Praxiskolumne Bundestagswahl 2021 – keine Treffer!
Die Bundestagswahl rückt näher. Angesichts der drohenden Qual der Wahl habe ich mir den Spaß gemacht, die Parteiprogramme einmal nach dem Wort „Hausarzt“ zu durchsuchen. Das Ergebnis ist durchaus interessant – in den Parteiprogrammen der SPD, FDP, AFD und Die Linke kommen wir überhaupt nicht mehr vor. Die Suchfunktion meldet nüchtern: „keine Treffer“.
Erste Suchergebnisse erhalte ich im Wahlprogramm der CDU, hier allerdings in Zusammenhang mit der Forderung nach barrierefreiem Zugang für alle Bürgerinnen und Bürger zu Haus-, Fach- und Zahnarztpraxen. Später im Wahlprogramm ist dann noch zu lesen, dass die CDU „ergänzend zur klassischen hausärztlichen Versorgung auf den Einsatz von Gemeindeschwestern setzt“. Außerdem soll die Landarztquote ausgebaut werden. Wenn man also Hausarzt und Landarzt gleichsetzt, was man aus verschiedenen Gründen nicht tun sollte, dann immerhin zwei Treffer.
Spitzenreiter sind Bündnis 90/Die Grünen, gleich auf Anhieb zwei Erwähnungen. Dies stimmt mich nun gespannt und freudig, endlich ein Zukunftskonzept für die Hausarztmedizin oder gar die Hausarztzentrierte Versorgung?
Die Grünen stellen fest, wenn Hausarztpraxen auf dem Land schließen müssen, weil Nachfolger fehlen, gefährde das die gesundheitliche Versorgung, und sie wollen „die Primärversorgung durch Hausärztinnen und Hausärzte und weitere Gesundheitsberufe weiter stärken“. Die Versorgung wollen sie von den Patientinnen und Patienten aus denken, dafür soll „insbesondere die Einrichtung von gemeinwohlorientierten regionalen Gesundheitszentren“ unterstützt werden.
Ob dieser Plan, Gesundheitszentren zu unterstützen, verhindern wird, dass Hausarztpraxen schließen, oder dieses Problem erst noch befeuert, darüber kann man bestimmt trefflich streiten. Immerhin, wir sind erwähnt worden! Man ist ja mit wenig zufrieden. Die anderen scheinen ja gar nicht mehr mit uns zu rechnen, wir kommen gar nicht mehr vor in den sogenannten Zukunftsprogrammen.
Noch nie gab es so viel zu tun, habe ich auch gelesen. Sagt bloß, was haben wir denn in den vergangenen Monaten gemacht? Däumchen gedreht? Die Doppel- und Dreifachbelastung für viele Haus- und Facharztpraxen bestehend aus Regelversorgung und Pandemiebekämpfung, ja, da war viel zu tun! Mein Praxisteam und ich können ein Lied davon singen, zwischen Coronaschwerpunktpraxis, Regelsprechstunde, Abstrichstelle und Impfen hin und her zu flitzen, um das zu tun, was wir halt so machen, die Versorgung am Laufen halten! Wenn das künftig die Gemeindepflegekräfte und das Gesundheitszentrum machen, da bin ich aber mal gespannt, wie gut das läuft.
Nichts gegen Gemeindepflegekräfte oder weitere Gesundheitsberufe. Als Hausärztin und Professorin für Physician Assistance mit Schwerpunkt Allgemeinmedizin stehe ich hoffentlich nicht in Verdacht, zukunftsfähige moderne Patientenversorgung abzulehnen – aber was da in diversen Programmen zu lesen oder nicht zu lesen ist, hat mit zukunftsfähig nicht viel zu tun.
Wir Niedergelassenen sichern seit Jahrzehnten die ambulante Versorgung der Gesellschaft, zuletzt in hervorragender Weise während der Coronapandemie. Neun von zehn Coronapatientinnen und -patienten wurden ambulant versorgt! Staatlicher Coronasonderbonus für unsere MFA: weiter Fehlanzeige. Wertschätzung der Politik für Hausärztinnen und Hausärzte oder ein Adressieren dieses Hochleistungssektors in den Wahlprogrammen: Warum? Anscheinend setzt die Politik lieber auf Gesundheitszentren und Gemeindepflegekräfte, anstatt auf klare Bekenntnisse zu Hausarztpraxen und zur hausarztzentrierten Versorgung und damit zu einem Garanten der ambulanten Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Nein, die Wahlprogramme sind allesamt keine Treffer!