Magnetstimulation lindert neuropathischen Schmerz und Fibromyalgie
Die wichtigste Zielregion der repetitiven transkraniellen Magnetstimulation (rTMS) ist der primäre motorische Kortex (M1). Über dessen Stimulation lässt sich das mediale nozizeptive System beeinflussen. Da dieses die affektive Schmerzkomponente verarbeitet, steht am Ende eine verstärkte deszendierende Schmerzhemmung. Nicht nur die primär stimulierte kortikale Region, sondern auch weiter entfernt gelegene Hirnzentren werden auf diesem Weg im Sinne einer Metaplastizität moduliert, z.B. in Form einer Langzeitpotenzierung bzw. Langzeitdepression.
Meist wird bei der M1-rTMS mit Frequenzen > 1 Hz gearbeitet (s. Kasten). Die niederfrequentere Stimulation ist zwar weniger gebräuchlich, findet aber z.B. in anderen Hirnregionen wie dem dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLFPC) und dem posterioren parietalen Kortex Anwendung. Insgesamt lassen sich die Schmerzen bei mehr als der Hälfte der behandelten Patienten mit rTMS-Protokollen um mehr als 35–50 % lindern, schreiben Professor Dr. Stefan M. Golaszewski und Professor Dr. Raffaele Nardone von der Universitätsklinik für Neurologie und dem Neuroscience-Institut der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg.
Mehr Hertz für Patienten
Es werden endogene Opioide freigesetzt
Eine PET-Untersuchung gesunder Probanden hat gezeigt, dass eine einzige Sitzung mit einer 10-Hz-rTMS des primären Kortex zu einer signifikanten Freisetzung endogener Opioide führt. Allerdings ist dies nur einer der biologischen Mechanismen, der an der Schmerzreduktion beteiligt ist. Durch die Behandlung werden verschiedene schmerzmodulierende Systeme (Emotion, Aufmerksamkeit und somatosensible Empfindlichkeit) angesprochen, die in einem komplexen Zusammenspiel miteinander interagieren. Unter der rTMS kann sich die synaptische Aktivität auch langfristig verändern, sodass eine dauerhafte Schmerzlinderung erreicht wird. Die EAN-Leitlinie empfiehlt die M1-rTMS bei neuropathischen Schmerzen und Fibromyalgie (Evidenzlevel A). In Studien konnten unter anderem bei postherpetischer Neuralgie die Schmerzen mit der rTMS – kontralateral zur Schmerzseite appliziert – durchschnittlich um 45–50 % vermindert werden. Dieser Effekt hielt bis zu drei Monate nach Ende der rTMS an. Die Hälfte der Behandelten erreichte eine Schmerzreduktion um mindestens 50 %. In einer anderen Studie ließen sich neuropathische Schmerzen bei maligner Grunderkrankung bis zu 2 Wochen nach Ende der rTMS um 35–40 % vermindern. Der positive Effekt hielt bis zu einen Monat an. 80 % der Patienten erreichten eine Schmerzreduktion um > 30 %. Offene Studien, z.B. bei Patienten mit Gesichtsschmerzen und anderen neuropathischen Schmerzen, bestätigen dieses Bild. Dabei wurde beobachtet, dass der Effekt mit der Zahl der rTMS-Sitzungen zunahm. Patienten mit Fibromyalgie profitierten von der rTMS (linker M1) mit einer Zunahme der mentalen, emotionalen und sozialen Lebensqualität.Nichts für Schwangere und Cochleaimplantat-Träger
Eine Schmerzlinderung ist dagegen über Stimulation des DLFPC, (links, z.B. mit 10 Hz) wahrscheinlicher zu erreichen. Positive Effekte werden auch bei Phantomschmerz, brennendem Mund, Migräne und anderen Kopfschmerzformen berichtet. Doch die Datenbasis ist bei diesen und anderen weiteren Schmerzformen für eine Empfehlung zu dünn. Als absolute Kontraindikationen gegen die rTMS gelten ein erhöhtes Risiko für zerebrale Krampfanfälle, Epilepsie, Schwangerschaft, das Tragen von intrakraniellen elektronischen Geräten (Cochleaimplantat, tiefe Hirnstimulation), schreiben die Autoren. Auch andere intrakraniell vorhandene Metalle von ferromagnetischen Gefäßclips bis Metallsplittern im Auge schließen eine rTMS aus. Patienten mit Herzschrittmachern können stimuliert werden, wenn die Spule mindestens 10 cm vom implantierten Impulsgenerator entfernt ist. Da TMS-Pulse eine Lautstärke bis zu 120 dB erreichen können, müssen die Patienten während der Therapie einen Gehörschutz tragen. Trotzdem können Tinnitus und Hörminderung als Nebenwirkungen auftreten. Auch Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden und neuropsychologische Veränderungen sind möglich.Quelle: Golaszewski SM, Nardone R. Nervenheilkunde 2020; 39: 382-389; DOI: 10.1055/a-1124-0007