von Anfang an involviert war. „Für uns stellt es auch eine Art Leuchtturm dar, Diabetes ist ja nicht die einzige chronische Erkrankung, mit der Lehrer und Erzieher konfrontiert sind. Fakten auf einer breiten, wissenschaftlich korrekten Basis zu vermitteln und damit Ängste abzubauen, erscheint uns sehr wichtig“, sagt die Referatsleiterin.