Rheuma und Sex Mit Hocker, Sextoy und Wärmedecke
Laut WHO ist die Sexualität eine wichtige Komponente der Lebensqualität und die Unfähigkeit, Sex zu genießen, eine Art von Behinderung. Das trifft auch für viele Rheumapatienten zu, wobei sich die Sorgen und Nöte bei den Geschlechtern zum Teil unterscheiden, erklärte Dr. Letitia Leon, Hospital Clínico San Carlos, Universidad Camilo José Celas Madrid.
Männer mit Rheuma haben Angst, durch Fatigue, eingeschränkte Beweglichkeit oder Schmerzen nicht lange genug durchhalten zu können. Einige leiden auch an einer medikamenten- oder krankheitsbedingten erektilen Dysfunktion. Viele kommen zudem mit einer eher passiven Rolle beim Sex nicht zurecht.
Frauen wiederum können den Sex oft aufgrund eines negativen Körperselbstempfindens nicht genießen, haben Schwierigkeiten mit der sexuellen Erregung oder damit, einen Orgasmus zu bekommen. Zudem fürchten einige Schmerzen während und nach der Penetration, weil z.B. durch einen M. Sjögren oder medikamentenbedingt die Lubrikation verringert ist.
Auch psychisch schlägt eine rheumatische Erkrankung zu: Neben einem geringeren Selbstbewusstsein und Ängsten leiden sowohl viele Männer als auch Frauen an – der Libido nicht zuträglichen – Depressionen und quälen sich mit Schuldgefühlen gegenüber ihrem Partner herum.
Hemmungen bei Arzt und Patient
Mit all diesen Einschränkungen haben rheumatische Erkrankungen einen großen Einfluss auf das Sexleben der Betroffenen. Trotzdem wird das Thema in den Sprechzimmern eher stiefmütterlich behandelt. Gründe dafür gibt es viele: Der Arzt fühlt sich nicht als geeigneter Ansprechpartner, will den Patienten nicht in eine peinliche Lage bringen oder empfindet Sex evtl. sogar als Tabuthema. Manchen fehlt es auch einfach an Expertise zum Thema Rheuma und Sex.
Auf Patientenseite bestehen dagegen Hemmungen, ein scheinbar medizinisch unwichtiges Anliegen dem Arzt gegenüber anzusprechen, von Schamgefühlen ganz zu schweigen. Zudem befürchten viele, der Wunsch nach unbeschwertem Sex würde negativ bewertet werden. Oft glauben die Betroffenen auch, dass man eh nichts machen kann, um die für sie unbefriedigende Situation zu verbessern.
Was Sie Ihren Patienten raten können
- Bringen Sie sich in Stimmung und schieben Sie Alltag und Probleme beiseite. Dabei helfen z.B. erotische Filme, Romane oder verführerische Unterwäsche. Gleichzeitig sollte man sich nicht zwingen: Romantik geht auch ohne Sex und tut der Beziehung gut.
- Sorgen Sie für ihren Körper. Ob mit Körperpflege, Make-up oder Kleidung: Wer sich gepflegt und sexy fühlt, hat mehr Spaß.
- Halten Sie sich warm. Warm duschen oder baden ist gut gegen steife Gelenke. Im Bett übernehmen das Heizdecken. Wollsocken sorgen für warme Füße – und damit einer Studie zufolge bei Frauen zu einer 30 % höheren Wahrscheinlichkeit, einen Orgasmus zu erreichen.
- Seien Sie offen und probieren Sie auch Neues aus, nicht immer ist die Missionarsstellung die beste. Je nach Einschränkung liegt es sich vielleicht besser auf der Seite oder es werden Hilfsmittel wie Hocker oder Bettkanten genutzt.
- Schielen Sie nicht nur auf die Penetration. Befriedigend und entspannend sind auch gegenseitige Masturbation oder bloßes Streicheln und Küssen.
- Probieren Sie Vibratoren und Sexspielzeuge aus. Sie sind besonders hilfreich, wenn die Mobilität von Händen oder Fingern eingeschränkt ist.
- Lachen nicht vergessen. Es ist das beste Aphrodisiakum. Auch wenn irgendeine Stellung oder Situation nicht funktioniert, sollte man seinen Humor bewahren.
- Reden Sie miteinander. Eine offene Kommunikation ist das A und O. Werden Probleme und Schwierigkeiten dem Partner gegenüber nicht angesprochen, kann dieser sie auch nicht verstehen und es kommt zu Missverständnissen.
Orgasmus lindert Rheumaschmerzen
Doch da liegen sie falsch, meint Dr. Leon. Ihrer Meinung nach sollten behandelnde Ärzte den Patienten die Türen öffnen und das Thema ansprechen. Denn für viele Probleme gibt es Lösungen und Hilfsmittel. Zudem hebt guter Sex nicht nur die Stimmung. Er hat für Rheumapatienten auch medizinisch gesehen Vorteile: Beispielsweise werden beim Orgasmus Endorphine ausgeschüttet, die für mehrere Stunden die Schmerzen lindern können. Außerdem trainiert Sex die Muskeln und bessert dadurch die eingeschränkte Beweglichkeit.Kongressbericht: EULAR 2021 Virtual Congress (European Alliance for Rheumatology)