Data-Sharing Familienangelegenheit Diabetes
Die wirksamste Möglichkeit, den Blutzucker mit Insulin einzustellen, ist die Pumpentherapie. Der Blutzuckerspiegel schwankt dann weniger stark, Unterzuckerungen sind seltener, der Stoffwechsel ist insgesamt besser eingestellt. Arbeiten die Geräte mit Systemen zur kontinuierlichen Glukoseüberwachung (rtCGM, real-time continuous glucose monitoring) zusammen, können im Vergleich zur Selbstmessung Niedrigzuckerphasen wirkungsvoll verhindert, hypoglykämiebedingte Ereignisse auf ein Drittel verringert und die Zeit im Zielbereich nachweislich erhöht werden, erläuterte Professor Dr. Norbert Hermanns vom Forschungsinstitut Diabetes-Akademie Bad Mergentheim und verwies auf die Ergebnisse der HypoDE-Studie.
Die psychosozialen Effekte hingegen – Zufriedenheit mit der Messmethode, weniger Angst vor Hypoglykämien, verminderter Stress sowie ein Gewinn an Lebensqualität – würden jedoch geringer ausfallen als erwartet. Überhaupt keinen Effekt hätte das rtCGM auf die Hypoglykämiewahrnehmung der Betroffenen. Unterm Strich, so der Referent, habe sich mit Blick auf das psychosoziale Outcome kein signifikanter Unterschied zwischen der Pumpentherapie und der konventionellen Insulinbehandlung mit Selbstmessung und Injektionen zeigen lassen.
Besserer Schlaf und weniger Angst bei jungen Patienten
Einen möglichen Grund dafür, dass die Geräte die in sie gesetzten Erwartungen nur unzureichend erfüllen, sieht Prof. Hermann in der Patientenauswahl. Denn in der Praxis würden oft diejenigen mit den modernen Technologien ausgestattet, die schon mit den Standardmethoden Schwierigkeiten hätten. Vielleicht, so vermutete er, bildeten auch die Fragebogen, die in den Untersuchungen zum Einsatz kämen, die Realität nur unzureichend ab, da sie zu wenig Bezug auf die alltäglichen Bedürfnisse der Menschen mit Diabetes nehmen.
Die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen, die moderne Closed-Loop-Systeme benutzen bzw. deren Eltern sehen hingegen positive Effekte auf Schlaf und Angst bei den jungen Diabetespatienten. Mit diesen Geräten lässt sich abhängig vom aktuellen Bedarf des Patienten die basale Insulinzufuhr automatisch anpassen. Einige Anwender fühlen sich allerdings durch Alarme, die auf drohende Unterzuckerungen hinweisen sollen, gestört oder empfinden das Tragen von Sensor und Pumpe als unkomfortabel, berichtete Prof. Hermanns.
Eine der wenigen Arbeiten, die den Einfluss der Stoffwechselstörung auf das familiäre Umfeld der Patienten untersucht hat, ist die DAWN2-Studie. Sie brachte unter anderem zutage, dass 28 % der Typ-1-Diabetiker das Gefühl haben, zu viel an Unterstützung durch ihre Familienangehörige zu bekommen. Die Angehörigen selbst waren in nur 6 % der Fälle der Ansicht, es mit ihrer Fürsorge möglicherweise zu übertreiben. Zu wenig unterstützt fühlten sich 15 % der Typ-1-Diabetiker. 40 % der Angehörigen von insulinbehandelten Menschen sorgten sich, dass ihre Hilfe eventuell nicht ausreichend sein könnte. 42 % der Befragten berichteten, dass sie manchmal oder häufig auf Ablehnung stoßen, wenn sie einem insulinbehandelten Angehörigen helfen wollen.
Regelmäßig mit Beziehungsstress verbunden sind bei Menschen mit Diabetes:
- jüngeres Lebensalter
- männliches Geschlecht
- hoher HbA1c-Wert
- schwere Hypoglykämien in jüngerer Zeit
Bei den Partnern sind es vor allem jüngeres Alter, weibliches Geschlecht und die generelle Unzufriedenheit mit der Beziehung, die das Zusammenleben belasten. Auch das Gefühl, zu wenig über die Stoffwechselstörung zu wissen, tragen Stress in die Paarbeziehung.
Oft fühlen sich Partner oder Eltern unzureichend in die Therapie eingebunden und vom Datenfluss ausgeschlossen, beschrieb Prof. Hermanns eine häufige Ursache für familiäre Probleme infolge der Stoffwechselstörung. Durch das Teilen der Messdaten, wie es die rtCGM-Systeme ermöglichen, lasse sich dieses Problem zumindest teilweise lösen.
Gemeinsame Nutzung der Daten gibt mehr Sicherheit
Knapp 90 % der Partner bzw. der Eltern sagen, dass die gemeinsame Nutzung der Daten ihnen mehr Sicherheit gebe. Etwas mehr als die Hälfte geben an, nun bei Entscheidungen, die der Partner oder ihr Kind in Bezug auf den Diabetes trifft, kritischer zu sein. Und mehr als neun von zehn Angehörigen fühlen sich durch den Datenaustausch mehr als Mitglied des Diabetesteams und glauben, dass ihr Verständnis für die Erkrankung deutlich zugenommen habe.
Quelle: 55. Kongress der DDG*
* Deutsche Diabetes Gesellschaft; Online-Veranstaltung