Rheuma: Drei Fallbeispiele als Lehren für den Alltag

Dr. Anja Braunwarth

Eine Dissektion in der Aortenwand kann selten als Komplikation einer Riesenzell­arteriitis auftreten. Eine Dissektion in der Aortenwand kann selten als Komplikation einer Riesenzell­arteriitis auftreten. © wikimedia/KGH

Ob geschwollene Gelenke oder positiver Rheumafaktor – für rheumatoide Erkrankungen gibt es eindeutige Hinweise. Aber nicht immer ist es so einfach. Bei manchen Fällen kommen sogar Experten ins Schwitzen.

Fall 1: Drama in der Aortenwand

Die 66-jährige Patientin von Dr. Katharina Hofheinz, Zentrale Notaufnahme der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, kam mit Fieberschüben ins Krankenhaus und litt seit einem Monat unter Schmerzen in den Schultern, dem linken Knie und der linken Leiste. Ihr Hausarzt vermutete einen Harnwegsinfekt und verordnete Antibiotika – ohne Wirkung.

CRP, Transaminasen und die Cholestaseparameter lagen deutlich über der Norm. Aber weder Röntgen-Thorax noch Abdomen-Sono lieferten Hinweise auf ein entzündliches Geschehen. Zwei Wochen später traten eine brachiofazial-betonte Hemiparese links und eine Anisokorie auf. Der Schädel-Scan war unauffällig. Erst das abdominale CT brachte Klarheit: Eine Aortendissektion erstreckte sich von der A. ascendens bis in die Iliakalgefäße. Die gesamte Schlagader wurde thorax- und gefäßchirurgisch mit Prothesen und Interponaten versorgt.

Nach der OP mutig in die Reha verlegt

„Postoperativ verlief alles sehr gut, also haben die Chirurgen die Frau schon nach wenigen Tagen – und vor den Ergebnissen der Histo – mutig in die Reha verlegt“, bemängelte Dr. Hofheinz. Dort kam es erneut zu Fieberschüben, Abgeschlagenheit und zwei Episoden einer Amaurosis fugax. Dann folgte das Ergebnis der Pathologie: Riesenzellarteriitis.

„Der Fall zeigt, dass sich diese Entzündung nur durch Fieber manifestieren kann“, betonte die Referentin. Die Aortendissektion stellte eine seltene Komplikation dar. Unter kurzzeitig hoch dosiertem Prednisolon gingen die Symptome zurück. Die Therapie wurde später mit Methotrexat ergänzt und das Steroid sukzessiv auf <  5 mg reduziert.

Die Frau ist derzeit beschwerdefrei, berichtete Dr. Hofheinz. Da sie wegen einer Gingivitis nicht persönlich kommen konnte, erfolgte die letzte Kontrolle per Telefon. Ein Zuhörer aus der zuvor gescholtenen Chirurgen-Fraktion meldete sich daraufhin mit einem wichtigen Hinweis zu Wort: „Wenn eine Patientin mit einer Aortenprothese über eine Zahnfleischentzündung berichtet, muss man unbedingt nachhaken, ob sie antibiotisch abgedeckt ist!“

Fall 2: Bewegungslos in Erlangen

Eine plötzliche progrediente Tetraparese führte zur Einweisung der 25-Jährigen. Abgesehen von einer generalisierten Myalgie und gelegentlich trockenen Augen war sie gesund und nahm keine Medikamente, berichtete Dr. Eleni Kampylafka von der Medizin 3 am Universitätsklinikum Erlangen.

Laborchemisch fielen eine schwere Hypokaliämie (1,3 mmol/l) und erhöhtes Kreatinin (1,4 mg/dl) auf, im EKG eine QT-Zeit-Verlängerung. Nach den Ergebnissen der BGA befand sich die Frau in einer metabolischen Azidose (pH 7,12, Bikarbonat 10 mmol/l). Der hohe pH im Urin ließ die Kollegen von einer renalen tubulären Azidose Typ 1 ausgehen.

Renale tubuläre Azidose bei bis zu jedem vierten Patienten

Die Immunologie half in diesem Fall weiter. Der IgG lag über der Norm. Rheumafaktor, antinukleäre Antikörper und deren Untergruppen für das Sjögren-Syndrom waren positiv. Speicheldrüsensonographie und Lippenbiopsie festigten die Diagnose. Eine Nierenbeteiligung beim Sjögren ist keine Seltenheit, allerdings findet sich die renal tubuläre Azidose nur bei 5–25 % der Betroffenen, erklärte Dr. Kampylafka. Unter Gabe von Kalium und Bikarbonat bildeten sich die Symptome der Frau rasch zurück, allerdings muss die Patientin bis dato weiter substituiert werden.

Fall 3: Papeln ante portas

Ein extrem seltenes Krankheitsbild präsentierte Dr. Christoph Schäfer, Rheumatologe vom Universitätsklinikum Halle/Saale. Ein 48-jähriger Alkoholiker kam mit schmerzhaften, überwärmten und geröteten Schwellungen an linker Hand und rechtem Mittelfuß in die Klinik. Die Beschwerden bestanden seit einer Woche, Entzündungswerte und Lipase waren deutlich erhöht. Innerhalb weniger Tage bildeten sich livide Papeln an den Unterschenkeln, die Lipase stieg erst dramatisch weiter, fiel aber wieder ab. Das CT bestätigte den Verdacht einer akuten Pankreatitis.

Im weiteren Verlauf wurden immer mehr Gelenke in Mitleidenschaft gezogen. Die Histologie der Knötchen ergab eine Pannikulitis, das Gelenkpunktat blieb steril. Die finale Diagnose lautete: Pankreatitis-Polyarthritis-Pannikulitis-Syndrom.

Diese sehr seltene und schwer zu diagnostizierende Komplikation tritt drei Wochen vor bis wenige Wochen nach einer – meist akuten und klinisch eher blanden – Pankreatitis auf, erklärte der Kollege. Durch eine hämatogene Lipaseaussaat bilden sich Fettgewebsnekrosen. Die Arthritis befällt meist mehrere Gelenke. Die ossären Läsionen können sich nach Abklingen des Syndroms vollständig zurückbilden.

Unterschenkel musste amputiert werden

Der Patient selbst sorgte dafür, dass seine Krankheit bei den Kollegen aus Halle nicht in Vergessenheit geriet. Dreieinhalb Jahre nach dem Vorfall wurde er erneut vorstellig. Nur lief dieses Mal nicht alles glimpflich ab. Eine ausgedehnte Fettgewebsnekrose an der Ferse mit sekundärer schwerer Infektion ließ sich konservativ auch nach drei Monaten nicht beherrschen. Den behandelnden Ärzte blieb nur noch, den Unterschenkel zu amputieren.

Quelle: Kongressbericht, 46. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie

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Eine Dissektion in der Aortenwand kann selten als Komplikation einer Riesenzell­arteriitis auftreten. Eine Dissektion in der Aortenwand kann selten als Komplikation einer Riesenzell­arteriitis auftreten. © wikimedia/KGH
Spaltung der Wandschichten. Spaltung der Wandschichten. © wikimedia/KGH