Beim Cushing nicht kuschen

Maria Weiß

Zu den Symptomen des Cushing-Syndroms zählen unter anderem eine rundere Gesichtsform, Hirsutismus und livide Striae. Zu den Symptomen des Cushing-Syndroms zählen unter anderem eine rundere Gesichtsform, Hirsutismus und livide Striae. © wikimedia/Ozlem Celik, Mutlu Niyazoglu, Hikmet Soylu and Pinar Kadioglu (CC BY 2.5)

Unbehandelt verläuft das endogene Cushing-Syndrom tödlich. Aber auch nach adäquater Therapie sind Morbidität und Mortalität dauerhaft erhöht, sodass die Patienten einer interdisziplinären und multimodalen Betreuung bedürfen.

Mit einer Inzidenz von 0,2–5,0 pro eine Million Personen pro Jahr gehört das endokrine Cushing-Syndrom zu den seltenen Erkrankungen. Abzugrenzen ist es vom viel häufigeren iatrogenen Hyperkortisolismus, der durch die langfristige exogene Zufuhr von Glukokortikoiden zu therapeutischen Zwecken verursacht wird.

Die endogenen Cushing-Syndrome werden weiter in ACTH*-abhängige Formen, die etwa 80 % ausmachen, und ACTH-unabhängige unterschieden. 90 % der ACTH-abhängigen Erkrankungen liegt ein ACTH-produzierendes Hypophysenadenom zugrunde. Dieses Krankheitsbild wird als ­Morbus ­Cushing bezeichnet. Deutlich seltener ist die ektope Hormonproduktion durch nicht-hypophysäre, neuro­endokrine Tumoren, erläutern Dr. Frederick ­Vogel und zwei seiner Kollegen von der Medizinischen Klinik IV des LMU-Klinikums in München.

Die Symptome des Cushing-Syndroms sind vielfältig und z.T. unspezifisch, sodass im Mittel zwei bis drei Jahre von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung vergehen. Verzögerungen entstehen regelmäßig dadurch, dass etliche häufige Erkrankungen mit funktionellem Hyperkortisolismus einhergehen, etwa schwere Depressionen, das metabolische Syndrom mit schlechter Stoffwechselkontrolle oder das poly­zystische Ovarialsyndrom.

Diagnostik beginnt mit Dexamethason-Hemmtest

Laut den Leitlinien ist das Screening auf ein Cushing-Syndrom bei den folgenden vier Patientengruppen angezeigt:

  • Personen mit mehr als zwei charakteristischen Symptomen (s. ­Kasten)
  • Patienten mit Hypophysen- oder Nebenniereninzidentalom
  • bei altersuntypischen Symptomen, z.B. Osteoporose bei sehr jungen Menschen
  • Kinder mit Wachstumsstopp und gleichzeitiger Gewichtszunahme

Als erste Screeningmaßnahme beim Hausarzt oder Internisten empfiehlt das Autorentrio den 1-mg-Dexamethason-Hemmtest, der in der Praxis recht gut durchführbar ist. Aufwendiger stellt sich die Bestimmung von Cortisol im 24-Stunden-Sammelurin und die Messung des spätabendlichen Speichelcortisols dar. Sensitivität und Spezifität der beiden letztgenannten Verfahren erhöhen sich durch wiederholte ­Tes­tungen.

Klinische Symptome des Kortisolexzesses

  • Haarverlust
  • supraklavikuläre Fettpolster
  • Stammfettsucht, Diabetes mellitus
  • livide Striae
  • proximale Muskelschwäche
  • Hirsutismus
  • Depressionen, Angststörungen, Schlafstörungen, kognitive Störungen
  • Stiernacken
  • arterielle Hypertonie, Myokardinfarkt, Atherosklerose, Schlaganfälle, Thrombosen, Dyslipidämie
  • Osteoporose, osteoporotische Frakturen
  • Zyklusunregelmäßigkeiten, Infertilität, Libidoverlust
  • Hämatome, Wundheilungsstörungen, Pergamenthaut

Bei sehr geringem klinischem Verdacht können 1-mg-Dexamethason-Hemmtest und Messung des spätabendlichen Speichelcortisols ein Cushing-Syndrom ausschließen. Andernfalls kommen alle drei Screeningverfahren zum Einsatz. Bei auffälligen Befunden, spätestens aber nach Diagnosesicherung, sollte die Überweisung an den Endokrinologen erfolgen. Beim ­Morbus ­Cushing gilt die transsphenoidale Resektion des Hypophysenadenoms als Therapie der Wahl. Die postoperative Remissionsrate liegt bei 70–90 %. Eine Bestrahlung ist nur bei postoperativer Persistenz oder Rezidiv angezeigt. Als Nachteil davon nennen die Autoren die lange Latenzzeit bis zum Wirkeintritt von bis zu zwei Jahren und die begrenzte Effektivität (50–80 %). Bei adrenalem Cushing-Syndrom bietet die Adrenalektomie eine dauerhafte Lösung. Durch den Einsatz neuer Arzneimittel hat auch die medikamentöse Therapie in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Beim M. ­Cushing kann das Somatostatin-Analogon Pasireotid eingesetzt werden, nicht aber beim ektopen oder adrenalen Cushing-Syndrom. Adrenostatische Medikamente wie ­Metyrapon, ­Osilodrostat oder ­Ketoconazol hingegen können für sämtliche Varianten des Syndroms verwendet werden.

Nach der Therapie auf Herz-Kreislauf und Psyche achten

Ungeachtet des zugrunde liegenden Subtyps hat die Resektion häufig eine tertiäre Nebenniereninsuffizienz zur Folge, was die Substitution von Hydrokortison erfordert. Anfangs benötigen die Betroffenen häufig supraphysiologische Dosen, da es nach der Operation zum Glukokortikoid-Entzugssyndrom mit Gelenkbeschwerden, ­Myopathie, ­Fatigue und Depressionen kommen kann. Alle Betroffenen mit Cushing-Syndrom sollten in der Nachsorge lebenslang jährlich untersucht werden. Zum einen ist die Rezidivrate mit 15–50 % recht hoch, zum anderen kann das längere Überangebot an Glukokortikoiden langanhaltende oder dauerhafte Folgen für verschiedene Organsysteme haben. Von großer Bedeutung sind neben dem Remissionserhalt und gut angepasster Hormonsubstitution daher auch der Blick auf kardiovaskuläre Risikofaktoren und die Therapie psychischer Komorbiditäten.

* Adrenocortikotropes Hormon

Quelle: Vogel F et al. Internist 2022; 63: 34-42; DOI: 10.1007/s00108-021-01222-7

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Zu den Symptomen des Cushing-Syndroms zählen unter anderem eine rundere Gesichtsform, Hirsutismus und livide Striae. Zu den Symptomen des Cushing-Syndroms zählen unter anderem eine rundere Gesichtsform, Hirsutismus und livide Striae. © wikimedia/Ozlem Celik, Mutlu Niyazoglu, Hikmet Soylu and Pinar Kadioglu (CC BY 2.5)