COVID-19: Immunsuppressiva müssen nicht unbedingt abgesetzt werden

Dr. Barbara Kreutzkamp/Dr. Susanne Gallus

Immuntherapie in der Pandemie – Behandlung bei asymptomatischem oder mildem Verlauf weiterführen. Immuntherapie in der Pandemie – Behandlung bei asymptomatischem oder mildem Verlauf weiterführen. © Web Buttons Inc – stock.adobe.com

Erhöht eine systemische Immunmodulation bei Patienten mit Psoriasis oder atopischer Dermatitis das Risiko für COVID-19? Im Normalfall wohl nicht. Daher raten Experten zur Weiterführung der Therapie. Auch bei einer akuten Infektion spricht die Datenlage nicht zwingend dagegen.

Die Spannweite einer SARS-CoV-2-Infektion reicht von asymptomatischem Weiterverbreitern der Viren bis hin zu tödlichen Verläufen nach wochenlangem Aufenthalt auf der Intensivstation. Klar, dass Patienten mit entzündlichen Hautkrankheiten, die systemisch therapiert werden, Angst haben oder zumindest verunsichert sind. Denn wenn durch die Therapie das Immunsystem beeinflusst wird, scheint der Weg frei für das Virus. Aber stimmt das wirklich?

Experten gaben in einem Positionspapier nun eine erste Einschätzung ab. Allerdings stand man bei den Empfehlungen vor dem Problem, dass es noch keine auf Studiendaten basierenden Evidenzen direkt zu dieser Fragestellung gibt, betonen Professor Dr. Jennifer­ Beecker von der University of Ottawa und Kollegen. Erste Fallserien und kleine Kohortenstudien zeigen zumindest keine Hinweise auf schlechtere Krankheitsverläufe bei einer SARS-CoV-2-Infektion unter systemischer Immunmodulation – mit Ausnahme möglicherweise von systemischen Kortikosteroiden, lautet die grobe Einschätzung. Doch was bedeutet das genau?

Kein höheres Risiko, keine schwereren Verläufe

Was die Biologika, wie TNF-α-Blocker oder Interleukin-Inhibitoren, die bei entzündlichen Hauterkrankungen eingesetzt werden, angeht, wäre auf das Immunsystem sowohl ein neutraler als auch leicht das Risiko steigernder Einfluss denkbar. Insbesondere in späteren COVID-19-Stadien könnte sich aber auch ein leicht positiver Effekt zeigen, da IL-Inhibitoren in der hyperinflammatorischen Phase von COVID-19 den Zytokinsturm verhindern könnten.

Man fand in Studien weder für Adalimumab, Infliximab, Dupilumab, Secukinumab noch für Ustekinumab Beweise dafür, dass ein höheres SARS-CoV-2-Infektionsrisiko besteht oder es häufiger zu therapiebedingt schwereren COVID­-19-Verläufen kommt, fassen die Wissenschaftler die Datenlage zusammen. Bei Rituximab sollte man bis auf Weiteres vorsichtig bleiben, da der Anti-CD-20-Antikörper zu einer B-Zell-Depletion führt, heißt es. Konkrete Nachweise zu vermehrten Corona-Infektionen gibt es aber nicht.

Die Situation bei den Small-Molecules ist ähnlich. Für den PD4-Hemmer Apremilast ließ sich keine erhöhte Infektions-Inzidenz nachweisen. Und obwohl JAK-Inhibitoren die INF-γ- und IL4-Signalwege stören, die laut In-vitro-Versuchen an der Abwehr von SARS-CoV-1 beteiligt sind, scheinen Baricitinib und Ruxolitinib gleichzeitig den Zytokinsturm und die Endozytose von Coronaviren zu blockieren. Man könne daher überlegen, im frühen Infektionsstadium die JAK-Inhibitoren zurückzuhalten, so die Autoren. Was den späteren Krankheitsverlauf angeht, werden beide derzeit als Corona-Therapeutika getestet.

Allenfalls minimal erhöht ist das potenzielle Infektionsrisiko unter Azathioprin, Ciclosporin A, Methotrexat und Mycophenolat-Mofetil. Das liegt an ihren Wirkmechanismen. Bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen unter einer Therapie mit MTX oder Azathioprin ergaben sich in einer Metaanalyse keine substanziellen Hinweise auf ein erhöhtes Infektionsrisiko oder einen schweren Krankheitsverlauf. Auch unter den anderen Immunsuppressiva war weiteren Studien zufolge kein erhöhtes Risiko ersichtlich.

Insgesamt geben die Experten anhand der Datenlage also eher Entwarnung. Patienten mit Psoriasis und AD sollten bei normalem Risiko weiter systemisch behandelt werden, denn die Gefahr einer Krankheitsverschlechterung bei Therapiestopp liegt für diese Patienten deutlich höher als das Risiko, sich SARS-CoV-2 einzufangen.

Kniffeliger ist es, wenn die Gefahr aufgrund familiärer oder beruflicher Exposition per se größer ist oder fortgeschrittenes Alter und/oder begleitende Erkrankungen wie Diabetes, Übergewicht oder Lungenerkrankungen einen schweren Verlauf wahrscheinlicher machen. Bei diesen Patienten ist eine individuelle Risikenabwägung unter Berücksichtigung von Risikolage, persönlichen Präferenzen sowie der aktuellen dermatologischen Situation erforderlich.

Wie verträgt sich die Systemtherapie mit der Coronaimpfung?

Wenn es um die Coronaimpfung unter Immunmodulation oder -suppression geht, kann man vorerst nur theoretisch argumentieren, betonte Professor Dr. Thomas Werfel von der Medizinischen Hochschule Hannover in seinem Best-of-Derma-Update-2020-Vortrag (Online-Veranstaltung). „Alle Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, können natürlich zu einer verminderten Impfantwort führen.“ Wenn es die Indikation zulässt, würde er daher überlegen, eine Therapiepause einzulegen – ansonsten müsse man die potenziell geringere Effektivität in Kauf nehmen. AD-Wirkstoffe mir kurzer Halbwärtszeit wie Baricitinib lassen sich z.B. unter Zuhilfenahme von Topika pausieren. Als Intervall schlägt Prof. Werfel ein paar Tage vor der Impfung bis etwa 3–4 Wochen nach der zweiten Impfung vor. Dupilumab kann dagegen weitergegeben werden, weil es das Immunsystem nicht direkt unterdrückt. Für die Psoriasis gilt: Bei den Anti-IL-17- und Anti-IL-23-Antikörpern besteht ebenfalls kaum Sorge, dass sie die SARS-CoV-2-Impfung negativ beeinflussen, erklärte Prof. Werfel – im Gegensatz zu TNF-Blockern, Ciclosporin A und MTX, die insagesamt immunsuppressiv wirken. Auch Prof. Beeker und Kollegen warnen in ihrem Positionspapier bei Biologika wie Rituximab, aber auch bei Azathioprin, Ciclosporin A, Methotrexat und Mycophenolat-Mofetil, dass diese die Immunantwort auf die Vakzine abschwächen und deren Effektivität verringern könnten.

Ähnliches gilt für eine akute Infektion. Bei asymptomatischem oder mildem Verlauf steht einer Weiterführung der Behandlung theoretisch nichts im Wege, eine Dosisreduktion kann probiert werden. Bei moderatem oder schwerem Verlauf gibt es allerdings noch viele Unsicherheiten, sodass vor allem bei hoher Komorbidität und höherem Alter eine Dosisreduktion bis hin zum kompletten Absetzen der dermatologisch indizierten Immunsuppression erwogen werden sollte, so die Experten.

Spezialfall Steroide: Schaden oder Nutzen?

Steroide nehmen bei SARS-CoV-2 eine Sonderrolle ein. Einerseits wird Dexamethason bereits seit einer Weile bei der Therapie von schwer erkrankten COVID-Patienten eingesetzt. Andererseits hat eine Datenbankanalyse für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und rheumatische Erkrankungen eine Korrelation zwischen einer Steroid-Dauereinnahme und schweren COVID­-19-Verläufen gezeigt. Geringe Fallzahlen und fehlende Kontrollen lassen allerdings noch keine verbindlichen Schlüsse zu, so die Experten. Nach ihrer Einschätzung liegt das Corona-Infektionsrisiko durch systemisches Prednison dosisabhängig im minimalen bis moderaten Bereich. Die Behandlung sollte, wenn möglich, in einer Dosis unter 10 mg/d fortgesetzt werden, raten die Experten. Das beste Vorgehen während einer Infektion – was die dermatologische Indikation anbelangt – muss man individuell abwägen. Die WHO warnt aber z.B. davor, dass die Substanzen bei Infizierten möglicherweise die Viruselimination unterdrücken.

Quelle: Beecker J et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2021; DOI: 10.1111/jdv.17075

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