Neuer Biomarker für die Antikoagulation?

Manuela Arand

Geraten Kardiomyozyten unter Stress, schütten sie den Growth-Differentiation Factor 15 aus. Geraten Kardiomyozyten unter Stress, schütten sie den Growth-Differentiation Factor 15 aus. © iStock.com/tussik13

Der Growth-Differentiation Factor 15 (GDF-15) dürfte einen interessanten Biomarker für Kardiologen abgeben. Er identifiziert Patienten, die zu Blutungen neigen und deshalb mit Vorsicht antikoaguliert werden müssen.

GDF-15 wird u.a. von Kardio­myozyten als Reaktion auf Stress ausgeschüttet, etwa bei Ischämie oder Infarkt. Tests an gesunden älteren Menschen haben 1200 ng/l als oberen Grenzwert ergeben. Das Zytokin kann beispielsweise unter Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) jene herausfischen, die von einer invasiven Maßnahme profitieren, erklärte Professor Dr. Kai Wollert von der Medizinischen Hochschule Hannover.

In der FRISC-II-Studie, die 2000 Patienten mit ACS ohne ST-Streckenhebung einschloss, schnitt die konservative Strategie – gemessen an Tod und Infarkt nach zwei Jahren – umso schlechter ab, je höher der GDF-15-Spiegel war. Bei konservativ Behandelten mit einem initialen GDF-15 über 1800 ng/l lag das Risiko fast doppelt so hoch wie bei invasiv therapierten Patienten mit einer derartigen Erhöhung. Es stellt sich also die Frage, ob es diesen zusätzlichen Marker braucht.

Test kostet etwa doppelt so viel wie der auf NT-proBNP

Zwar hielte sich der Aufwand in Grenzen, denn hochsensitiv gemessenes Troponin (hs-Tn), natriuretische Peptide und GDF-15 können in ein und derselben Blutprobe bestimmt werden. Aber der Test auf GDF-15 kostet etwa doppelt so viel wie der auf NT-proBNP. Und hs-Tn und klinische Parameter reichen eigentlich aus, um pro oder kontra invasive Abklärung zu entscheiden. Auch Prof. Wollert bezweifelt, dass GDF-15 mit dieser Indikation einen Zusatznutzen bietet.

Weshalb es sich trotzdem lohnen könnte, den Parameter zu messen, ist die Tatsache, dass er Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko zuverlässig erkennt. Nachanalysen der NOAK-Studien RE-LY (Dabigatran) und ARISTOTLE (Apixaban) haben ergeben, dass GDF-15 der stärkste Prädiktor schwerer Blutungen unter Antikoagulation ist, noch vor Troponin, Alter, Hämoglobin und vorangegangenen Blutungen. Bei ACS-Patienten könnte der Biomarker also die Entscheidung beeinflussen, wie und wie lange nach Stentimplantation die Plättchenhemmung fortgeführt wird. Für Patienten mit Vorhofflimmern wurde bereits ein Score entwickelt, um das Blutungsrisiko abzuschätzen. Er heißt ABC:

  • Alter
  • Biomarker (GDF-15, Tn, Hb)
  • Clinical History (Blutungs- anamnese)

Ersetzt man bei den Biomarkern GDF-15 und Hb durch NT- proBNP und in der Anamnese Blutung durch Schlaganfall, wird ein Score fürs Schlaganfallrisiko daraus. In beiden Varianten erwies sich ABC als treffsicherer als die gängigen Scores HAS-BLED und CHA2DS2-Vasc. Gerade ist die Studie ABC AF mit 5800 Patienten mit Vorhofflimmern angelaufen, die zeigen soll, ob sich eine Score-geleitete individualisierte Therapie lohnt.

Prof. Wollert hofft, dass der Score helfen wird, den Untergebrauch an oraler Antikoagulation zu verringern. Dass dies dringend nottut, belegen Ergebnisse einer europäischen Registerstudie. Von 94 000 Patienten, die bei bekanntem Vorhofflimmern einen Schlaganfall erlitten, waren mehr als 80 % nicht anti­koaguliert. Hauptgrund: das vermeintlich hohe Blutungsrisiko.

Herzinsuffizienz-Therapie senkt Biomarker nicht

Übrigens weisen auch Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz erhöhte GDF-15-Werte auf. Die Spiegel sind sogar höher als bei anderen kardiologischen Krankheitsbildern, am höchsten bei akuter Herzinsuffizienz. Sie korrelieren mit der Prognose, dass Patienten mit den höchsten Werten die schlechtesten Überlebenschancen haben. Die gängigen Therapien senken diesen Biomarker nicht. Offenbar spielen sich prognostisch relevante Prozesse ab, welche die übliche Medikation nicht erreicht, meinte Prof. Wollert.

Quelle: DGK Herztage 2018

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