Och nö, Dyspnoe: Atemnot lässt sich schnell abklären

Dr. Sascha Bock

Für eine Dyspnoe gibt es etliche Ursachen. Für eine Dyspnoe gibt es etliche Ursachen. © Fotolia/RFBSIP

Jemand aus der Nachbarschaft ruft Sie abends an und sagt, seine Frau bekomme so schlecht Luft. Er bittet um einen kurzen Hausbesuch. Bevor Sie sich jetzt Ihren Arztkoffer schnappen und rübereilen, sollten Sie zunächst mit der Patientin selbst sprechen. Damit ist der erste diagnostische Schritt schon getan.

Pulmonal, kardial, psychogen – für eine Dyspnoe gibt es etliche Ursachen. Um die möglichen Auslöser an einer Hand abzählen zu können, benötigen Sie aber nur wenige Fragen und einen ersten Blick auf den Patienten, erklärte Dr. Wolfgang Tonn, Allgemeinmediziner und Notarzt aus Heidelberg. Zunächst kommt es darauf an, die Dringlichkeit einzuschätzen. Und das gelingt bereits telefonisch. Leiden Patienten unter Atemnot, meldet sich i.d.R. ein Familienmitglied beim Notdienst, in der Praxis oder womöglich bei Ihnen zu Hause.

In 5–10 Sekunden haben Sie die Hälfte aller Infos

Bitten Sie dann unbedingt den Betroffenen ans Telefon – auch wenn der Angehörige einräumt, dieser könne schlecht sprechen. Hören Sie z.B. ein ausgeprägtes Giemen, ist direkt Unterstützung durch einen Notarzt gefragt.

Beim Patienten angekommen, reichen fünf bis zehn Sekunden aus, um die Häfte aller relevanten Informationen zu sammeln, so die Erfahrung des Kollegen. In 50 % der Fälle habe man durch einfaches „sehen, hören, fühlen“ auch gleich schon die Diagnose. Dr. Tonn schüttelt jedem Patienten mit Dyspnoe zunächst die Hand. Dabei achtet er auf Hauttemperatur, Schweiß und Stärke des Händedrucks, um den Allgemeinzustand zu beurteilen.

Der erste Blick sollte auf die Stirn des Betroffenen fallen. Schwitzt er, kommen von den unzähligen Möglichkeiten nur noch wenige in Betracht. Warmer Schweiß spricht für eine Pneumonie und sollte eine rektale Fiebermessung nach sich ziehen. Bei kaltem Schweiß könnte ein Schock vorliegen und es muss zügig der Blutdruck bestimmt werden.

Beinödeme nur kurz eindrücken reicht nicht aus

Auch Augen und Gesichtsfarbe verraten viel über die mögliche Dyspnoe-Ursache. Sind die Pupillen weit oder eng (Drogen, Opiate)? Ist das Gesicht blass (oft bei Myokardinfarkt)? Besteht eine Lippenzyanose? Letzteres signalisiert immer Gefahr, betonte Dr. Tonn. Atmet der Patient gleichzeitig schnell, müssen Sie umgehend den Notarzt hinzualarmieren, es könnte sich u.a. um eine fulminante Lungenembolie handeln. Inspektion und Palpation der Beine gehören ebenfalls zur gezielten Diagnostik. Einseitige Ödeme weisen auf eine Thrombose bzw. Lungenembolie hin, beidseitige auf Lungen­ödem und Herzinsuffizienz. Um eine Delle als Zeichen der kardialen Stauung zu erkennen, genügt es nicht, die Haut kurz einzudrücken. Der Kollege empfiehlt, mit dem Daumen ca. 20 Sekunden lang fest zu drücken.

Die Anamnese beruht immer auf der Überlegung, was bei den vorliegenden Symptomen das gefährlichste und was das häufigste sein könnte. Initial genügen daher fünf Fragen:

  • Ist eine Lungen- oder Herzerkrankung bekannt?
  • Hatten Sie schon einmal eine derartig ausgeprägte Atemnot? Wenn ja, liegt meis­tens die gleiche Ursache zugrunde.
  • Haben Sie Husten, Auswurf oder Fieber?
  • Hat die Atemnot plötzlich begonnen (akut auftretende Dyspnoe z.B. bei Lungenembolie, Herzinfarkt, Pneumothorax)?
  • Haben Sie Schmerzen/Druck/Enge im Brustkorb?

Nun ist es an der Zeit, das Stethoskop zu zücken und – falls vorhanden – ein Pulsoxymeter anzulegen (s. Kasten). „Sie müssen nur vergessen, was im Lehrbuch steht“, so Dr. Tonn. Denn fast alle auskultierbaren Pathologien finden sich im unteren Lungenbereich. Also unten anfangen und auf die vier wichtigsten Punkte beschränken: Erst basal parallel zur Wirbelsäule beidseits abhören, dann weiter lateral (ungefähr hintere Axillarlinie) links mit rechts vergleichen. Um Geräusche besser zu erkennen, hilft es, beim Auskultieren die Augen zu schließen.

Tipps zur Interpretation der O2-Sättigung

Allgemein:
  • gesund: ca. 94–99 %
  • alter, gesunder Mensch: ca. 92–99 %
  • chronische Lungen-/Herzerkrankung: 90–99 %
Im Notfall:
  • < 93 %: Klinikeinweisung erwägen
  • < 90 %: RTW rufen, beim Patienten bleiben
  • < 85 %: Notarzt rufen

Ausschmückende Beschreibungen wie feinblasiges Knistern oder Ähnliches können Sie sich sparen. In der Akutsitutation müssen Sie laut Dr. Tonn nur einen Normalbefund von pathologischen Rasselgeräuschen abgrenzen und zwischen in- und exspiratorisch unterscheiden. Bei einem inspiratorischen Rasseln befindet sich Flüssigkeit in den Alveolen (Pneumonie, Lungenödem), ein exspiratorisches Atemgeräusch zeigt ein Problem in den Bronchien an.

Blutdruck messen und Herzfrequenz auskultieren

„Alle gefährlichen kardialen Erkrankungen können ausschließlich mit einer Atemnot einhergehen“, erinnerte der Kollege. Deshalb muss bei Patienten mit Dyspnoe routinemäßig der Blutdruck gemessen und die Herzfrequenz am Herzen auskultiert werden. Jede Atemnot unklarer Ursache – auch bei jungen, vermeintlich gesunden Personen – gilt es, stationär abzuklären, um keinen Herzinfarkt und keine Lungenembolie zu übersehen. Ebenso erfordern Hyperventilationen, die nicht sicher psychisch bedingt sind, eine weiterführende Diagnostik im Krankenhaus.

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Für eine Dyspnoe gibt es etliche Ursachen. Für eine Dyspnoe gibt es etliche Ursachen. © Fotolia/RFBSIP