Der lange Atem der inhalativen Kortikosteroide

Dr. Andrea Wülker

In einer systematischen Übersichtsarbeit untersuchte das Team, welche Nebenwirkungen die Kortikosteroide nach sich ziehen können. (Agenturfoto) In einer systematischen Übersichtsarbeit untersuchte das Team, welche Nebenwirkungen die Kortikosteroide nach sich ziehen können. (Agenturfoto) © iStock/AndreyPopov

Im Vergleich zu oralen kommt es unter inhalativen Kortikosteroiden zu einer signifikant geringeren systemischen Exposition. Doch ganz aus bleibt sie nicht. Wie sich das auf lange Sicht bei COPD-Kranken auswirkt, wurde jetzt untersucht.

Gerade aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung erhalten manche COPD-Patienten über Jahre oder gar Jahrzehnte inhalative Kortikosteroide (ICS). In einer systematischen Übersichtsarbeit untersuchte das Team um den Pneumologen Dr. Marc Miravitlles vom Universitätsklinikum Vall d’Hebron in Barcelona, welche Nebenwirkungen das nach sich ziehen kann. Für ihre Analyse berücksichtigten die Autoren 83 Studien.

Pneumonierisiko wohl nur bei bestimmten Präparaten

Wurden ICS für ein Jahr oder länger eingesetzt, erhöhte sich das Pneumonierisiko um 41 %, wie die Auswertung von 19 randomisierten kontrollierten Studien zeigte. Dabei gab es Unterschiede zwischen den verwendeten Substanzen: Das höchste Risiko war mit dem Einsatz von Fluticason assoziiert. Budesonid ging dagegen nicht mit einer erhöhten Gefahr einher – aber die Studien waren heterogen.

Macht der immunsuppressive Effekt von ICS COPD-Patienten anfälliger für Tuberkulose oder Infektionen mit nicht-tuberkulösen Mykobakterien? Auch dieser Frage gingen einige Untersuchungen nach. In Kohortenstudien ließ sich eine Relation zwischen ICS und Tuberkuloseerkrankungen aufzeigen, und zwar insbesondere für Patienten, die hohe Dosen erhielten und die bereits früher eine Lungentuberkulose gehabt hatten. Zwei Studien assoziierten den ICS-Einsatz mit nicht-tuberkulösen Mykobakteriosen.

Nicht jeder COPD-Kranke braucht ICS

Inhalative Kortikosteroide sind in Kombination mit lang wirksamen Bronchodilatatoren indiziert, wenn COPD-Patienten trotz der Therapie mit lang wirksamen Beta-Agonisten und lang wirksamen Muskarinantagonisten Exazerbationen entwickeln. Vor allem bei solchen mit hohen Eosinophilenspiegeln im Blut können ICS Exazerbationen erfolgreich verhindern. Studien aus verschiedenen Ländern zeigen allerdings, dass die inhalativen Steroide häufig auch bei milder oder moderater COPD mit niedrigem Exazerbationsrisiko (zu) großzügig eingesetzt werden.

Kein ganz klares Bild ergab sich zum Zusammenhang von ICS und Osteoporose/Frakturen. Zwar kamen einige Studien zu dem Ergebnis, dass z.B. der Einsatz von Triamcinolon mit einer signifikanten Abnahme der Knochendichte einherging – höhere ICS-Dosen scheinen zu einem ausgeprägteren Knochenmasseverlust zu führen –, aber es ist unklar, wie sich das in Frakturen übersetzt. Die Autoren fanden Hinweise darauf, dass die Bruchgefahr nur dann signifikant ansteigt, wenn ICS über längere Zeit in hohen Dosen verabreicht werden. Ähnlich sah es beim Diabetesrisiko aus. Lokale Nebenwirkungen wurden häufig beobachtet: Das Risiko für eine orale Candidiasis unter ICS-Exposition verdreifachte sich nahezu, das für eine Dysphonie erhöhte sich sogar fast um das 3,8-Fache. Da die meisten Komplikationen dosisabhängig auftraten, raten die Kollegen dazu, bei COPD-Patienten möglichst niedrige ICS-Dosen zu verwenden.

Quelle: Miravitlles M et al. Eur Resp Rev 2021; 30: 210075; DOI: 10.1183/16000617.0075-2021

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In einer systematischen Übersichtsarbeit untersuchte das Team, welche Nebenwirkungen die Kortikosteroide nach sich ziehen können. (Agenturfoto) In einer systematischen Übersichtsarbeit untersuchte das Team, welche Nebenwirkungen die Kortikosteroide nach sich ziehen können. (Agenturfoto) © iStock/AndreyPopov