Coronakrise: Nackter Ärzte-Protest für mehr Schutzkleidung geht viral

Gesundheitspolitik Autor: Anouschka Wasner

Der Protest der über 50 Ärzte wurde weltweit medial aufgegriffen. Der Protest der über 50 Ärzte wurde weltweit medial aufgegriffen. © polsatnews.pl; khaosod.co.th; vietnamnet.vn; tw.appledaily.com

„Um Sie sicher behandeln zu können, ­brauchen wir und unser Team Schutzausrüstung und Unterstützung durch die Politik.“ So die Ansage einer kleinen, über die Republik verstreuten Gruppe von Hausärzten. Dann ziehen sie blank und werden weltberühmt.

Da ziehen sich ein paar Haus­ärzte aus – und die ganze Welt will es wissen. Hongkong, USA, Südamerika, Australien, sogar Indien und China haben über die Ärzte-Aktion „Blanke Bedenken“ berichtet. Und Europa natürlich auch. Die Spanier haben direkt ihre eigenen Medicos des Nudos gegründet. Nicht schlecht für eine Idee, die übers Wochenende geboren wurde.

„Auslöser war der Freitag, an dem der G-BA die Telefon-AU geschluckt hat“, erzählt Ruben Bernau, Hausarzt in Hambergen, Niedersachsen. Da sei seine Ärzte-WhatsApp-Gruppe sozusagen übergelaufen. Die telefonische AU bei Atemwegsinfekten wurde von allen als ein wichtiger Schutz empfunden. Zumal es zu diesem Zeitpunkt akut und an allen Ecken und Enden an Schutzkleidung fehlte.

Das erste „Nacktfoto“ in Deutschland stellte Hausarzt Dr. Christian Rechtenwald auf seine Homepage. Er griff damit die Initiative des französischen Hausarztes Alain Colombié auf. Dieser postete ein hüllenloses Foto von sich auf Facebook, nachdem Staatspräsident Emmanuel Macron die Franzosen auf einen „Gesundheitskrieg“ gegen das Coronavirus eingestimmt hatte. Macron habe von den Ärzten verlangt, sie sollten in die Schlacht ziehen – deshalb präsentierte sich der Arzt auf dem Foto als „Kanonenfutter“.

Übers Wochenende der Empörung Luft gemacht

Dann ging alles ganz schnell: Ein knappes Dutzend Hausärzte stellte sich übers Wochenende in ihren Praxen quasi nackt vor die Kamera. „Die Nacktheit soll symbolisieren, dass wir ohne Schutz verletzlich sind“, ist auf der Homepage zu lesen, die fast über Nacht entstand. Texte und Presseerklärungen wurden geschrieben. Und wenige Tage später gelauncht – nicht ahnend, wie stark die Geschichte in Deutschland, im Netz und weltweit einschlagen würde.

„Das war großartig – aber auch stressig. Wir mussten auf einmal alle Interviews geben, mehrere am Tag“, so Bernau. Und es waren schnelle Reaktionen gefragt. Etwa als die AfD und andere Rechte die Kampagne kapern wollten, was man schnell verhindern musste.

Aber nur Aufreger zu sein, war nicht das Ziel. „Die Verlängerung der Telefon-AU ist sicherlich auch auf unsere Forderung zurückzuführen“, ist Bernau überzeugt. Zwar werde diese aktuell gar nicht oft benötigt, da wegen des Shutdowns kaum Infekte aufträten. Aber wenn ab dem 1. Juni 2020 wieder gilt, dass für die Feststellung der AU eine körperliche Untersuchung notwendig ist, droht bei der nächsten Grippe- oder Durchfallwelle erneut ein Wartezimmer voller Virenschleudern.

Aufrecht erhalten bleibt auch die Forderung nach bezahlbarer Versorgung mit Schutzkleidung und der Anspruch, dass Hausärzte in den Pandemie-Expertenrunden mit am Tisch sitzen müssen. „Überall, wo es in den Kreisen und Bezirken gut gelaufen ist, waren Hausärzte mit dabei.“ Sechs von sieben Patienten seien in den Praxen versorgt worden. „Die Hausärzte haben es gerockt“, sagt Bernau. Deswegen müssten sie auch in den Krisenstäben und Planungseinheiten vertreten sein, auf allen Ebenen. Genauso wie auch die Pflegenden, die in dieser Krise schon viel gestemmt hätten und zu wenig vertreten gewesen seien.

Über 50 „Nacktfotos“ stehen mittlerweile auf der Homepage, auch von unterstützenden MFA und anderen Facharztgruppen. Das spricht für mehr? Momentan sei eine Atempause nötig, sagt Bernau. Man wisse noch nicht, wie es weitergehe, wolle aber weiter sensibilisieren. Der erste Aufschlag ist auf jeden Fall gelungen.

Medical-Tribune-Bericht