
COVID-19: Immunsuppressiva müssen nicht unbedingt abgesetzt werden

Die Spannweite einer SARS-CoV-2-Infektion reicht von asymptomatischem Weiterverbreitern der Viren bis hin zu tödlichen Verläufen nach wochenlangem Aufenthalt auf der Intensivstation. Klar, dass Patienten mit entzündlichen Hautkrankheiten, die systemisch therapiert werden, Angst haben oder zumindest verunsichert sind. Denn wenn durch die Therapie das Immunsystem beeinflusst wird, scheint der Weg frei für das Virus. Aber stimmt das wirklich?
Experten gaben in einem Positionspapier nun eine erste Einschätzung ab. Allerdings stand man bei den Empfehlungen vor dem Problem, dass es noch keine auf Studiendaten basierenden Evidenzen direkt zu dieser Fragestellung gibt, betonen Professor Dr. Jennifer Beecker von der University of Ottawa und Kollegen. Erste Fallserien und kleine Kohortenstudien zeigen zumindest keine Hinweise auf schlechtere Krankheitsverläufe bei einer SARS-CoV-2-Infektion unter systemischer Immunmodulation – mit Ausnahme möglicherweise von systemischen Kortikosteroiden, lautet die grobe Einschätzung. Doch was bedeutet das genau?
Kein höheres Risiko, keine schwereren Verläufe
Was die Biologika, wie TNF-α-Blocker oder Interleukin-Inhibitoren, die bei entzündlichen Hauterkrankungen eingesetzt werden, angeht, wäre auf das Immunsystem sowohl ein neutraler als auch leicht das Risiko steigernder Einfluss denkbar. Insbesondere in späteren COVID-19-Stadien könnte sich aber auch ein leicht positiver Effekt zeigen, da IL-Inhibitoren in der hyperinflammatorischen Phase von COVID-19 den Zytokinsturm verhindern könnten.
Man fand in Studien weder für Adalimumab, Infliximab, Dupilumab, Secukinumab noch für Ustekinumab Beweise dafür, dass ein höheres SARS-CoV-2-Infektionsrisiko besteht oder es häufiger zu therapiebedingt schwereren COVID-19-Verläufen kommt, fassen die Wissenschaftler die Datenlage zusammen. Bei Rituximab sollte man bis auf Weiteres vorsichtig bleiben, da der Anti-CD-20-Antikörper zu einer B-Zell-Depletion führt, heißt es. Konkrete Nachweise zu vermehrten Corona-Infektionen gibt es aber nicht.
Die Situation bei den Small-Molecules ist ähnlich. Für den PD4-Hemmer Apremilast ließ sich keine erhöhte Infektions-Inzidenz nachweisen. Und obwohl JAK-Inhibitoren die INF-γ- und IL4-Signalwege stören, die laut In-vitro-Versuchen an der Abwehr von SARS-CoV-1 beteiligt sind, scheinen Baricitinib und Ruxolitinib gleichzeitig den Zytokinsturm und die Endozytose von Coronaviren zu blockieren. Man könne daher überlegen, im frühen Infektionsstadium die JAK-Inhibitoren zurückzuhalten, so die Autoren. Was den späteren Krankheitsverlauf angeht, werden beide derzeit als Corona-Therapeutika getestet.
Allenfalls minimal erhöht ist das potenzielle Infektionsrisiko unter Azathioprin, Ciclosporin A, Methotrexat und Mycophenolat-Mofetil. Das liegt an ihren Wirkmechanismen. Bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen unter einer Therapie mit MTX oder Azathioprin ergaben sich in einer Metaanalyse keine substanziellen Hinweise auf ein erhöhtes Infektionsrisiko oder einen schweren Krankheitsverlauf. Auch unter den anderen Immunsuppressiva war weiteren Studien zufolge kein erhöhtes Risiko ersichtlich.
Insgesamt geben die Experten anhand der Datenlage also eher Entwarnung. Patienten mit Psoriasis und AD sollten bei normalem Risiko weiter systemisch behandelt werden, denn die Gefahr einer Krankheitsverschlechterung bei Therapiestopp liegt für diese Patienten deutlich höher als das Risiko, sich SARS-CoV-2 einzufangen.
Kniffeliger ist es, wenn die Gefahr aufgrund familiärer oder beruflicher Exposition per se größer ist oder fortgeschrittenes Alter und/oder begleitende Erkrankungen wie Diabetes, Übergewicht oder Lungenerkrankungen einen schweren Verlauf wahrscheinlicher machen. Bei diesen Patienten ist eine individuelle Risikenabwägung unter Berücksichtigung von Risikolage, persönlichen Präferenzen sowie der aktuellen dermatologischen Situation erforderlich.
Wie verträgt sich die Systemtherapie mit der Coronaimpfung?
Spezialfall Steroide: Schaden oder Nutzen?
Steroide nehmen bei SARS-CoV-2 eine Sonderrolle ein. Einerseits wird Dexamethason bereits seit einer Weile bei der Therapie von schwer erkrankten COVID-Patienten eingesetzt. Andererseits hat eine Datenbankanalyse für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und rheumatische Erkrankungen eine Korrelation zwischen einer Steroid-Dauereinnahme und schweren COVID-19-Verläufen gezeigt. Geringe Fallzahlen und fehlende Kontrollen lassen allerdings noch keine verbindlichen Schlüsse zu, so die Experten. Nach ihrer Einschätzung liegt das Corona-Infektionsrisiko durch systemisches Prednison dosisabhängig im minimalen bis moderaten Bereich. Die Behandlung sollte, wenn möglich, in einer Dosis unter 10 mg/d fortgesetzt werden, raten die Experten. Das beste Vorgehen während einer Infektion – was die dermatologische Indikation anbelangt – muss man individuell abwägen. Die WHO warnt aber z.B. davor, dass die Substanzen bei Infizierten möglicherweise die Viruselimination unterdrücken.Quelle: Beecker J et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2021; DOI: 10.1111/jdv.17075
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