
Fünf Fälle, die ins Ohr gehen

Trommelfellperforation
Ein 14 Monate alter Junge fasst sich dauernd ans linken Ohr, ist ungewohnt reizbar und verweigert die Nahrung. Vermutlich hat er Ohrenschmerzen. Wichtige Hinweise zur Ursache liefert oft der Verlauf: Akute Beschwerden sind meist infektiös bedingt, rezidivierende Otalgien eventuell ebenso. Anhaltende Symptome sprechen für eine chronische Infektion oder eine nicht aurikuläre Erkrankung, schreiben Edwin Halliday und Kollegen vom Birmingham Children’s Hospital. Im nächsten Schritt sind potenzielle Begleitsymptome wie Ohrenlaufen, Hörminderung, Schwindel und Fazialisschwäche zu eruieren, ebenso begünstigende Faktoren wie Schwimmen, Flugreise und Trauma.
Bei dem kleinen Buben begannen die Beschwerden 48 Stunden vorher mit einem oberen Atemwegsinfekt. Das spricht stark für eine akute Otitis media, die sich otoskopisch bestätigen lässt: Das gerötete Trommelfell wölbt sich vor. Die Mittelohrentzündung verläuft normalerweise selbstlimitierend, deshalb genügt in den meisten Fällen eine symptomatische Therapie. Antibiotika wie Amoxicillin oder Clarithromycin bleiben reserviert für Patienten mit systemischen Begleitsymptomen, erhöhtem Komplikationsrisiko und unter Zweijährige.
Vier Tage später bringen die Eltern ihren kleinen Sohn erneut in die Klinik, diesmal wegen einer anhaltenden Sekretion aus dem linken Ohr, ausgelöst durch eine Perforation des Trommelfells. Diese häufigste Komplikation der akuten Otitis media führt meist zu einer raschen Symptomlinderung. Bei anhaltender Sekretion empfehlen die Autoren antibiotikahaltige Ohrentropfen (z.B. Ciprofloxacin). Die meisten tympanalen Defekte verheilen – wie auch bei dem kleinen Jungen – innerhalb von drei Monaten.
Otitis externa
Ein 13-jähriger Junge leidet an einer heftigen linksseitigen Otalgie mit Ohrenlaufen, Juckreiz, Hypakusis und einem Blockadegefühl im Gehörgang. Er kam erst kürzlich von einem Badeurlaub zurück. Bei der Inspektion fällt eine schmerzhafte Ohrmuschel mit Hautveränderungen vor dem Meatus externus auf. Otitis externa lautet die Diagnose.
Trotz antibiotikahaltiger Ohrentropfen und Trockenhalten verschlimmert sich die Sekretion, sodass sich der Patient einer Mikrosuktion und oraler Toilette unterziehen muss. Typisch für die auch Schwimmerohr genannte Erkrankung ist eine diffuse rezidivierende Infektion von Haut und Subkutangewebe v.a. bei älteren Kindern. Der Gehörgang ist schmerzempfindlich und ödematös geschwollen. Zu den häufigsten Ursachen zählen Verletzungen durch Kratzen, Wattestäbchen oder Fremdkörper. Auch Feuchtigkeit, ekzematöse Hautveränderungen und Immunsuppression begünstigen die Entzündung.
Mastoiditis
Ein 16 Monate alter Junge leidet seit fünf Tagen an Ohrenschmerzen. Er hatte schon mehrere akute Mittelohrentzündungen, die spontan verheilten. Nicht so in diesem Fall. Trotz Antibiotikum verschlimmert sich sein Zustand und retroaurikulär bildet sich ein Erythem. Bei der Untersuchung in der Notaufnahme fällt neben Fieber und Tachykardie eine retroaurikuläre Schwellung mit abstehendem Ohr auf. Der kleine Patient hat eine akute Mastoiditis.
Typisch für diese brisante Komplikation der akuten Mittelohrentzündung ist das Zusammentreffen von Otalgie, druckschmerzhaftem Mastoid, Ohrmuschelprotrusion und Fieber. Das Ödem im posterioren Gehörgang fehlt in etwa 10 % Fälle. Inzwischen können die meisten Patienten mit Mastoiditis konservativ behandelt werden. Anders bei dem Einjährigen: Trotz intravenöser Antibiotikatherapie bessert sich sein Zustand nicht innerhalb von 24 Stunden. Die daraufhin durchgeführte CT ergibt einen subperiostalen Abszess, der mittels Mastoidektomie saniert werden muss.
„Leimohr“
Ein zweijähriges, ansonsten gesundes Mädchen leidet im Rahmen viraler Infekte an wiederholten Mittelohrentzündungen. Diese Konstellation ist typisch für die rezidivierende akute Otitis media. Bei mehr als vier bis sechs Episoden im Jahr kommt eine vorbeugende Antibiotikaeinnahme in Betracht. Risikofaktoren wie Passivrauch, Schnuller und unzureichender Impfschutz sollten vermieden werden.
Ein Jahr später wird die kleine Patientin erneut vorgestellt. Die winterliche Prophylaxe mit Amoxicillin hat sie von den akuten Otitiden befreit. Dafür hat sie jetzt Probleme mit dem Gehör. Die Kollegen vermuten eine nicht eitrige chronische Otitis media. In der Ohrspiegelung zeigt sich die typische goldgelbe Verfärbung des Trommelfells nebst Flüssigkeit in der Paukenhöhle. Da sich der Erguss normalerweise spontan zurückbildet, setzt man therapeutisch primär auf kontrolliertes Abwarten.
Für Antibiotika, abschwellende Nasentropfen, Nasenballons und Steroide ist ein Langzeiteffekt bisher nicht gesichert, so die Autoren. Falls das „Leimohr“ mit einer Hörminderung einhergeht oder länger als drei Monate persistiert, wird die Implantation eines Paukenröhrchens empfohlen, wofür sich auch die Eltern der jungen Patientin entscheiden.
Fremdkörper im Gehörgang
Ein vierjähriger Junge wird wegen rechtsseitiger Ohrenschmerzen und Otorrhö vorgestellt. Die Beschwerden haben sich in der vorangehenden Woche verschlimmert, ohne Hinweis auf einen Infekt. Die Otoskopie zeigt einen metallischen Fremdkörper im Gehörgang, der sich nach der Mikrosuktion als Knopfzelle erweist und schon zu einer starken entzündlichen Reaktion geführt hat.
Erst jetzt räumt der kleine Patient ein, dass ihm seine ältere Schwester das Corpus delicti ins Ohr gesteckt hat. Knopfzellbatterien müssen notfallmäßig entfernt werden. Auch bei biologisch abbaubaren Fremdkörpern (z.B. Nahrungsmittel, Insekten) bedarf es wegen der drohenden Lokalreaktion raschen Handelns. Auf das Warnsignal Otalgie ist kein Verlass, in den meisten Fällen fehlt der Schmerz. Zur Beruhigung des lädierten Gehörgangs empfehlen die Autoren topische Antibiotika und Steroidcreme.
Quelle: Halliday E et al. Arch Dis Child Educ Pract Ed 2021; DOI: 10.1136/archdischild-2021-322697
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