Überdiagnose Melanom Sieht böse aus, tut aber nichts
Bei einigen der vielen Hautkrebsfälle könnte es sich um überdiagnostizierte Patienten handeln, schreiben Dr. Mille Falk Bjørch vom Department of Public Health der Universität Kopenhagen und ihre Kollegen.
Überdiagnosen definierten die dänischen Kollegen als indolente Tumoren, die – wären sie unentdeckt und unbehandelt geblieben – bei den Betroffenen Zeit ihres Lebens keine Symptome hervorgerufen und schon gar nicht zum Tod geführt hätten. Sie grenzten die Überdiagnosen strikt ab von Fällen, bei denen die Histopathologie die klinische Verdachtsdiagnose Melanom nicht bestätigte, sowie von Fehldiagnosen, bei denen die Nachuntersuchung histologischer Präparate die gestellte Melanomdiagnose rückblickend revidierte. Indolente Tumoren spielen insbesondere in der Diskussion um den Nutzen von Screeningprogrammen eine Rolle. Harte Zahlen gibt es aber oft nicht.
Die Wissenschaftler bewerteten in ihrem Review 35 Arbeiten aus den Jahren 1999 bis 2022. 29 davon waren Registerstudien, die Trends bei der Häufigkeit von und/oder der Sterblichkeit an malignen Melanomen untersucht hatten. Es zeigte sich eine jährliche Zunahme der neu diagnostizierten Melanome zwischen 0,39 % und 6,6 %, während die Sterblichkeit nicht oder nur geringfügig anstieg. Wie drei Kohorten- und eine Fall-Kontroll-Studie nahelegen, könnte die Zunahme der Inzidenz u.a. auf das Hautkrebs-Screening zurückgehen, denn bei den gefundenen Tumoren handele es sich vor allem um In-situ- oder gering invasive Melanome.
Drei Studien schließlich quantifizierten das Ausmaß der Überdiagnosen und kamen dabei auf Werte zwischen 29 und 60 %. Die Autoren betonen, dass dringend mehr randomisierte kontrollierte Studien zu dem Thema gebraucht werden, um eine bessere Evidenzlage zu schaffen. Außerdem raten sie den behandelnden Ärzten, die Möglichkeit und die Folgen einer Überdiagnostik grundsätzlich zu bedenken, wenn sie eine Biopsie veranlassen.
Quelle: Bjørch MF et al. BMJ Evid Based Med 2023; DOI: 10.1136/bmjebm-2023-112341