Koloskopie Diagnostik und Resektion von Polypen im unteren Gastrointestinaltrakt
Die hochauflösende Endoskopie sollte Standard im Screening und in der Nachsorge von kolorektalen Läsionen sein, meinen Privatdozent Dr. Marcus Hollenbach und Kollegen vom Universitätsklinikum Leipzig. Zwar wurden damit in mehreren randomisierten Studien und einer Metaanalyse nur geringfügig mehr Adenome entdeckt als mit konventionellen Geräten. Allerdings waren darunter signifikant mehr rechtsseitige, sessile serratierte und traditionelle serratierte Adenome. Von diesen ist bekannt, dass sie sich schneller zu einem kolorektalen Karzinom entwickeln. Auch Adenokarzinome wurden mit hochauflösenden Endoskopen häufiger entdeckt.
Zukünftig werden KI-Systeme eine bedeutende Rolle spielen
Die Vorteile der virtuellen oder farbstoffbasierten Chromoendospkopie zeigen sich dagegen weniger in der Anzahl der entdeckten Läsionen, sondern vielmehr bei ihrer Charakterisierung. Nach Ansicht der Autoren werden KI-basierte Systeme in Zukunft eine zunehmende Rolle spielen. Bereits jetzt weisen die verfügbaren Systeme bei der Unterscheidung zwischen Adenomen und hyperplastischen Läsionen Genauigkeiten auf, die sonst nur ausgewiesene Experten erreichen.
Die Charakterisierung einer entdeckten Läsion entscheidet über das weitere Vorgehen. Dafür haben sich die Paris-, Kudo- und die NICE-Klassifikationen bewährt:
- Die Paris-Klassifikation unterteilt die Polypen morphologisch in polypoide (gestielte bzw. nicht-gestielte) und nicht-polypoide Formen, wobei Letztere oberflächlich eingesenkt, flach-erhaben oder komplett flach sein können. Einen Sonderfall stellen eingesenkte Polypen mit Ulzerationen dar.
- Das Kudo-System nutzt die Beschaffenheit der Oberfläche der Läsionen für die Einschätzung, ob eine intraepitheliale Neoplasie (IEN) vorliegt bzw. es sich bereits um ein Karzinom handelt. Hierfür wurden in Studien ein Vergrößerungsendoskop und (virtuelle) Chromoendoskopie verwendet. Dabei hat sich herausgestellt, dass rundliche Grübchen (sog. „Pits“) auf der Oberfläche auf normales Gewebe hinweisen. Bei sternchenformigen Pits handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine hyperplastische Läsion. Im Vergleich dazu haben Adenome typischerweise geschlängelte oder gyrusförmige Pits; eine ungleichmäßige Oberfläche schließlich weist auf eine IEN oder ein invasives Karzinom hin. Erfahrene Untersucher können mit dieser Methode mit einer Sensitivität von 89 % und einer Spezifität von 86 % zwischen neoplastischen und nicht-neoplastischen Polypen differenzieren.
- Die NICE-Klassifikation nutzt die Farbe, das Gefäßmuster und die Oberflächenstruktur, um die Bösartigkeit von Polypen abzuschätzen und sie in Hyperplasien, Adenome und Karzinome einzuteilen. Sie kann mit verschiedenen kontrastverstärkenden Verfahren ohne Vergrößerung angewendet werden. Erfahrene Untersucher erreichen damit eine Sensitivität von 98 % und eine Spezifität von 95–100 %.
Besonders für die Beurteilung von serratierten Polypen wurden die WASP- und BASIC-Kriterien entwickelt, die aufgrund ihrer Komplexität jedoch eine detaillierte Schulung und viel Erfahrung erfordern.
Aktuell wird die Resektion aller Läsionen empfohlen; ausgenommen sind lediglich sehr kleine Polypen (< 5 mm) im Rektum, die sicher als hyperplastisch eingestuft wurden. Die Technik bei der Resektion richtet sich nach der Klassifikation: Für gestielte Polypen wird die Diathermieschlinge empfohlen, für kleinere, flachere Polypen eignet sich die Kaltschlinge oder die Zange. Einen Sonderfall stellen große breitbasige Läsionen dar – auch diese können heute vielfach endoskopisch abgetragen werden. Dies sollte aber abhängig von der potenziellen Malignität in Zentren mit Erfahrung in den dafür nötigen speziellen Techniken (EMR* bzw. Piecemeal-EMR) erfolgen.
Diskutiert wird, ob es zwingend nötig ist, alle resezierten Polypen histologisch zu untersuchen. So wurde vorgeschlagen, dass sie auch direkt entsorgt werden könnten („resect and discard“), wenn eine über 90%ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass die optische und histologische Einschätzung der Malignität übereinstimmen. Dies erreichen derzeit allerdings nur Experten, weshalb dieses Vorgehen nicht allgemein empfohlen wird.
Screening-Intervalle je nach Polypen- und Resektionsart
Die Nachsorge richtet sich nach der Anzahl, Größe, Malignität und Vollständigkeit der Resektion der gefundenen Läsionen. Je höher das Risiko, dass maligne Veränderungen auftreten, desto kürzer die Nachsorge-Intervalle: Wurden lediglich einzelne, nicht-neoplastische Polypen reseziert, reicht ein erneutes Screening nach zehn Jahren. Bei mehr als fünf Adenomen verkürzt sich das Intervall auf weniger als drei Jahre. War die Resektion nicht vollständig, sollte man bereits nach wenigen Monaten kontrollieren.
* endoskopische Mukosaresektion
Quelle: Hollenbach M et al. Internist 2021; 62: 151-162; DOI: 10.1007/s00108-020-00902-0