Standard-OP-Intubation verursachte Zungennekrose
Für Zungennekrosen sind in erster Linie Autoimmunvaskulitiden verantwortlich, allen voran die Riesenzellarteriitis. Aber auch Schock und die intensive Behandlung mit Vasopressin kommen als potenzielle Auslöser infrage. Über eine seltene Ursache berichtet das Team um Dr. Nurudeen A. Adegbite von der Abteilung für Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie des Leicester Royal Infirmary.
Ihr Patient kam neun Jahre nach der endovaskulären Versorgung eines Aortenaneurysmas aufgrund einer Spätkomplikation (Endoleak Typ 1a) in die Klinik. Insgesamt befand sich der 74-jährige Raucher in einem schlechten Allgemeinzustand. Er litt an einer COPD, obstruktiver Schlafapnoe, Adipositas, Vorhofflimmern, Diabetes mellitus Typ 2 und Hypertonie. Seine Medikamentenliste war infolgedessen lang: Neben Warfarin nahm er unter anderem Bisoprolol, Gliclazid, Linagliptin, Prednisolon, Ramipril und Salbutamol.
Die chirurgische Reparatur der 6,4 cm großen Leckage zog sich über mehr als zehn Stunden hin. Während der gesamten Zeit wurde der Mann über einen orotrachealen Tubus beatmet. Am Folgetag entwickelte er ein Kompartmentsyndrom beider Unterschenkel mit extremer Rhabdomyolyse (CK-Konzentration 90 000 IU/l). Daraufhin erfolgte eine beidseitige Fasziektomie und wegen eines akuten renalen Versagens zusätzlich eine Nierenersatztherapie. Am dritten Tag nach der OP fiel eine schwarz verfärbte Zunge auf, die hinzugezogenen Kollegen aus der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie empfahlen eine Chlorhexidin-Mundspüllösung.
Zwei Wochen später trat eine deutliche respiratorische Insuffizienz bei nosokomialer Pneumonie auf. Der Mann erhielt daher ein perkutanes Tracheostoma und, da sein Kreislauf zunehmend in die Knie ging, hoch dosierte Inotropika.
An Tag 34 nach dem Eingriff kam der Patient schließlich erneut in den OP, diesmal bei den MKG-Chirurgen, die eine mittlerweile ausgedehnte Nekrose am anterioren Zungenrücken sowie Teilen des posterioren Drittels vorfanden und resezierten. Nach zwölf Monaten war die Zunge zwar geheilt, aber ihre Beweglichkeit und die Artikulation des Patienten deutlich eingeschränkt.
In diesem Fall ging die Zungennekrose vermutlich auf den lange liegenden orotrachealen Tubus zurück, so die britischen Kollegen. Denn betroffen war vor allem der Bereich der Zunge, in dem der Atemschlauch gelegen hatte. Retrospektiv betrachtet, hätte sich mit einem flexibleren Modell oder feuchten Kompressen zwischen Tubus und Zunge zumindest diese Komplikation möglicherweise vermeiden lassen. Die respiratorische und renale Insuffizienz führen sie dagegen auf die zahlreichen Komorbiditäten zurück.
Quelle Text und Abb.: Adegbite NA et al. J Surg Case Rep 2019; 11: 1-3; DOI: 10.1093/jscr/rjz284