Rheumatologie: Diese fünf Fehler in Diagnostik und Therapie vermeiden

Dr. Dorothea Ranft

Es gibt einige Fallstricke, die in der Rheumatologie beachtet werden müssen. Es gibt einige Fallstricke, die in der Rheumatologie beachtet werden müssen. © RFBSIP – stock.adobe.com

M. Bechterew statt nicht-röntgenologische axiale Spondyloarthritis diagnostiziert, bei der RA das falsche Therapieregime gewählt, die Tücken des Alters in der Behandlung missachtet: Zwei Ärzte berichten, welche rheumatologischen Irrtümer ihnen häufiger begegnen.

1. Aufs falsche Pferd in der Bild­gebung gesetzt

Seit acht Monaten leidet ein 25-Jähriger unter nächtlichen und frühmorgendlichen Kreuz­schmerzen, die sich unter Bewegung bessern. Vor drei Monaten sind Brustbeinschmerzen dazugekommen, Ibuprofen wirkt kaum. Dem Hausarzt fallen erhöhte Entzündungsmarker (BSG 40 mm/h, CRP 2,4 mg/dl) und ein positives HLA-B27 auf. Anhand der Szintigraphie diagnostiziert er einen M. Bechterew.

Die Szintigraphie sollte keinesfalls zur Diagnose einer axialen Spondyloarthritis, zu der der M. Bechterew zählt, eingesetzt werden, kritisierte Professor Dr. Elisabeth­ Märker-­Hermann­ von den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden. Liegt eine Sakroiliitis vor, erreicht ihre Sensitivität gerade einmal 49 %. Stattdessen empfahl die Rheumatologin die Bildgebung der Sakroiliakalgelenke mittels Röntgen (Beckenübersicht) oder MRT. Letztere sollte man bei jüngeren Erwachsenen mit kurzer Symptomdauer bevorzugen.

Die korrekte Diagnose lautet bei dem o.g. Patienten übrigens „nicht-röntgenologische axiale Spondylo­arthritis“ und nicht M. Bechterew, da er noch keine strukturellen Veränderungen aufwies.

Rücken einrenken verboten!

Bei einer axialen Spondylo­arthritis kann eine manuelle Therapie Beweglichkeit und Körperhaltung erheblich bessern. Als Tabu gelten Manipulationen der Wirbelsäule. Prof. Märker-­Hermann­ begegnen immer wieder Patienten, die ständig die Wirbelsäule eingerenkt bekommen.

2. DMARD statt NSAR verordnet

Die Referentin erlebt es immer wieder, dass Patienten mit axialer Spondyloarthritis statt der empfohlenen NSAR eine rheumatische Basistherapie bekommen, die Methotrexat, Sulfasalazin und andere klassische DMARD umfasst. Nur eine periphere aktive Arthritis im Rahmen der Spondyloarthritis könnte z.B. auf Sulfasalazin ansprechen, erklärte Prof. Märker-Herrmann.

3. Prednisolon auf die Langstrecke geschickt

Die Startdosis von Glukokortikoiden sollte bei der RA 30 mg Prednisolon-Äquivalent nicht überschreiten. Ausnahmen umfassen schwere extraartikuläre Manifestationen, z.B. Vaskulitis oder Alveolitis. Außerdem sollte man die Gabe innerhalb von acht Wochen in den Low-Dose-Bereich senken (Maximaldosis 7,5 mg/d Prednisolon-Äquivalent). Zudem empfiehlt die Rheumatologin, die Steroidtherapie nach drei bis sechs Monaten zu beenden bzw. zumindest dieses Ziel anzupeilen.

4. Wirkprinzipien der Biologika aus dem Blick verloren

Laut EULAR* sollte die primäre klassische DMARD-Therapie bei RA nicht mehr mit einer Kombination erfolgen. Bei der Umstellung nach dem ersten oder zweiten Biologikum wegen Ineffizienz oder Nebenwirkungen ist ein Wechsel ohne Änderung des Wirkprinzips nicht sinnvoll, so Prof. Märker-Hermann.

5. In der Behandlung älterer Patienten fünf Regeln ignoriert

Besonders wichtig sind kluge Entscheidungen bei den zunehmend älteren Rheumapatienten, betonte der Geriater Dr. Norbert Schütz von der Asklepios Paulinen Klinik Wiesbaden. Seine fünf Regeln lauten:
  • Erst die bestehende Medikation kontrollieren, dann ein Arzneimittel neu verordnen.
  • Diagnostische und therapeutische Entscheidungen im höheren Alter an funktionellen Status koppeln.
  • Sturzanamnese bzw. -risiko in die Entscheidung einfließen lassen.
  • Eine Osteoporose nicht unbehandelt lassen!
  • Nie das Delir vergessen!
Das Delir lässt sich anhand folgender Kriterien diagnostizieren: plötzlicher Beginn mit schwankendem Verlauf, Aufmerksamkeitsstörung, veränderte Bewusstseinslage und Denkstörung. Sind drei von vier Kriterien erfüllt, ist ein Delir wahrscheinlich. Zu 25–43 % kommt das hypoaktive Delir vor, bei dem die Patienten ruhig in der Ecke sitzen. Häufiger tritt die Mischform mit zusätzlichem hyperaktivem Delir auf. Man sollte immer fragen, wie sich der Betroffene verändert hat. Verdächtig ist eine akut auftretende, fluktuierende Aufmerksamkeits- und Kognitionsstörung, die in der Regel reversibel verläuft. Das Delir geht mit einer deutlich erhöhten Mortalität einher. Die Osteoporose wird in der Praxis oft weder erkannt noch behandelt, wie Dr. Schütz anhand eines Beispiels verdeutlichte. Eine Patientin konnte aufgrund ihrer starken Schmerzen noch nicht einmal mehr sitzen. Ihr Arzt vermutete eine Verschlechterung des seit Jahrzehnten bekannten Morbus Bechterew, verordnete deshalb Prednisolon, Etoricoxib und Hydromorphon. Der Grund für die Beschwerden lag allerdings in einer Sakrumfraktur, die sich minimalinvasiv operieren ließ. Am ersten postoperativen Tag war die Patientin wieder auf den Beinen. In puncto Sturzrisiko sollten Kollegen auch die Muskulatur im Blick behalten, empfahl der Referent. Eine Sarkopenie müsse keineswegs mit einer Gewichtsabnahme einhergehen, so Dr. Schütz weiter. Einen ersten Hinweis gibt oft eine reduzierte Ganggeschwindigkeit von < 0,8 m/s, d.h. < 2,9 km/h. Die Muskelmasse lässt sich z.B. mit einer Bioimpedanzan­alyse oder mit einer Dual-Röntgen-Absorptio­metrie er­fassen. Ein weiteres Kriterium ist laut Dr. Schütz die Handkraftmessung. Die Norm beträgt bei Männern 132 kPa, bei Frauen 76 kPa. Die Muskelleistung ermittelt man mittels Chair-Rising-Test, fünfmal in maximal elf Sekunden gelten als normal, erklärte der Ger­iater. 

* European League Against Rheumatism

Quelle: Kongressbericht

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Es gibt einige Fallstricke, die in der Rheumatologie beachtet werden müssen. Es gibt einige Fallstricke, die in der Rheumatologie beachtet werden müssen. © RFBSIP – stock.adobe.com