Neue orale Poliovakzine soll pathogene Impfstoffviren stoppen

Dr. Elke Ruchalla

Auch bei Säuglingen war die neue der alten Schluckimpfung nicht unterlegen. (Agenturfoto) Auch bei Säuglingen war die neue der alten Schluckimpfung nicht unterlegen. (Agenturfoto) © Kirill Gorlov – stock.adobe.com

In vielen Ländern gilt der Wildtyp 2 des Poliovirus bereits als ausgerottet. Doch für die weltweite Eradikation der Poliomyelitis sind die gängigen Impfstoffe ungeeignet. Eine neuartige orale Vakzine soll’s richten.

Die Krux mit der oralen Poliovakzine (OPV) sind die Impfstoffviren: Nach der Schluckimpfung kann der Erreger mit dem Stuhl ausgeschieden werden und zu pathogenen Viren „rückmutieren“, erklärt Dr. ­Kimberley ­Thompson von Kid Risk in Orlando. Nach fäkal-oraler Übertragung lösen diese Erreger mitunter dann ihrerseits Poliofälle aus.

Zwar wurde die Schluckimpfung vor fünf Jahren weltweit eingestellt. Das Impfstoffvirus ist aber nicht verschwunden und zirkuliert nach wie vor. Die inaktivierte Polio­myelitisvakzine (IPV), die intramuskulär gegeben wird und keine replikationsfähigen Viren enthält, erzeugt indes keine Immunität im Darm.

Umso wichtiger erscheint die Entwicklung neuer oraler Vakzinen gegen das Virus. Dr. ­Ilse de ­Coster von der Universität Antwerpen und ihre Kollegen haben zwei Impfstoff­kandidaten bei erwachsenen Probanden geprüft. Zum einen testeten sie bereits im Jahr 2016 – also kurz vor dessen Marktrücknahme – die alte orale monovalente Vakzine in einer Phase-4-Kontrollstudie. Für diese Untersuchung hatten 100 Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip eine oder zwei Dosen des OPV-Impfstoffs erhalten.

Auch für Säuglinge und Kleinkinder gut verträglich

Zum anderen untersuchte das Team Ende 2018 und Anfang 2019 in einer Phase-2-Studie mit ­OPV2-c1 und ­OPV2-c2 zwei neuartige orale Vakzinen. Für diese Arbeit waren die Probanden zunächst danach unterteilt worden, ob sie in der Vergangenheit mit der alten Schluckimpfung (Gruppen 1 bis 4, je 50 Personen) oder mittels IPV immunisiert worden waren (Gruppen 5 bis 7). Dann bekamen sie jeweils eine oder zwei Dosen ­OPV2-c1 bzw. ­OPV2-c2. Die bereits mit IPV geimpften Teilnehmer erhielten entweder zwei Gaben ­OPV2-c1, ­OPV2-c2 oder ein Placebopräparat. Jeder Teilnehmer hatte eine vollständige Immunisierung gegen Poliomyelitis hinter sich. Alle getesteten Impfstoffe erwiesen sich als sicher. Schwere und eindeutig mit den Arzneistoffen verbundene Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet­. Zu Studienbeginn war der Großteil der Teilnehmer seropositiv, sodass ein Vergleich der Immunogenität der Vakzinen nicht sinnvoll war.

Mit einem ähnlichen Studien­design untersuchten Dr. ­Xavier ­Saéz-Llorens vom Hospital del Niño Dr. José Renan Esquivel in Panama City und Kollegen fast 600 Säuglinge im Alter von 18 bis 22 Wochen und 150 Kleinkinder zwischen einem und vier Jahren. Auch diese Probanden vertrugen die Immunisierung mit den neuen Wirkstoffen gut. 28 Tage nach der ersten Dosis von der alten OPV bzw. den beiden Kandidatenimpfstoffen waren alle Kleinkinder seropositiv, bei den Säuglingen lagen die Raten je nach verabreichter Dosis zwischen 91 % und 95 %. Die Prüfvakzine waren der alten Schluckimpfung demnach nicht unterlegen.

Quellen:
1. Thompson KM. Lancet 2021; 397: 2-3; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)32629-5
2. De Coster I et al. A.a.O.: 39-50; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)32541-1
3. Saéz-Llorens X et al. A.a.O.: 27-38; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)32540-X

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