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Antikoagulation bei Vorhofflimmern: Indikation ginge noch individueller

Das Schlaganfallrisiko ist nicht so statisch, wie ein Ja-Nein-Score es einen glauben lässt. Gemäß ESC*-Leitlinie zum Vorhofflimmern (VHF) sollte man nur bei einem CHA2DS2-VASc-Score von 0 (Männer) bzw. 1 (Frauen) keine oralen Antikoagulanzien einsetzen. Sobald ein Risikofaktor vorliegt, gilt es, die Gerinnungshemmung zumindest zu erwägen. Ein klinisches Dilemma. Denn eine begleitende Hypertonie z.B. könnte je nach Patientenalter unterschiedlich stark ins Gewicht fallen.
NOAK ab einem Apoplexrisiko von 0,9 % pro Jahr sinnvoll
Bei Jüngeren wird die Apoplexgefahr möglicherweise überschätzt, während ein 63-Jähriger – kurz vor der CHA2DS2-VASc-Altersschwelle – eventuell bereits eine Prophylaxe bräuchte. Gibt es also einen Weg, die Indikation individueller anzupassen, wenn Vorhofflimmerpatienten nur einen Risikofaktor mitbringen, fragte sich das internationale Forscherteam um den Kardiologen Professor Dr. Tze-Fan Chao vom Taipei Veterans General Hospital. Aus Untersuchungen weiß man, dass ab einem Schlaganfallrisiko von 0,9 %/Jahr der Nutzen von NOAK die potenziellen Nebenwirkungen überwiegt. Ab welcher Altersgruppe dieser „Scheitelpunkt“ bei bestimmten Komorbiditäten erreicht wird, errechneten die Kollegen anhand der Datenbank der nationalen taiwanesischen Krankenversicherung.
In den anonymisierten Daten der Jahre 1996 bis 2009 fanden sich etwa 39 000 VHF-Kranke, die ein für den CHA2DS2-VASc-Score relevantes Begleitleiden hatten (Apoplex/TIA ausgenommen):
- Hypertonie (n=20 860)
- Herzinsuffizienz (n=11 766)
- Diabetes (n=4338)
- vaskuläre Erkrankung (n=2056)
Weitere 31 000 Patienten wiesen – außer dem weiblichen Geschlecht – keinen Risikofaktor auf. Alle Individuen waren über 20 Jahre alt und nahmen weder Plättchenhemmer noch orale Antikoagulanzien.
Die Schlaganfallgefahr einer Kohorte ergibt sich bekanntlich aus der Inzidenz. Das kalkulierte jährliche Risiko hängt allerdings vom zugrundeliegenden Rechenmodell ab. Konventionell fließen in eine solche Analyse lediglich Patientencharakteristika zum Zeitpunkt der VHF-Diagnose mit ein. Die Kollegen ermittelten das Risiko nun auch mit einem „idealen“ Ansatz. Dieser berücksichtigt die Altersdynamik im Verlauf: Wann trat ein Apoplex tatsächlich auf? Wann kamen Komorbiditäten hinzu?
Eine Herzinsuffizienz wiegt offenbar besonders schwer
Ziel ist, dass ein NOAK ab dem Alter verordnet wird, ab dem die Ereignisrate 0,9 %/Jahr übersteigt. Laut der „idealen“ Auswertung lag dieser Start für Vorhofflimmerpatienten mit Hypertonus bei 50 Jahren (siehe Kasten). In der Altersgruppe zwischen 45 und 49 ermittelten die Forscher ein jährliches Schlaganfallrisiko von 0,79 %. Bei den 50- bis 54-Jährigen betrug es bereits 1,32 %/Jahr.
Hypothetische Schwellen für den NOAK-Einsatz
- Herzinsuffizienz: ≥ 35 Jahre
- Hypertonie: ≥ 50 Jahre
- Diabetes: ≥ 50 Jahre
- vaskuläre Erkrankung: ≥ 55 Jahre
- Alter als einziger Risikofaktor: NOAK bereits ab 60 Jahre
Gefahr für Asiaten höher als für Europäer
Die Autoren geben zu bedenken, dass es sich um eine Kohorte aus Taiwan handelt. Asiaten tragen vermutlich ein höheres Schlaganfallrisiko als Nicht-Asiaten. So fand sich für Taiwanesen mit einem CHA2DS2-VASc von 0 eine jährliche Ereignisrate von 1,15 %, bei Kaukasiern schwankt sie in Registerstudien zwischen 0,04 % und 0,66 %. Ihre Ergebnisse verstehen die Kollegen somit eher als Grundlage für weitere Untersuchungen. Nichtsdestotrotz sollte das Alter bei der Therapieentscheidung mehr bedacht werden, wenn VHF-Patienten nur ein Begleitleiden aufweisen. Denn: je älter der Betroffene, desto höher das Schlaganfallrisiko.* European Society of Cardiology
Quelle: Chao TF et al. Eur Heart J 2019; 40: 1504-1514; doi: doi.org/10.1093/eurheartj/ehy837
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