Fibromyalgie: Symptome ändern sich im Alter
Kennzeichnend für die Fibromyalgie sind chronische Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, die seit mindestens drei Monaten bestehen und für die keine andere Pathogenese in Betracht kommt. Patienten leiden unter Schlafstörungen und erhöhter psychischer Erschöpfbarkeit. Viele klagen über weitere Probleme wie Licht- oder Lärmempfindlichkeit, innere Unruhe, Herzrasen, Atemprobleme oder Antriebslosigkeit. Auch Kopfschmerzen, neuropathische Schmerzen, Parästhesien und unspezifische gastrointestinale Beschwerden treten nicht selten auf.
Mancher lässt sich zu sinnlosen Operationen hinreißen
Fibromyalgie-Patienten sind häufig schon als Kinder weniger belastbar, schwerer motivierbar zu körperlichen Aktivitäten und erleiden häufiger Infekte als Altersgenossen. Gelegentliche Schmerzschübe wechseln mit langen, schmerzfreien Phasen ab. Im jungen Erwachsenenalter werden die Schmerzschübe häufiger. Das Vollbild der Erkrankung mit kontinuierlichem Schmerz, Konzentrationsstörungen, starker vegetativer und psychischer Erschöpfung, Depressionen und Schlafstörungen manifestiert sich im mittleren Erwachsenenalter. Die Beschwerden zeigen meist eine zunehmende Tendenz, z.B. von Schüben hin zum kontinuierlichen Schmerz. Die Patienten suchen anfangs wegen ihrer Beschwerden häufig einen Arzt nach dem anderen auf. Manche der konsultierten Ärzte lassen sich dabei auch zu unnötigen Operationen hinreißen.
Da die Fibromyalgie aber nicht heilbar ist, kann man davon ausgehen, dass es auch in höherem Lebensalter nicht zu einer Besserung kommt. Doch es mangelt an Daten zur Fibromyalgie bei älteren Menschen. Eine Schwierigkeit besteht darin, eine Fibromyalgie in diesen Fällen von den zahlreichen anderen psychischen und somatischen Erkrankungen im Alter abzugrenzen, z.B. Depression, Schlafstörungen, Kollagenosen oder Myositiden.
In einer prospektiven longitudinalen Studie über sechs Jahre wurden die Beschwerden von 51 Älteren mit Fibromyalgie näher aufgeschlüsselt. 80 % der teilnehmenden Patienten gaben einen Symptomkomplex aus Schmerz, Steifigkeit, eingeschränkter körperlicher Aktivität, Schlafproblemen und depressiver Stimmung an.
Muskelschmerzen standen bei den Fibromyalgiepatienten ganz vorne: 96 % der Befragten nannten dieses Problem. Insgesamt verteilte sich der Schmerz auf folgende Bereiche:
- Brustwirbelsäule: 75 %
- Nackenschmerzen: 65 %
- Lendenwirbelsäule: 47 %
- „überall“ Schmerzen: 12 %
An zweiter Stelle der genannten Symptome rangierte die Muskelsteifigkeit mit einem Anteil von 86 %. Kopfschmerzen spielten im Alter eine geringere Rolle als bei jüngeren Patienten. Die Beschwerden hatten sich aber allgemein bei den Teilnehmern über den Studienzeitraum ausgedehnt – in manchen Fällen sogar über den ganzen Körper. Jeder Zweite erhielt eine Schmerztherapie (meist NSAR, seltener Opioide), doch i.d.R. blieben die Symptome persistent. Zwar schliefen die Patienten nachts nicht unbedingt weniger als die Kontrollen, doch durch häufiges Aufwachen hatten sie nur an wenigen Tagen einen erholsamen Schlaf.
Sedierende Medikamente zurückhaltend verordnen
Außerdem berichtete die Hälfte über ein Restless-Legs-Syndrom und knapp ein Drittel knirschte mit den Zähnen. Eine kognitive Einschränkung bestand bei den Betroffenen aber nicht häufiger als bei den Kontrollen. Leitliniengerecht mit SNRI behandelt worden waren allerdings nur 2 % der Patienten. Laut DGS-Praxisleitlinie ist bei älteren Patienten mit Fibromyalgie Zurückhaltung mit sedierenden Medikamenten angebracht. Die Therapie sollte multimodal gestaltet werden, mit SNRI, altersgerechtem Training und Entspannungsverfahren.
Quelle: Horlemann J. Schmerzmedizin 2021; 37: 32-33