Diabetische Retinopathie: Diagnose, Therapie und digitaler Fortschritt

Prof. Dr. Nicole Eter

Wird das standardmäßige Screening bald abgelöst? Gesundheitsparameter sollen digital erfasst und automatisch analysiert werden. Wird das standardmäßige Screening bald abgelöst? Gesundheitsparameter sollen digital erfasst und automatisch analysiert werden. © iStock/ferrantraite

Die diabetische Retinopathie ist eine häufige mikrovaskuläre Komplikation bei Diabetes mellitus. Die Past-Präsidentin der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), Professor Dr. Nicole Eter, zu Diagnose- und Therapie­mög­lichkeiten und den Chancen des digitalen Fortschritts.

Bei Typ-1- bzw. Typ-2-Diabetespatienten dominieren unterschiedliche pathologische Veränderungen am Auge. Menschen mit Typ-2-Diabetes sind häufiger von Veränderungen im Zentrum der Netzhaut, der Makula, betroffen. Bei ihnen kommt es primär zur Ausbildung eines Makulaödems. Wohingegen bei Menschen mit Typ-1-Diabetes periphere Netzhautveränderungen im Vordergrund stehen. Sie entwickeln öfter eine proliferative diabetische Retinopathie, die mit Gefäßneubildungen einhergeht. In manchen Fällen kann jedoch auch eine kombinierte zentrale und periphere Netzhauterkrankung vorliegen.

Risikofaktoren und Diagnosemöglichkeiten

Ein starker Risikofaktor für ophthalmologische Komplikationen ist ein schlecht eingesteller Diabetes. Insbesondere Blutzuckerschwankungen erhöhen das Risiko erheblich. Hinzu kommt die Diabetesdauer, aber auch Rauchen, arterielle Hypertonie, Nephropathie, und hormonelle Umstellungen zählen zu den Risikofaktoren.

Der Goldstandard zur Diagnose der diabetischen Retinopathie ist die Fluoreszenzangiographie. Damit lassen sich sowohl das Makulaödem als auch Neovaskularisationen bei der proliferativen Form erkennen. Ebenso werden nicht-perfundierte Areale auf der Netzhaut sichtbar.

Bei der Berurteilung des Makulaödems ist die optische Kohärenztomographie (OCT) mittlerweile State-of-the-Art, insbesondere zur Verlaufskontrolle nach erfolgter Therapie. Nach wie vor werden die Patienten auch einer Spaltlampenuntersuchung unterzogen, um Gefäßneubildungen im Bereich der Iris zu erkennen.

Eine neue Methode, die aktuell jedoch noch nicht in der Praxis angekommen ist, ist die OCT-Angiographie. Dabei scannt die OCT in mehreren Ebenen und vergleicht bewegte und statische Pixel, wodurch eine Angiographie simuliert werden kann, ohne dass ein Farbstoff in die Venen injiziert werden muss. Es bleibt abzuwarten, ob diese Technik die Fluoreszenzangiographie in Zukunft ersetzen kann.

Warnzeichen

Warnzeichen, die auf Netzhautkomplikationen hindeuten, sind:
  • plötzliche Visusveränderungen oder
  • nicht korrigierbare Visusverschlechterungen;
Wenn die Makula betroffen ist:
  • Leseschwierigkeiten bis zum Verlust der Lesefähigkeit,
  • Farbsinnstörungen,
  • eine allgemeine Sehverschlechterung im Sinne von Verschwommensehen,
  • „Schwarz“ vor dem Auge durch Glaskörperblutungen bis zur praktischen Erblindung durch persistierende Glaskörperblutungen oder bei traktiven Netzhautablösungen.

Therapieoptionen: von medikamentös bis invasiv

Das Makulaödem wird in der Regel medikamentös behandelt mit sogenannten intravitrealen Injektionen. Zugelassen für diese Indikation sind momentan die VEGF-Inhibitoren
  • Ranibizumab (Handelsname: Lucentis®) und
  • Aflibercept (Handelsname: Eylea®) und die Cortison-Präparate
  • Dexamethason (Handelsname: Ozurdex®) und
  • Fluocinolonacetonid (Handelsname: Iluvien®).
Wobei zu beachten ist, dass Cortisonpräparete zwar eine etwas längerfristige Wirkung haben, jedoch zu einem erhöhten Augeninnendruck führen können. Bevacizumab (Handelsname: Avastin®) ist ebenfalls ein VEGF-Inhibitor, jedoch für die Behandlung des Makulaödems nicht zugelassen. Die Anwendung erfolgt damit off label. Wenn das Makulaödem nicht exakt das Zentrum betrifft, wird per Lasertherapie behandelt. Auch für die Therapie der nicht-proliferativen Retinopathie, von Neovaskularisationen und von nicht-perfundierten Arealen in der Peripherie ist dies das Mittel der Wahl. Schreitet die Erkrankung weiter voran und es treten Komplikationen wie eine Netzhautablösung oder eine Glaskörperblutung auf, muss der Glaskörper entfernt werden (Vitrektomie). Die Gelmasse wird aus dem Auge entfernt und die abgelöste Netzhaut wieder fixiert.

Die Versorgung läuft i.d.R. gut – wenn der Diabetes erkannt ist!

Patienten, die wegen ihrer Diabeteserkrankung in Behandlung sind, werden im Rahmen des Disease-Management-Programms (DMP) in regelmäßigen Abständen (alle 1–2 Jahre) beim Augenarzt vorstellig. Das läuft in der Regel auch gut. Als Bestätigung der augenärztlichen Kontrolle erhält der behandelnde Kollege bzw. die Kollegin aus der Diabetologie bzw. Allgemeinmedizin das DMP-Formular.

Augenscreening per Smartphone

Eine Handykamera und eine einfache Halterung, die einen bestimmten Abstand zum Auge definiert, das ist alles, was es braucht. Dr. Maximilian Wintergerst vom Universitätsklinikum Bonn und sein Team haben in einer Pilotstudie in Indien ein einfaches Untersuchungsgerät an 200 Diabetespatienten getestet, mit dem sich der Augenhintergrund darstellen lässt. Bei jedem fünften Patienten entdeckte das Team Anzeichen einer diabetischen Retinopathie. Die Smartphone-Aufnahmen reichen qualitativ zwar nicht an die konventioneller Geräte in der Augenarztpraxis heran, „für Menschen in medizinisch unterversorgten Regionen bieten sie aber eine leicht zugängliche, erschwingliche Alternative“, so Dr. Wintergerst. Auch in Deutschland wäre ein Einsatz denkbar, etwa in Pflegeheimen oder ländlichen Regionen. Ideal wäre eine Kombination mit der Telemedizin, sodass die Aufnahmen von ärztlichem Hilfspersonal angefertigt und an eine Augenklinik zur Beurteilung übermittelt werden. Auch eine Verbindung mit künstlicher Intelligenz wäre in Zukunft denkbar: Die Bilder werden von einem Computerprogramm auf Auffälligkeiten gescreent und entspreched gemeldet, kommentierte Prof. Eter. dz

Quelle: DOG-Pressemitteilung

Problematisch sind jedoch die Menschen, die nichts von ihrer Diabeteserkrankung wissen. Nicht selten wird der Verdacht auf eine Diabetes­erkrankung erstmalig bei einer augenärztlichen Untersuchung ausgesprochen. Stellt sich der Patient mit einer Sehverschlechterung vor, ist die Erkrankung in der Regel schon weit vorangeschritten. Der interdisziplinäre Austausch wird zukünftig hoffentlich noch vereinfacht werden. In der Augenklinik des Universitätsklinikums Münster wird z.B. aktuell ein System aufgebaut, um Befunde zwischen Ärzten direkt online austauschen zu können. Der Ausbau der Telematik­infrastruktur wird sicher dazu beitragen, dass dieser Austausch und damit die Versorgung noch weiter optimiert wird. Auch cloudbasierte digitale Lösungen, die Befunde von verschiedenen Ärzten bündeln können und damit eine interdisziplinäre Kommunikation und eine direkte und bedarfsgerechte Kontaktaufnahme unterschiedlicher Experten mit dem Patienten ermöglichen, werden die ärztliche Versorgung in Zukunft womöglich verbessern.

Quelle: DDG-Praxisempfehlungen „Diabetische Retinopathie und Makulopathie“

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Wird das standardmäßige Screening bald abgelöst? Gesundheitsparameter sollen digital erfasst und automatisch analysiert werden. Wird das standardmäßige Screening bald abgelöst? Gesundheitsparameter sollen digital erfasst und automatisch analysiert werden. © iStock/ferrantraite