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Physische und psychische Aspekte sollten berücksichtigt werden

Typischerweise stellen sich Patienten mit langsam oder schlecht heilenden Hautläsionen vor und berichten über Juckreiz oder stechende, beißende, kriechende oder krabbelnde Sensationen. Gleichzeitig sind sie überzeugt, dass ihre Haut mit unbelebten Objekten – meist Fasern – infestiert ist, die aus den Läsionen herauswachsen. Häufig kommen Fatigue, Gelenkschmerz, kardiale Komplikationen, kognitive Probleme und/oder Neuropathien hinzu.
Wissenschaftler aus den Bereichen Dermatologie, Psychiatrie und Infektiologie haben den aktuellen Wissensstand zu Morgellons zusammengefasst. Demnach wurde Morgellons erstmals Anfang der 2000er von einer Mutter bei ihrem Sohn beschrieben. Die aktuelle wissenschaftliche Literatur ist kontrovers und besteht überwiegend aus Fallberichten bzw. Fallberichtserien aus englischsprachigen Ländern.
Nach großer medialer Aufmerksamkeit in den USA hatte das CDC 2012 eine Untersuchung mit 115 Betroffenen veröffentlicht. Demnach wird die Prävalenz dort auf 3,56 pro 100.000 Einwohner geschätzt, mit einer höheren Inzidenz bei Frauen und bei kaukasischer Abstammung. Von einigen Teilnehmenden hatte man Hautbiopsien untersucht, in denen z.T. Abschürfungen (Exkoriationen) sichtbar waren. Bei gefundenem körperfremdem Material handelte es sich i.d.R. um Baumwollfasern, bei denen davon auszugehen war, dass sie als Kontamination von der Kleidung in die Läsion gelangt waren. Eine infektiologische Genese ließ sich immer ausschließen.
Nach Aussage der Autoren könnte Morgellons mit psychiatrischen Komorbiditäten und/oder Substanzmissbrauch zusammenhängen, wobei die Evidenz schwach ist und sich eine Kausalität nicht belegen lässt. Einige Experten vermuten hinter Morgellons eine Variante des Dermatozoenwahns, aber auch in diesen Fällen ist die Datenlage mau.
Einen zuweilen postulierten Zusammenhang mit einer Lyme-Borreliose schließen die Autoren basierend auf der derzeitigen Literatur aus. Wie sie weiter schreiben, wird Morgellons mitunter als „internetübertragene Krankheit“ gesehen. Auch wenn sich Betroffene über Foren gegenseitig unterstützen können, bergen Onlineportale das Risiko, dass Patienten sich basierend auf den geposteten Berichten mit OTC-Präparaten selbst behandeln. Erschwerend kommt hinzu: Vereinzelt halten Patienten biologische Kriegsführung, Nanotechnologie und sogar außerirdisches Leben für die Ursache ihrer Beschwerden.
Mit Antipsychotika sind Behandlungserfolge möglich
Nach Meinung der Autoren dürfte ein patientenzentrierter Behandlungsansatz, der physische und psychische Aspekte umfasst, am ehesten zielführend sein. Wie sie ausführen, konnte gemäß einem aktuellen Review eine Symptomlinderung mit niedrig dosierten Antipsychotika der 2. Generation (Risperidon, Amisulprid, Olanzapin, Aripiprazol, Quetiapin) erzielt werden.
Allerdings bestehe die Schwierigkeit darin, zu den Betroffenen so ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, dass diese bereit sind, eine solche Behandlung zu akzeptieren. Die Autoren raten, die Diagnose offen zu kommunizieren und die Therapie anhand des derzeitigen medizinischen Wissens zu erläutern. Lehnen die Patienten die Therapie ab, kann man ein aktives Follow-up anbieten oder die Überweisung an eine psychodermatologische Abteilung.
Auf jeden Fall sollte man die Sorgen der Betroffenen ernst nehmen, da Stress und Unwohlsein dazu führen können, dass sich die Patienten abschotten und in der Folge Angstzustände, eine Depression o.Ä. entwickeln. Hilfreich in diesem Zusammenhang kann sein, für die Beschwerden entsprechend geeignete Topika zu empfehlen.
Quelle: Kemperman PMJH et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2024; DOI: 10.1111/jdv.19831
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