
HIV-Medikament für Gesunde: Antiretrovirales Kombinationspräparat senkt Ansteckungsgefahr bei Risikopersonen

Präventionsstrategien gegen HIV gehören zum medizinischen Alltag. Zwar wird es wohl in absehbarer Zeit noch keinen Impfstoff gegen das tödliche Virus geben, aber es existiert zumindest eine Reihe von Maßnahmen, die vor einer Ansteckung mit dem Erreger schützen. Dazu zählen z.B. die Aufklärungsarbeit und der Kondomgebrauch, aber auch die Postexpositionsprophylaxe nach einer HIV-Exposition. Neuerdings steht auch eine antiretrovirale Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zur Verfügung. Die Kombination von Emtricitabin und Tenovovirdisoproxil wurde 2016 in Deutschland für diese Indikation zugelassen.
Bisher war eine medikamentöse Therapie mit antiretroviralen Substanzen ausschließlich HIV-infizierten Patienten vorbehalten. Neuere Studien konnten jedoch zeigen, dass eine antiretrovirale „Therapie an Gesunden“ vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen kann, so Dr. Gerrit Kann und Nils Wetzstein vom Universitätsklinikum Frankfurt.
Vor allem bestimmte Risikogruppen, bei denen die klassische Prävention mittels Kondomen oder Enthaltsamkeit nicht möglich ist, scheinen von einer anlassbezogenen oder kontinuierlichen PrEP zu profitieren. Dazu zählen insbesondere MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) und Patienten mit intravenösem Drogenabusus (IVDA), aber auch besonders gefährdete heterosexuelle Frauen und Männer (s. Kasten).
Indikationen für die PrEP
- Männer, die Sex mit Männern haben: ungeschützter Analverkehr in den letzten sechs Monaten, diagnostizierte STD, aktuelle Partnerschaft mit HIV-positivem männlichen Partner
- heterosexuelle Frauen und Männer: Mann, der Sex mit Frauen und Männern hat, unregelmäßiger Kondomgebrauch bei Sex mit einem Partner bei unklarem HIV-Status und erhöhtem Risiko, aktuelle Partnerschaft mit HIV-positivem Partner
- Intravenöser Drogenabusus: „Needlesharing“ in den letzten sechs Monaten, Beikonsum während eines Substitutionsprogramms, hohes Risiko einer sexuellen Infektion
Krankenkassen erstatten die Kosten nicht
Die bisherigen Studienergebnisse basieren meist auf einer Kombination von Tenofovirdisoproxil und Emtricitabin. Zwei Studien, PROUD und IPERGAY, konnten für die Gruppe der MSM im Vergleich zu Placebo eine 86%ige Reduktion des absoluten Risikos einer HIV-Neuinfektion bezogen auf gelebte Patientenjahre ermitteln. In der Bangkok Tenofovir Study ließ sich unter Tenofovir mono bei Männern mit intravenösem Drogenabusus (IVDA) verglichen mit der Placebogruppe eine 49%ige Risikoreduktion nachweisen. Aber die Präexpositionsprophylaxe mit dem Kombinationspräparat hat auch Nebenwirkungen. Neben Kopfschmerzen und einer diskreten Abnahme der Knochendichte kann es sowohl zu einem Anstieg der Nierenretentionsparameter als auch der Lebertransaminasen kommen. Aufgrund der potenziellen Risiken sollte die Indikationsstellung ebenso wie die Therapiekontrolle durch Ärzte erfolgen, die Erfahrung mit HIV-Therapien haben. Während einer PrEP empfehlen die Autoren, in dreimonatlichen Abständen HIV-Tests durchzuführen und die Nierenretentionswerte zu kontrollieren. Der Patient muss sowohl über die Nebenwirkungen als auch über die Langzeittoxizität und das klinische Erscheinungsbild eines retroviralen Syndroms aufgeklärt werden. Zudem sollte dem Patienten klar sein, dass die HIV-PrEP keinen Schutz vor anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD) bietet. Die monatlichen Therapiekosten von etwa 800 Euro werden nicht von den Krankenkassen erstattet, so die Autoren. Die Forschung zur PrEP läuft momentan auf Hochtouren. Neuere Präparate mit Tenofovir/Alafenamid zeigten in Studien weniger renale und ossäre Nebenwirkungen als Tenovovir/Emtricitabin. Darüber hinaus gibt es vielversprechende Studien mit lang wirksamen injizierbaren Medikamenten aus der HIV-Therapie, breit neutralisierenden Antikörpern (monoklonale VRC01) oder Dapivirin, einem nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitor. Letzeres kann über einen Vaginalring appliziert werden. Dadurch konnte in einer Studie mit HIV-negativen afrikanischen Frauen das Risiko einer HIV-Infektion signifikant reduziert werden. Zudem wirkt sich die Applikationsform positiv auf die Therapie-Adhärenz aus.Kann G, Wetzstein N. Arzneiverordnung in der Praxis 2017; 44: 168-172
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).