„Homöopathie hat in einer seriösen Apotheke nichts zu suchen“

Interview Autor: Maya Hüss

HNO-Arzt und Globuli-Gegner Dr. Christian Lübbers fordert Beratung nach Evidenz.
HNO-Arzt und Globuli-Gegner Dr. Christian Lübbers fordert Beratung nach Evidenz. © Twitter, privat

Dr. Christian Lübbers ist bekennender Globuli-Gegner und tritt für eine „ehrliche Medizin“ ein. Im Interview erklärt er, wie Apotheker und Mediziner Patienten im Umgang mit homöopathischen Arzneimitteln beraten müssten.

In der Weilheimer Apotheke hat die Betreiberin Iris Hundertmark alle homöopathischen Arzneimittel aus den Sichtregalen entfernt und gibt diese nur noch auf Rezept oder Bestellung aus. Warum ist das Ihrer Meinung nach der richtige Schritt?

Dr. Lübbers: Der aktuelle Stand der Wissenschaft ist eindeutig: Homöopathie hat keine spezifische Wirkung und wirkt bestenfalls so gut wie ein Placebo. Über den Nutzen und die Grenzen des Placeboeffektes kann man selbstverständlich diskutieren. Aber darum geht es den meisten Apotheken leider nicht. Stattdessen wird den Kunden durch massive Werbung oder aktive Falschberatung eine angebliche Wirkung von homöopathischen Arzneimitteln vermittelt. Homöopathie hat in einer seriösen Apotheke nichts zu suchen. Dabei geht es nicht um den Kontrahierungszwang, der besagt, dass Homöopathika auf ärztliches Rezept herausgegeben werden müssen. Ich kritisiere das Zusatzgeschäft, das Apotheken mit homöopathischen Arzneien betreiben. Dabei profitieren die Apotheken davon, dass eine Apothekenpflicht für diese Präparate besteht. Von den Inhaltsstoffen her könnte man Homöopathika auch in Drogerie- oder Supermärkten verkaufen. Dann wären Globuli als das eingeordnet, was sie sind, nämlich bloße Zuckerkügelchen.

Welche Rolle spielen Apotheken bei der Aufklärung zur Wirksamkeit von Homöopathika? 

Dr. Lübbers: Apotheker und Apothekerinnen sind in besonderem Maße Berater. Deshalb sollte eine Beratung nach evidenzbasierten Leitlinien das Interesse eines jeden Apothekers sein. Eine aktuelle Studie der Universität Erfurt hat jetzt aber gezeigt, dass gerade in den Apotheken keine ausreichende Beratung hinsichtlich der Nicht-Wirkung von Homöopathika stattfindet. Auf der einen Seite beharren Apotheken und Verbände auf der Apothekenpflicht für Homöopathika, weil es angeblich die korrekt einordnende Beratung nur in der Apotheke gäbe. Auf der anderen Seite geschieht genau dies nicht. Fast alle Apotheken bieten mit der Homöopathie ein höchst unseriöses Zweitgeschäft an, ohne – wie die Studie aus Erfurt zeigen konnte – in der Beratung auf die Grenzen dieser Placebo-Therapie hinzuweisen. Auch missbrauchen Apotheker mit der Homöopathie-Empfehlung ihre angesehene Stellung.  Wenn eine Globuli-Empfehlung unter Laien ausgesprochen wird und anschließend keine Wirkung eintritt, wird jeder automatisch skeptisch und strebt eine weitere Abklärung an. Stammt aber die Empfehlung von Profis, dann entsteht etwas, das ich als „Pseudo-Sicherheit“ bezeichne. Patienten gehen selbst bei ausbleibender Besserung nicht oder erst verspätet zu einem Arzt. Eine Empfehlung des Apothekers ist viel stärker als eine unter Laien. Apotheker – und natürlich auch Ärzte – sollten diese Autorität nicht missbrauchen.

Müssen Apotheken nicht mit Umsatzeinbußen rechnen, wenn sie die Homöopathika aus den Sichtwahlregalen nehmen? 

Dr. Lübbers: Nein. Letztlich wird sich eine objektive, fakten- und vor allem evidenzbasierte Beratung auszahlen. Viele Kunden werden es zu schätzen wissen, dass ihnen nicht irgendwas aufgeschwatzt wird, sondern dass sie eine ehrliche Beratung bekommen und im Zweifelsfall die Apotheke auch mal ohne Medikament wieder verlassen. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Auch, um sich mit der kompetenten Beratung vor Ort von den Online-Versandapotheken abzugrenzen.

#Globukalypse

Der HNO-Arzt Dr. Christian Lübbers nutzt in seiner Weilheimer Praxis nicht nur den direkten Kontakt zu seinen Patienten, um über Falschinformationen zur Wirkungsweise homöopathischer Arzneimittel aufzuklären. Auf Twitter hat der 40-Jährige bereits über 12 000 Follower. Fast täglich wird gepostet, meist witzig oder sarkastisch. Seine Tweets werden hundertfach geliked, retweetet oder kommentiert. Unter dem Hashtag #Globukalypse veröffentlicht der bekennende Globulisierungsgegner als @drluebbers regelmäßig seine Sicht zum Thema Homöopathie.

Sie haben die Apothekerin Hundertmark beraten, gibt es noch weitere, die sich gegen homöopathische Arzneimittel aussprechen? 

Dr. Lübbers: Ich stehe mit mehreren Apotheken in regelmäßigem Kontakt. Aber nicht jeder wagt den Schritt, bekennende #ApothekeOhneHomöopathie zu sein, wie ihn Frau Hundertmark getan hat. Sei es der Druck der Hersteller, der mutmaßliche Patientenwunsch oder das verkaufsfördernde Homöopathie-Image. In Gesprächen wird mir vermittelt, dass viele eine ehrliche Beratung durchführen. Betrachtet man aber die Apothekenlandschaft, findet man Homöopathie-Werbung immer noch in fast jeder einzelnen Apotheke.

Auf Twitter bezeichnen Sie sich selbst als denjenigen, „der mal Globuli im Ohr gefunden hat“. Was hat es mit der Geschichte auf sich? 

Dr. Lübbers: Ich habe ein vierjähriges Kind mit einer hoch fieberhaften Mittelohrentzündung untersucht und ein Globuli-Eiter-Gemisch im Gehörgang gefunden. Die Eltern hatten den Rat eines Heilpraktikers befolgt und auf homöopathische Arzneimittel vertraut und diese dann zum Leiden des Kindes auch noch falsch angewendet. Nach Gehörgangsreinigung und Antibiotika­gabe ging es dem Kind bereits am Folgetag wieder besser.

Kann man diese Geschichte als Startschuss Ihrer Aufklärungsarbeit bezeichnen? 

Dr. Lübbers: Meine Aufklärungsarbeit habe ich Anfang 2017 tatsächlich als Reaktion auf dieses Erlebnis begonnen. Ich war extrem schockiert, was für Stilblüten solch eine Unwissenheit treiben kann. Letztlich muss man deutlich sagen, dass der Placebo­effekt nicht geeignet ist, Tumoren, schwere Erkrankungen oder eben auch eitrige Mittelohrentzündungen zu behandeln. Damals musste ich meiner Wut Luft machen und habe das Schicksal des Kindes auf Twitter geteilt. Innerhalb kürzester Zeit wurde mein Beitrag in vielen Print- und Onlinemedien in ganz Deutschland zum Auslöser einer kritischen Auseinandersetzung mit Homöopathika. Das war der Punkt, an dem ich mich entschlossen habe, über Homöopathie aufzuklären und für eine ehrliche Medizin einzutreten.

Nur 5 % der befragten ApothekerInnen beraten ehrlich

„Wie zuverlässig klären Apotheker über die pseudomedizinischen Mittel auf?“ Mit dieser Frage beschäftigten sich Wissenschaftler der Universität Erfurt in einer Feldstudie Anfang 2018. Ein Ergebnis: Bei nur 5 % der Beratungsgespräche in 100 zufällig ausgewählten Apotheken wurde den Kunden mitgeteilt, dass es für die Wirkung von Homöopathie keine wissenschaftlichen Belege gebe. In 30 % aller Gespräche wurde dagegen behauptet, die Wirkung solcher Präparate sei in Studien oder durch Erfahrungswissen nachgewiesen worden.

Wo sind Sie sonst noch aktiv, außer im Internet? 

Dr. Lübbers: Neben meiner Aufklärungsarbeit auf Twitter und im persönlichen Kontakt in meiner Praxis bin ich aktives Mitglied im Informationsnetzwerk Homöopathie. Wir sind eine bunte Mischung aus Ärzten, Naturwissenschaftlern und anderen engagierten Menschen, die sich ehrenamtlich für eine ehrliche Aufklärungsarbeit einsetzen.

Treffen Sie oft auf überzeugte Homöopathie-Kollegen? 

Dr. Lübbers: Davon gibt es tatsächlich viel weniger als man meint. Die meisten Ärzte wissen über die Fakten zur Homöopathie Bescheid und befürworten meine Aufklärungsarbeit. Homöopathen, Apotheker oder Pharmazieunternehmen, die ihr Geld mit Zuckerkügelchen verdienen, bleibt dagegen nichts anderes übrig als Patienten mit Werbetricks in die Irre zu führen. Das gewünschte falsche Bild entsteht, wenn Homöopathie mit Naturheilkunde fehlassoziiert wird, wenn eine Wortschöpfung wie „Potenzierung“ über fehlende Inhaltsstoffe hinwegtäuschen soll oder der Placeboeffekt als „Unterstützung der Selbstheilungskräfte“ sprachlich aufgewertet wird. All dies ist unethisch und eines Arztes oder Apothekers unwürdig.

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