Großer Ventrikel und Trabekularisierung: Sportlerherz oder Kardiomyopathie?

Dr. Sascha Bock

20 Stunden Training pro Woche bei voller Auslastung – dann wird der rechte Ventrikel auch dilatieren. 20 Stunden Training pro Woche bei voller Auslastung – dann wird der rechte Ventrikel auch dilatieren. © iStock/master1305

Wie reagiert man bei einem Leistungssportler auf einen vergrößerten rechten Ventrikel und ein auffälliges EKG? „Sie bleiben ruhig“, rät ein Kollege. Denn was wie eine Kardiomyopathie aussieht, kann sich als Adaptation an die Belastung herausstellen.

„Turnen schafft Urnen“, scherzte Professor Dr. Carsten Tschöpe­, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Schließlich führt in etwa 50 % der Fälle ein Unfall zum plötzlichen Tod eines Athleten. Auf dem zweiten Platz folgen mit 16 % kardiale Ursachen – allen voran die hypertrophe Kardiomyopathie. Derartige Leiden im Alltag zu identifizieren, kann sich schwierig gestalten.

Mittleres enddiastolisches Volumen von bis zu 268 ml

Besonders im Ausdauerbereich laufen viele mit einer erweiterten rechten Herzkammer herum. „Wenn ein Leistungssportler wirklich alles gibt, dann wird der rechte Ventrikel auch dilatieren“, weiß Prof. Tschöpe. Einer aktuellen Metaanalyse zufolge hängt das mit dem Trainingsumfang zusammen. Bei männlichen Profis, die sich mehr als 20 Stunden pro Woche betätigten, fasste die rechte Kammer am Ende der Diastole im Schnitt 268 ml. Wer wöchentlich weniger als 10 Stunden trainierte, hatte immerhin noch ein mittleres end­diastolisches Volumen von 221 ml.

Hinzu kommen häufig Auffälligkeiten im EKG wie Rechtsschenkelblock und T-Negativierungen über der Vorderwand. Das Problem: Dilatation und negatives T in den Ableitungen V1–V3 zählen zu den diagnostischen Kriterien der rechtsventrikulären Dysplasie (arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie, ARVC). Diese Erkrankung geht mit einem Verlust der Myozyten sowie einer Fibrose mit Fetteinlagerung einher.

Mehr als ein Drittel der asymptomatischen Athleten erfüllt bereits Minorkriterien, 4–25 % sogar Majorkriterien. Im Alltag helfen zwei wichtige Punkte, zwischen Sportlerherz und Dysplasie zu unterscheiden:

  • Wie intensiv wird tatsächlich trainiert? Drei bis vier Stunden pro Woche reichen für eine Dilatation der Herzkammer kaum aus. Diese entsteht eher im Bereich von bis zu 20 Stunden pro Woche bei voller Auslastung.
  • T-Negativierungen über der Vorderwand sagen wenig aus. Vielmehr gilt es, auf Symptome zu achten und eine Familienanamnese (ungeklärter plötzlicher Herztod?) zu erheben.

Prof. Tschöpe erinnerte daran, dass sich bei Leistungssportlern 4 % der plötzlichen Herztode auf eine nicht erkannte ARVC zurückführen lassen. Fehlende Beschwerden, negative Familienanamnese und biventrikuläre Dilatation machen eine Dysplasie sehr unwahrscheinlich. Zusätzlich können MRT und Stressecho zum Einsatz kommen, um Fibrosierungen nachzuweisen bzw. die Belastungs­reserve zu tes­ten. „Ein kranker rechter Ventrikel wird seine Ejektionsfraktion unter Stress nicht verbessern“, so der Experte­.

Verwechslungsgefahr besteht darüber hinaus zwischen Sportlerherz und Non-Compaction-Kardiomyo­pathie, einer genetisch bedingten Störung der Herzmuskelverdichtung. Laut Prof. Tschöpe gibt es auch eine reversible Non-Compaction, z.B. wenn veränderte Druckverhältnisse die Wand auflockern. In diese Kategorie fallen die Schwangerschaftskardiomyopathie und eben das veränderte Myokard eines Athleten.

Bei Non-Compaction spielt die Anamnese eine wichtige Rolle

So findet sich bei 15–20 % der Personen mit Sportlerherz eine linksventrikuläre Trabekularisierung. Differenzialdiagnostisch kommt der Anamnese eine entscheidende Rolle zu. Für eine belastungsbedingte Adaptation sprechen eine negative Familiengeschichte sowie das Fehlen von thromboembolischen Ereignissen und von Beschwerden (Synkopen, Palpitationen, Dyspnoe etc.). Der Nachweis von Arrhythmien, Wandbewegungsstörungen oder einer signifikanten diastolischen Dysfunktion beispielsweise weist auf eine Kardiomyopathie hin.

Herz aus Stein

Extremsportarten wie Marathon oder Triathlon sind in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Wissenschaft geraten. Denn gerade bei sehr aktiven Athleten wurden des Öfteren Kalkablagerungen in den Koronarien beobachtet. Einer aktuellen prospektiven Beobachtungsstudie zufolge kann die Kalzifikation den Sportlern offenbar nichts anhaben. Das Team um Dr. Laura F. DeFina vom Cooper Institute in Dallas analysierte die Untersuchungsergebnisse von fast 22 000 Männern im mittleren Alter von 52 Jahren. Alle Teilnehmer waren zwischen 1998 bis 2013 von der Cooper Clinic, einem Institut zur Gesundheitsvorsorge, betreut worden. Die Gruppe der sportlichsten Männer erreichte laut eigenen Angaben beim Joggen eine Leistung von 3000 MET*-Minuten pro Woche. Bei derart aktiven Probanden mit geringer Koronarverkalkung (< 100 Agatston Units, AU) war die Sterblichkeit im Vergleich zu weniger sportlichen Individuen (< 1500 MET-Minuten pro Woche) halb so hoch bzw. mit stärkeren Verkalkungen (≥ 100 AU) um 23 % geringer.

Dr. Alexandra Bischoff

* Metabolic Equivalent of Task

Quelle: DeFina LF et al. JAMA Cardiology 2019; 4: 174-181

Gemäß den AHA/ACC*-Empfehlungen für Profiathleten ist mit einer exzessiven Trabekularisierung nicht zu spaßen. Die US-Kollegen raten Betroffenen mit Zeichen einer Kardiomyopathie zum Wettkampfverzicht und allenfalls zu niedrig-intensiven Sportarten (Evidenz: Klasse III, Level C). Asymptomatische Patienten dürfen bei normaler Pumpfunktion nur dann weiter an Wettkämpfen teilnehmen, wenn ventrikuläre Tachyarrhythmien ausgeschlossen wurden und nie eine ungeklärte Synkope auftrat (Klasse IIb, Level C).

* American Heart Association/American College of Cardiology

Quelle: 14. DGK-Kardiologie-Update-Seminar

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