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Infizierte Tumorpatienten ambulant führen: Aktuelles zur Behandlung von Virusinfektionen und febrilen Neutropenien

Natürlich gelten die Regeln und Leitlinien, die für die stationäre Infektionstherapie entwickelt wurden, im ambulanten Bereich genauso. Das gilt insbesondere für die 2017 neu erstellte Leitlinie zum Fieber unklarer Genese (FUO). „Es gibt aber Aspekte, die in der ambulanten Versorgung anders sind“, betonte Dr. Sandherr.
Kernfrage Nr. 1: Wie schützt man ambulant behandelte Patienten vor Virusinfektionen?
Die Patienten in der onkologischen Praxis sind anders als im stationären Sektor – keine akuten Leukämien, keine transplantierten Patienten, keine Aplasie unter Chemotherapie, sondern meist solide Tumoren. Entsprechend anders sehen auch die Risiken aus.
Wenn ambulante Tumorpatienten an einer Virusinfektion erkranken, handelt es sich meist nicht um eine Neuinfektion – Ausnahme: Influenza –, sondern um die Reaktivierung im Körper schlummernder Erreger. Die Patienten haben aber meist keinen ausgeprägten zellulären Immundefekt. „Deshalb wird für Zytomegalie- und Epstein-Barr-Virus keine Prophylaxe nötig sein“, erklärte Dr. Sandherr, Erstautor der Leitlinie Antivirale Prophylaxe der DGHO1.
Behandlung gegen Herpes Zoster und Hepatitis B
Anders sieht es aus beim Herpes Zoster. Myelom-Patienten unter Proteasom-Inhibitoren sollten aus seiner Sicht eine Prophylaxe mit niedrig dosiertem Aciclovir (ein- bis zweimal 200–400 mg/Tag) oder Valaciclovir (ein- bis zweimal 500 mg/Tag) erhalten. Andere Patienten sollten prophylaktisch behandelt werden, wenn eine Neutropenie auftritt oder sich ankündigt. Ansonsten sollte die Indikation individuell abgewogen werden, riet Dr. Sandherr: „Bei niedrigen Helferzellzahlen, unter Steroidtherapie oder Purin-Analoga kann das im Einzelfall sinnvoll sein.“
Ambulante onkologische Patienten sind außerdem gefährdet, sich respiratorische Virusinfektionen zuzuziehen. Die Influenzaimpfung ist deshalb Pflicht, außer für Patienten unter einem Anti-CD20-Antikörper. Bei ihnen sollte die Impfung erst sechs Monate nach Ende der Antikörpertherapie erfolgen.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Hepatitis B: „Es gibt sehr häufig Rote-Hand-Briefe, dass bei Therapie mit den neuen Substanzen auf eine Reaktivierung geachtet werden muss“, warnte Dr. Sandherr. Das Risiko unterscheidet sich von Substanzklasse zu Substanzklasse – hoch ist es unter den monoklonalen Antikörpern Rituximab, Ofatumumab und Obinutuzumab sowie Anthrazyklinen, niedrig bei traditionellen Immunsuppressiva. Steroide und Tyrosinkinase-Inhibitoren liegen irgendwo dazwischen.
Die reaktivierte Hepatitis B hat selbst eine schlechte Prognose und verschlechtert die Prognose der Tumorerkrankung, wenn die onkologische Therapie wegen der antiviralen Behandlung unterbrochen werden muss. Das lässt sich verhindern, wenn die Patienten rechtzeitig gescreent werden. Dies sollte bei allen hämatologischen Neoplasien vor der Therapie erfolgen. Lamivudin ist heute nicht mehr First-Line-Option für die Prophylaxe, betonte Dr. Sandherr. „Es ist nicht verkehrt, Lamivudin zu geben bei niedriger Viruslast und kurzer Tumortherapie, aber auch die Leitlinien anderer Fachgesellschaften geben Entecavir klar den Vorzug.“
Krebsbehandlung bestimmt Dauer der antiviralen Therapie
Die antivirale Therapie sollte über das Ende der Tumortherapie fortgeführt werden, bei konventioneller Chemotherapie mindestens sechs Monate lang, bei Behandlung mit monoklonalen Antikörpern mindestens zwölf Monate.
Kernfrage Nr. 2: Wann und wie können febrile Neutropenien ambulant behandelt werden?
Prinzipiell ist eine ambulante Versorgung bei Niedrigrisiko-Patienten mit febriler Neutropenie aus mehreren Gründen wünschenswert: Der Patient kann in seiner gewohnten Umgebung bleiben, Infektionen mit multiresistenten Keimen werden vermieden und es spart auch Geld.
Die MASCC-Kriterien, an denen sich viele Kollegen bei der Risikoabschätzung orientieren, haben sich zwar bewährt, sind aber in die Jahre gekommen. Die AGIHO* hat sie deshalb um einige Aspekte ergänzt. Prüfen sollte man diese bei neutropenen Patienten mit Fieber unklarer Genese, die im MASCC-Score mindestens 21 Punkte erreichen:
- Medizinische Versorgung gewährleistet
- Patient lebt nicht alleine und ist telefonisch erreichbar
- Klinik mit infektiologischer und onkologischer Kompetenz in einer Stunde erreichbar
- Orale Medikation möglich, Compliance gesichert
- Patient bei vollem Bewusstsein, versteht die Lage
- Keine Prophylaxe mit Fluorchinolonen
- Kreislauf stabil
- Keine Zeichen von Organversagen, Infektion oder Schock
Können all diese Fragen positiv beantwortet werden, ist eine ambulante Therapie statthaft. Empfohlen werden AmoxiClav plus Ciprofloxacin. Hat der Patient nach 72 bis 96 Stunden immer noch Fieber und eine Neutropenie, muss er stationär eingewiesen werden.
* Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie und Onkologie
Quelle: Sandherr M et al. Ann Hematol. 2015; 94: 1441–1450
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