Polypen: Analgetika-Intoleranz-Syndrom mit Analgetikum deaktivieren

Dr. Elke Ruchalla/Kathrin Strobel

Nach der Desaktivierung müssen die Polypen nur noch etwa alle neun Jahre operativ entfernt werden. Nach der Desaktivierung müssen die Polypen nur noch etwa alle neun Jahre operativ entfernt werden. © fotolia/Africa Studio

Kaum sind die Nasenpolypen abgetragen, haben sich auch schon neue entwickelt – typisch für Patienten mit Analgetika-Intoleranz-Syndrom. Um die Erkrankung aufzuspüren, braucht es vor allem eine gute Anamnese.

Die Intoleranz gegenüber Acetylsalicylsäure und nicht-steroidalen Antirheumatika ist keineswegs selten. Laut US-Studien liegt die Prävalenz unter Asthmapatienten bei etwa 7,2 %. Betrachtet man nur die schweren Asthmatiker, steigt sie auf knapp 15 %. Charakteristisch sind geschwollene Schleimhäute von Nase und Nebenhöhlen und Nasenpolypen, die zu perennialer Rhinorrhö, chronisch verstopfter Nase und Anosmie führen. Dazu kommt in fast jedem Fall ein Asthma.

Im Gegensatz zu Patienten mit identischen Symptomen geben Analgetikaintolerante zusätzlich akute Atemprobleme innerhalb von 90 Minuten nach der Einnahme von ASS oder NSAR an. Typisch sind auch Hypersensitivitätsreaktionen der Atemwege nach Genuss alkoholhaltiger Getränke, allen voran Rotwein und Bier. Weitere, weniger häufige Akutsymptome sind Übelkeit, Bauchschmerzen, Flush und Urtikaria, schreiben Dr. Andrew White und Dr. Donald Stevenson von der Abteilung für Allergie, Asthma und Immunologie der Scripps Clinic in San Diego.

Meist zeigen sich die ersten Zeichen des Analgetika-Intoleranz-Syndroms (AIS) in der späten Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter – das mediane Alter bei Erstmanifestation beträgt 30 Jahre. Bei jedem zweiten Betroffenen ging den Beschwerden eine Virusinfektion voraus. Schwere und Progressionsgeschwindigkeit variieren erheblich. Mal sind nur die oberen Atemwege betroffen, mal liegen schweres Asthma und Rhinosinusitis mit Remodeling der Atemwege vor. Ob ein Patient unter einem AIS leidet, ergibt sich aus der typischen Anamnese, dem CT der Nasennebenhöhlen – ein normaler Sinus-Befund schließt ein AIS aus – und der Provokation mit ASS.

Symptombezogene Therapien lassen sich aus den Leitlinien zu Asthma und chronischer Sinusitis ableiten. Als einzige kausale Behandlung gilt derzeit die adaptive Desaktivierung, die innerhalb von drei bis vier Wochen nach der ersten Polypenresektion starten sollte. Über ein bis drei Tage erhält der Patient steigende Dosen von ASS, beginnend mit ca. 40 mg bis zu einer Zieldosis von 325 mg. Während dieser Zeit werden die medikamenteninduzierten Reaktionen in der Regel kontinuierlich schwächer und kürzer. Nach Erreichen der Zieldosis sollten dann gar keine Hypersensitivitätsreaktionen mehr auftreten. Auf die Desaktivierung folgt eine Dauertherapie mit 325–650 mg ASS zweimal täglich. Behandlungsprotokolle, Anfangs- und endgültige Dosen variieren in der Literatur – es existieren bislang keine einheitlichen Empfehlungen zur optimalen oder zur maximalen Erhaltungsdosis, schreiben die beiden Autoren.

Kurzzeitige ASS-Pause setzt Teufelskreis wieder in Gang

Auf alle Fälle muss der Patient wissen, dass die konsequente ASS-Einnahme essenziell ist, um die Toleranz zu erhalten. Schon kurzzeitige Unterbrechungen können den Teufelskreis erneut in Gang setzen. Pausen, die 48 Stunden nicht überschreiten, führen erfahrungsgemäß zu keinem Rückfall. Die unter Langzeittherapie möglichen Komplikationen wie gast­rointestinale Ulzera und Blutungen erfordern ggf. die Gabe von Magenschutzpräparaten.

Was durch die Desaktivierung erreicht werden kann, zeigte eine große Studie bereits in den 90er-Jahren: Mussten sich die AIS-Patienten ihre Nasenpolypen vor der Therapie noch durchschnittlich alle drei Jahre entfernen lassen, war die OP nach der Desaktivierung nur noch etwa alle neun Jahre notwendig.1 Allerdings ist die Desaktivierungstherapie „nichts für Anfänger“, warnen die Experten. Sie könne zu lebensbedrohlichen respiratorischen Komplikationen führen und sollte daher nur in erfahrenen Zentren erfolgen.

Quelle: White AA, Stevenson DD. N Engl J Med 2018; 379: 1060-1070

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Nach der Desaktivierung müssen die Polypen nur noch etwa alle neun Jahre operativ entfernt werden. Nach der Desaktivierung müssen die Polypen nur noch etwa alle neun Jahre operativ entfernt werden. © fotolia/Africa Studio