Leitlinien-Update zur thorakalen Aortendissektion Typ A

Dr. Elke Ruchalla

Im Verlauf geht eine Typ-A-Dissektion (rote Pfeile) fast immer mit einem Perikarderguss einher (blauer Pfeil). Im Verlauf geht eine Typ-A-Dissektion (rote Pfeile) fast immer mit einem Perikarderguss einher (blauer Pfeil). © wikimedia/James Heilman, MD

Hinter akutem stechendem Thoraxschmerz steckt häufig ein Myokardinfarkt – aber eben nicht immer. Fragen Sie den Patienten unbedingt, ob der Schmerz wandert, um eine Typ-A-Dissektion als herzchirurgischen Notfall nicht zu übersehen.

Grundsätzlich kann jedes Organsystem von den Auswirkungen einer akuten Typ-A-Aortendissektion betroffen sein, heißt es in der neuen S2k-Leitlinie zum Thema. Koronare Malperfusionen z.B. kommen wie ein ST-Hebungsinfarkt daher, was oft zu einer verzögerten Diagnose führt. Doch im Gegensatz zum Herzinfarkt verändert sich der Schmerz bei der Dissektion, da sich die Disruption der Gefäßwand fortsetzt.

Von Entries und Reentries

Eine Aortendissektion beginnt nahezu immer mit einem Riss der Gefäßintima. Inbesondere dessen Lokalisation (primäres Entry) bestimmt das Ausmaß und den klinischen Verlauf. Die Läsion setzt sich in die Tunica media fort. Dort trennen sich die Wandschichten und es entsteht ein wahres und mindestens ein falsches Lumen. Zwischen den Lumina gibt es oft Kommunikationen, die früher eher verwirrend als „multiple (Re-)Entries“ bezeichnet wurden, heißt es in der Leitlinie. Bei der Typ-A-Dissektion ist definitionsgemäß die Aorta ascendens mitbetroffen, unabhängig davon, ob die Disruption hier begonnen oder sich aus der Descendens retrograd ausgebreitet hat. Entsprechend kann neben dem primären ein proximalstes Entry existieren, was therapeutisch berücksichtigt werden soll. In anterograder Richtung findet das Blut irgendwann – im Extremfall sogar erst im Oberschenkelbereich – zurück ins ursprüngliche Gefäßlumen (distales Entry).

Charakteristischerweise klagen Betroffene über plötzliche stechende Beschwerden hinter dem Brustbein, die erst zwischen die Schulterblätter wandern und dann entlang der Wirbelsäule ins Becken absteigen. Fast immer bildet sich im klinischen Verlauf ein Perikarderguss, der rasch eine Tamponade nach sich ziehen kann. Bei einem hämodynamisch wirksamen Erguss bietet sich initial eine Punktion zur Entlastung an. Diese darf den Transport des Patienten in den OP aber nicht wesentlich verlängern. Schließlich handelt es sich um einen herzchirurgischen Notfall! Die Mortalität liegt ab Ereignisbeginn bei 1–2 % pro Stunde!

Querdurchmesser der Aorta vor dem Ereignis meist normal

Als typischen Risikofaktor nennen die Autoren den Bluthochdruck. Allerdings erleidet nur ein Bruchteil der Hypertoniker eine Dissektion. Darüber hinaus prädisponieren u.a. Aneurysmen des Sinus Valsalvae bzw. der Aorta ascendens oder Varianten der Abgänge aus dem Aortenbogen. Der Querdurchmesser der Aorta ist vor dem Auftreten einer Dissektion meistens im Normbereich. Dessen alleinige Bestimmung sagt also nichts über die Wahrscheinlichkeit eines akuten Risses aus. Eine Gefahr stellen vor allem angeborene Bindegewebserkrankungen dar, es gibt aber auch familiäre Häufungen ohne kausative Genveränderung. In beiden Fällen sowie bei Vorliegen einer bikuspiden Aortenklappe raten die Experten zu einem frühzeitigen prophylaktischen Eingriff.  Erfahrene Untersucher können in der Diagnostik das transthorakale Herzecho nutzen. Ein negativer Befund schließt eine Dissektion jedoch nicht aus. Als Verfahren der Wahl bei stabilen Patienten gilt die CT-Angiographie, optimalerweise EKG-getriggert. Damit lässt sich die exakte Ausdehnung feststellen, nach der sich die OP-Strategie richtet. Pathognomonische Laborwerte gibt es nicht. Erhöhte D-Dimer-Konzentrationen können allerdings auf eine Dissektion hinweisen. Umgekehrt schließt ein Wert von weniger als 0,1 µg/ml die Erkrankung aus.  Steht die Diagnose, erfolgt meis­tens unmittelbar und ohne weitere Maßnahmen (z.B. Herzkatheter) die operative Sanierung. Zurückgestellt werden kann der Eingriff bei limitierenden Grunderkrankungen, die die Lebenserwartung stark einschränken, und bei Patienten, die bereits schwere neurologische Schäden davongetragen haben – vor allem wenn diese im Schädel-CT zu erkennen sind. Besteht dissektionsbedingt ein schweres viszerales oder renales Malperfusionssyndrom, kommt vorrangig eine katheterbasierte Therapie dieser Komplikation infrage. Die Herzchirurgen streben vorrangig den Verschluss des primären (bzw. proximalen) Risses an. Bei 80 % aller akuten Typ-A-Dissektionen liegt dieser in der Aorta ascendens. Meist genügt deshalb ein Ersatz dieses Gefäßabschnitts samt proximalem Aortenbogen mit einer Prothese. In Spezialfällen kann zusätzlich eine Substitution von Aortenwurzel oder eine Eingriffserweiterung im Sinne einer Frozen-Elephant-Trunk-Technik erforderlich sein.

Häufige Kontrollen wegen Aneurysma-Gefahr nötig

Die Nachsorge der Patienten übernimmt ein entsprechendes Zentrum. Im ersten Jahr sollte sich ein Patient zweimal zum Herzecho und zu einer CT/MRT-Untersuchung vorstellen, im weiteren Verlauf einmal jährlich. Grund für diese engmaschige Nachsorge ist die Gefahr, dass an noch nicht behandelten Teilen der Aorta aufgrund der residuellen Dissektion ein therapiebedürftiges Aneurysma entsteht. Diese Spätkomplikation betrifft zwei von fünf Patienten und sollte möglichst frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden. Eine konsequente Blutdruckeinstellung mit einem Betablocker als Basismedikament soll derartigen Aneurysmen vorbeugen.

Quelle: S2k-Leitlinie „Behandlung der Thorakalen Aortendissektion Typ A“, AWMF-Register-Nr. 011/018

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Im Verlauf geht eine Typ-A-Dissektion (rote Pfeile) fast immer mit einem Perikarderguss einher (blauer Pfeil). Im Verlauf geht eine Typ-A-Dissektion (rote Pfeile) fast immer mit einem Perikarderguss einher (blauer Pfeil). © wikimedia/James Heilman, MD
Das Herzecho bietet dem geschulten Auge eine rasche initiale Diagnostik. Zu erkennen ist die Dissektionsmembran (1) nahe der Aortenklappe (2). Das Herzecho bietet dem geschulten Auge eine rasche initiale Diagnostik. Zu erkennen ist die Dissektionsmembran (1) nahe der Aortenklappe (2). © wikimedia/JHeuser