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Unkalkulierbares Tuberkuloserisiko durch neuere Biologika

Während TNF-α-Inhibitoren das zentrale Zytokin in Signalketten der Entzündung hemmen, sind Interleukine als Ziele der neueren Biologika nachrangige Mediatoren der Inflammation. „Das TB-Risiko für TNF-α-Inhibitoren ist ausreichend dokumentiert“, erklärte Professor Dr. Roland Diel von der LungenClinic Großhansdorf. Doch bislang sei nicht klar, wie das Risiko bei neueren, nicht-TNF-inhibitorischen Biologika einzuschätzen ist.
Deshalb erstellte er eine systematische Übersicht und Metaanalyse zum Risiko einer Tuberkulose-Reaktivierung unter diesen Medikamenten. Die Herausforderung war, Studien zu finden, die mit tatsächlichen Risikopatienten durchgeführt worden waren, also Personen, die positiv auf eine latente Tuberkulose (LTBI) getestet waren und bislang keine Prophylaxe mit Isoniazid erhalten hatten.
Risikopatienten wurden in Studien oft ausgeschlossen
Zudem musste eine Patientengruppe das Biologikum erhalten haben, während die andere Gruppe einer anderen Therapie unterzogen werden sollte. Das stellte sich als schwierig heraus: In insgesamt 130 randomisiert-kontrollierten Studien mit Nicht-TNF-α-Inhibitoren war die TB nur in 43 % der Studien im Design überhaupt erwähnt, in 55 % als mögliches Ergebnis aufgeführt und ein TB-Screening nur bei 65 % berichtet. Die Zahl der auf LTBI getesteten und gegebenenfalls behandelten Patienten war überhaupt nur in sechs Studien dargestellt. So verwundert es nicht, dass in der Summe nur 33 Fälle einer manifesten TB in den 130 Studien genannt werden.
Prof. Diel nannte noch weitere „Winkelzüge“, die zu der vermeintlichen Harmlosigkeit der neueren Biologika beitragen: Da wurde die Tuberkulose zwar als eine von mehreren Infektionen genannt, aber nicht näher darauf eingegangen. Oder es wurde überhaupt nur die Kategorie „Infektionen“ als Nebenwirkung berichtet. Viele Studien schlossen auch Patienten mit LTBI von vornherein aus, manche ließen pauschal Patienten aus Herkunftsländern mit hoher Multiresistenz-Rate, HIV-Patienten oder Mitarbeiter im Gesundheitswesen als potenzielle Risikopersonen außen vor. Andere Studien verlangten eine sechs Monate vor Studienbeginn abgeschlossene Präventionsbehandlung, ohne diese aber im Detail zu beschreiben.
Patienten konsequent auf latente TB screenen
Die Folge ist klar: „Man hört und sieht nichts von TB bei neueren Biologika“, sagte Prof. Diel. Das habe natürlich Konsequenzen: Es werde immer häufiger eine IL-gerichtete Biologika-Therapie gewählt. Er warnte davor, wegen der vermeintlichen Sicherheit vor Behandlungsstart weniger konsequent auf LTBI zu screenen. Denn das ernüchternde Ergebnis seiner Analyse sei: Das Tuberkulose-Aktivierungsrisiko bei diesen Arzneimitteln ist nicht bekannt.
* Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.
Quelle: 60. Kongress der DGP*
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