Osteoporose: „Die beste Lebensversicherung ist ein starker Quadrizeps“

Dr. Susanne Gallus

Jeder 100. Sturz von unter 70-jährigen Personen führt laut Statistiken zu einem Oberschenkel­halsbruch. Jeder 100. Sturz von unter 70-jährigen Personen führt laut Statistiken zu einem Oberschenkel­halsbruch. © stockdevil – stock.adobe.com

Auch die Osteoporose von Gebrechlichen muss behandelt werden. Doch vor lauter Medikamenten dürfen Vitamin-D- und Kalziumversorgung sowie die Physiotherapie nicht vergessen werden, erinnern zwei Kollegen.

Das Mortalitätsrisiko steigt insbesondere nach den osteo­porosetypischen Frakturen, betonte Dr. Friederike­ Thomasius­ vom Frankfurter Hormon und Osteoporosezentrum. Eine Therapie stehe für sie und ihren Kollegen Professor Dr. Lorenz Hofbauer vom Universitätsklinikum Carl Gus­tav Carus an der TU Dresden bei gebrechlichen Patienten außer Frage.

Bevor man aber spezifisch mit Antikörpern oder Bisphosphonaten loslegt, ist eine genaue Ana­m­nese obligat. Berücksichtigt man nicht alle modulierbaren Faktoren, verringert man nur einen Teil des Frakturrisikos, betonte die Expertin. „Die meisten Patienten nehmen nicht genug Kalzium mit dem Essen auf“, erklärte sie. Über die Ernährung sollten es täglich etwa 1000 mg des Mineralstoffes sein, viele kommen noch nicht einmal auf die Hälfte. Am besten lässt sich die täglich zugeführte Kalziummenge über eine Ernährungsanamnese einschätzen. Bevor sich der Serumspiegel für Kalzium reduziert, wurde meist vorher schon die Knochenreserve mobilisiert.

Wen schicke ich zur Knochendichtemessung?

In den Leitlinien werden 40 verschiedene Konstellationen genannt, die das individuelle Frakturrisiko erhöhen und dadurch eine Knochendichtemessung rechtfertigen, berichtete Dr. Thomasius gegenüber Medical Tribune. Dazu gehören kürzlich erlittene „typische“ Frakturen der Wirbel ohne erkennbares Trauma, Oberschenkelhalsbrüche oder eine Steriodtherapie mit > 7,5 mg Prednisolon­äquivalent/Tag über mehr als drei Monate. Weitere Komorbiditäten, bei denen eine DXA*-Messung empfohlen wird, sind: * Duale Röntgenabsorptiometrie an Hüfte und/oder L1–4 der LWS

500 mg Kalzium am Tag sind fürs Herz unproblematisch

Eine dauerhafte Substitution sei in der Regel unproblematisch: Wenn man jemanden mit 300 bis 400 mg Kalzium mit zusätzlichen 500 mg/Tag als Einzeldosis substituiert, kommt der nicht in den kardio­vaskulär bedenklichen Bereich (2000 mg/Tag), beruhigt die Expertin besorgte Kollegen. Auch bezüglich des Sonnenvitamins sind fast alle Menschen über 70 Jahre unterversorgt. Deshalb empfehlen die Leitlinien ab diesem Alter ganzjährig die Substitution mit 1000 IE Cholecalciferol. Insbesondere bei älteren und eventuell vergesslichen Patienten kann eine Depotgabe sinnvoll sein, erklärte Prof. Hofbauer. Allerdings nur dann, wenn sie diese Termine dann nicht auch vergessen. Die aktive Form des Vitamins verordnen beide Experten immer nur in Rücksprache mit einem Nephrologen. Sind Vitamin-D-Level und Kalziumversorgung ermittelt, spricht nichts mehr gegen den Therapiestart. Eine Knochendichtemessung wird zwar von vielen Kostenträgern für die Erstattung gefordert, kann aber bei Gebrechlichen mit typischen Brüchen laut Leitlinie entfallen, so Prof. Thomasius.

Anti-RANKL-Antikörper bei Niereninsuffizienz möglich

Insbesondere in dieser Gruppe müssen bei der Auswahl der Therapie allerdings Pharmakokinetik sowie Wirkprofil und -mechanismus, mögliche Wechselwirkungen (z.B. potenzielle Toxizität bei Prednisolon und NSAR) berücksichtigt werden, betonte Prof. Hofbauer. Bei Niereninsuffizienz kann man beispielsweise spezifische Antikörper gegen den RANK-Liganden einsetzen. „Wir können auch mit dem bes­ten Osteoporosemedikament nicht alle Frakturen verhindern“, gab er aber zu bedenken. Therapeutisch ist insbesondere im Alter die Sturzprävention essenziell.

Modulierbare Faktoren

  • Sturzassessment (Wohn­situation)
  • Augen- und Ohrencheck
  • Untergewicht
  • Muskulatur (Kraft/Koordination)
  • Kalziumzufuhr (mind. 800 mg)
  • Vitamin-D-Zufuhr
  • osteoporose- oder sturzförderne Medikamente
  • Schutz durch Hüftprotektoren (verhindern ca. 40 % der Hüftfrakturen)

Eine Fraktur bedeutet nicht, dass die Therapie versagt hat

„Die beste Lebensversicherung älterer Menschen ist ein starker Quadrizeps“. Und Statistiken zufolge führt schon bei Personen unter 70 Jahren jeder 100. Sturz zu einem Oberschenkelhalsbruch, erinnerte seine Kollegin. Gleichzeitig bedeutet das auch, dass ein Bruch kein Therapieversagen darstellt und folglich kein Grund ist, die spezifische Therapie abzusetzen. Dennoch gibt es durchaus Situationen, in denen eine Deeskalation sinnvoll sein kann, z.B. wenn durch Demenz adäquate Medikation und Monitoring nicht mehr gewährleistet sind, ein fortgeschrittenes Krebsleiden besteht oder die Lebenserwartung unterhalb von drei bis sechs Monaten liegt, erklärte Prof. Hofbauer.

Quelle: 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

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Jeder 100. Sturz von unter 70-jährigen Personen führt laut Statistiken zu einem Oberschenkel­halsbruch. Jeder 100. Sturz von unter 70-jährigen Personen führt laut Statistiken zu einem Oberschenkel­halsbruch. © stockdevil – stock.adobe.com