Palliativversorgung ist für alle da!

Friederike Klein

COPD-Patienten sterben noch zu oft im Akutkrankenhaus. COPD-Patienten sterben noch zu oft im Akutkrankenhaus. © fotolia/ChantalS

80 % der Patienten, die eine palliative Betreuung erhalten, haben Krebs. Palliative Sorge umfasst aber alle, die von einer lebensbedrohlichen Erkrankung betroffen sind – auch solche mit COPD oder multimorbide alte Menschen, die sich am Lebensende befinden.

Laut Statistischem Bundesamt starb im Jahr 2015 jeder Vierte an Krebs, 39 % aber an Krankheiten des Kreislaufsystems und 7 % an solchen der Atemwege. In der palliativmedizinischen Versorgung spiegelt sich das aber nicht wider. Es gibt viele Gründe, warum Patienten mit einer anderen lebensbedrohlichen Erkrankung als einem Tumorleiden kaum palliativmedizinisch betreut werden, erklärte Professor Dr. Claudia Bausewein von der Klinik für Palliativmedizin der LMU München:

  • Patienten assoziieren Palliativmedizin ausschließlich mit Krebs.
  • Bei nicht onkologischen Erkrankungen zögern Ärzte und Pflegekräfte stärker, eine mögliche Pallia­tivversorgung mit dem Patienten zu besprechen.
  • Die Prognose ist oft schwieriger einzuschätzen. Die Krankheitsverläufe sind länger und gehen mit einer kontinuierlichen Verschlechterung oder – z.B. bei der COPD – mit Exazerbationen einher. Vorherzusagen, in welcher Exazerbation der Patient sterben wird, ist schlecht möglich.
  • Gesundheitswesen und Kostenträger sind häufig noch nicht bereit für die Öffnung der palliativen Versorgung für alle lebensbedrohlich erkrankten Patienten.

Das Leiden zählt, nicht die Erkrankung

Gerade bei der fortgeschrittenen COPD stehen die Krankheits- und Symptomlast, die Belastung der ganzen Familie und die positiven Effekte einer palliativmedizinischen Versorgung denen bei einer Krebserkrankung in nichts nach. Doch noch immer sterben die betroffenen Patienten im Akutkrankenhaus – insbesondere wenn weitere Erkrankungen hinzukommen. „Fast alle Patienten mit weit fortgeschrittener COPD sind multimorbid“, betonte Prof. Bausewein.

Neue Abrechnungsziffer für palliativmedizinische Versorgung

Mit der am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Vereinbarung zur besonders qualifizierten und koordinierten palliativmedizinischen Versorgung gibt es eine Abrechnungsziffer für die allgemeine palliative Versorgung im ambulanten Bereich. Ab 1. Juli 2017 soll sie mit einer Vergütung hinterlegt werden. „Fragen Sie bei Ihrer KV nach“, riet Dr. Dietrich Wördehoff, Palliativmediziner aus Saarbrücken. Bei Schwierigkeiten mit Krankenkassen und MDK gebe es inhaltliche und im Zweifel auch juristische Unterstützung durch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin.

Sie plädiert für eine palliative, an der Intensität der Krankheitslast und des Leidens orientierte Versorgung zusätzlich zur kompetenten Betreuung durch den Pneumologen und Hausarzt. Dadurch könne nicht nur das Leiden gelindert, sondern auch frühzeitig das Lebensende vorausgeplant werden. Hilfreich ist dabei das SENS-Modell mit den vier Aspekten
  • Symptomkontrolle (medizinische Versorgung),
  • Entscheidungsfindung (für Situa­tionen mit eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit),
  • Netzwerkorganisation (wer aus dem Umfeld kann wann wie unterstützen?),
  • Support (Unterstützung der Angehörigen).
Den Patienten soll ermöglicht werden, sich gegen Hilflosigkeit, Angst und Stress zu wappnen, erläuterte Prof. Bausewein. Wie notwendig diese auch als Advanced Care Planing bezeichnete Vorausplanung ist, zeigt ihrer Erfahrung nach, dass viele Patienten mit Lungenerkrankungen am Lebensende noch beatmet werden, obwohl sie das nicht wollen. In München bietet die Kollegin eine Atemnotambulanz als niederschwelliges Angebot der Unterstützung an.

Ob bei schwer kranken Patienten mit COPD oder multimorbiden alten Menschen am Lebensende – derzeit sei es schwer, Genehmigungen für eine spezialisierte ambulante palliative Versorgung (SAPV) bei den Kostenträgern zu erhalten. Kos­tenträger und Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK) hätten noch nicht verstanden, dass sich die palliative Versorgung und ihre Konzepte weiterentwickelt haben. Dafür spricht auch, dass die SAPV auf die Sterbephase reduziert wird und nicht früher ansetzt.

Kollege nimmt die Rolle des Vorkämpfers an

Dr. Christoph Gerhard, Arzt für Palliativmedizin und Vorsitzender des Ethikkomitees des Katholischen Klinikums Oberhausen, setzt auf Hartnäckigkeit gegenüber Krankenkassen und MDK: „Ich mache mir ein Hobby daraus, Anträge zu stellen und Widersprüche einzulegen, wenn aufgrund der Symptomlast und des psychosozialen Versorgungsbedarfs bei multimorbiden Patienten eine palliative Versorgung notwendig ist. Wir sind da in einer Vorkämpferrolle!“

Die allgemeine palliative Versorgung ist aber keineswegs nur ein Thema für Spezialisten, betonte Prof. Bausewein. „Sie ist eine Aufgabe aller!“ Deshalb plädierte sie für eine engere Kooperation beispielsweise mit Hausärztenetzen und kassenärztlichen Vereinigungen. Sie schätzt, dass bei einem breiteren Angebot allgemeiner palliativer Versorgungsmöglichkeiten nur 10–20 % der Patienten tatsächlich einen Spezialisten brauchen.

Quelle: 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 

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COPD-Patienten sterben noch zu oft im Akutkrankenhaus. COPD-Patienten sterben noch zu oft im Akutkrankenhaus. © fotolia/ChantalS