RA und Lupus: Transkutane Vagusstimulation reduziert Schmerz und Fatigue

Dr. Sonja Kempinski

Auch über das Ohr lässt sich der Vagusnerv stimulieren und so Fatigue bessern sowie Schmerzen lindern. Auch über das Ohr lässt sich der Vagusnerv stimulieren und so Fatigue bessern sowie Schmerzen lindern. © iStock/Viktoriya Kuzmenkova

Ob rheumatoide Arthritis oder Lupus erythematodes: Mit den gängigen pharmakologischen Möglichkeiten können viele Betroffene nicht ausreichend gut behandelt werden. Ein neuer Ansatz ist die Vagusstimulation. Und die funktioniert offenbar auch nicht-invasiv über elektrische Impulse am Ohr.

Bei chronischen Autoimmunerkrankungen spielt das autonome Nervensystem eine große Rolle, schreiben Professor Dr. Sara Marsal von der Abteilung für Rheumatologie der Universitätsklinik Vall d´Hebro, Barcelona, und Kollegen.1 So sind bekannterweise vagaler Tonus und parasympathische Signale bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) vermindert. Da liegt es nahe, die Krankheitsaktivität durch eine Vagusstimulation zu beeinflussen. Mit implantierten Geräten glückte das schon. Ob es auch weniger invasiv mit einer Elektrostimulation über die Haut funktioniert, hat das Team um die spanische Rheumatologin nun in einer offenen Proof-of-Concept-Studie untersucht.

30 Patienten, deren RA mit synthetischen DMARDs ungenügend eingestellt war und die bis dato nicht mehr als ein biologisches DMARD dazu bekommen hatten, nahmen teil. Sie sollten zwölf Wochen lang täglich für 30 Minuten ihr Ohr mit einem extra dafür konstruierten, tragbaren Vagusstimulator stimulieren. Dazu bekamen sie ein individuelles Ohrstück angepasst, über das nicht-bemerkbare 20-kHz-Impulse auf vom Ramus auricularis n. vagi afferent versorgte Hautareale übertragen wurden.

Sowohl bei der Eingangsuntersuchung wie bei den Follow-ups nach 1, 2, 4, 8 und 12 Wochen untersuchte man die Patienten in Bezug auf ihre Krankheitsaktivität. Dazu gehörte das Erfassen von DAS*28-CRP, HAQ-DI** und Schlafqualität, die klinische, arthrosonographische und teils kernspintomographische Untersuchung der Gelenke sowie die Bestimmung der Blutwerte, darunter sieben Zytokine. Primärer Endpunkt war die durchschnittliche Veränderung des DAS28-CRP in Woche 12 verglichen mit der Basisuntersuchung.

Über 93 % zufrieden mit der Behandlung

Bei den 27 Patienten, die die Studie abgeschlossen hatten, sank der DAS28-CRP schon nach einer Woche signifikant, in Woche 12 zeigte sich eine durchschnittliche Reduktion von -1,4. Elf der Teilnehmer (37 %) erreichten in Woche 12 einen DAS28-CRP unter 3,2. Sieben (23 %) kamen sogar unter 2,6. Nach den ACR-Kriterien erreichten 16 (53 %) eine 20%ige, 10 (33 %) eine 50%ige und 5 (17 %) sogar eine 70%ige Verbesserung.

In MRT und Arthrosonographie von Hand und Handgelenk ließen sich ebenfalls leichte Verbesserungen von Synovitis, Tendosynovitis und Osteitis nachweisen. Die Bluttests boten weniger Auffälliges: Von den sieben untersuchten Zytokinen sanken nur TNF-alpha und IL-10 signifikant.

Die meisten Patienten zeigten sich mit der Behandlung zufrieden. 93 % gaben eine Verringerung ihrer Beschwerden und eine Verbesserung ihrer Lebensqualität an, viele konnten aufgrund der geringeren Schmerzen deutlich besser schlafen. Nebenwirkungen traten so gut wie keine auf, nur ein Teilnehmer entwickelte durch das Tragen des Stimulators eine oberflächliche Abschürfung am Ohr.

Obwohl die Studie nur klein und nicht placebokontrolliert war, sind dies ermutigende Resultate, konstatieren die Autoren. Ob die transkutane Vagusstimulation tatsächlich eine Therapieoption für RA darstellt, müsse nun mit größeren Patientenkollektiven geprüft werden.

Positive Ergebnisse zeigte die transkutane Vagusstimulation auch bei 18 Lupuspatienten mit muskuloskelettalen Schmerzen ≥ 4 auf der Visuellen Analogskala (VAS), über die Dr. Cynthia Aranow von den Feinstein Institutes for Medical Research, Manhasset, und Kollegen berichten.2 In einem randomisierten, doppelblinden Pilotversuch hatten sie die Effekte im Vergleich zu einer Scheinstimulation getestet.

Bei 10 von 12 Lupuspatienten Fatigue gebessert

An vier aufeinanderfolgenden Tagen bekamen die Patienten entweder echte elektrische Impulse im Hautareal des Ramus auricularis n. vagi oder Scheinstimulationen am (vagusfreien) Ohrläppchen. Außerdem wurden sie sowohl bei der Eingangsuntersuchung sowie an Tag 5 und 12 bezüglich Schmerz, Krankheitsaktivität und Fatigue untersucht.

Der mit der VAS gemessene muskuloskelettale Schmerz sank bei den Teilnehmern, die echte elektrische Impulse erhalten hatten, signifikant stärker als bei den Scheinstimulierten (-5,00 vs. 0,10). Außerdem berichteten zehn der zwölf wirklich Stimulierten, aber keiner im Kontrollkollektiv über eine deutliche Verbesserung der Fatigue. PTGA*** und PGA**** verbesserten sich ebenfalls, wenngleich nicht signifikant. Die Effekte hielten beim größten Teil bis zu Tag 12 an.

Bei den Blutuntersuchungen gab es nur einen Parameter, der sich durch die Vagusstimulation änderte: Substanz P sank an Tag 5 signifikant ab. Ein interessanter Aspekt, da Substanz P nicht nur bei der Schmerzübertragung, sondern auch bei Entzündungsreaktionen eine Rolle spielt, resümieren die Autoren. Dass sich keine Veränderungen bei den Zytokinen gezeigt hatten, führen sie auf die kurze, viertägige Studiendauer zurück. Insgesamt seien es aber vielversprechende Ergebnisse, die nun ebenfalls in größeren Kollektiven und länger dauernden Studien untermauert werden müssen.

* Disease Activity Score
** Health Assessment Questionnaire Disability Index
*** Patients global Assessment
**** Physicians global Assessment

1. Marsal S et al. Lancet Rheumatol 2021; DOI: 10.1016/S2665-9913(20)30425-2
2. Aranow C et al. Ann Rheum Dis 2021; 80: 203-208; DOI: 10.1136/annrheumdis-2020-217872

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Auch über das Ohr lässt sich der Vagusnerv stimulieren und so Fatigue bessern sowie Schmerzen lindern. Auch über das Ohr lässt sich der Vagusnerv stimulieren und so Fatigue bessern sowie Schmerzen lindern. © iStock/Viktoriya Kuzmenkova