Verwirrung um die Diabetes-Diagnostik

Die aktuelle Leitlinie der American Diabetes Association (ADA) lässt dem Arzt die Wahl, ob er den Diabetes mit HbA1c oder mit Plasmaglukose-Kriterien, das heißt mit Nüchternblutzucker (NBZ) oder Zweistundenwert im oralen Glukosetoleranztest (oGTT), diagnostizieren will. Alle drei Parameter gelten als gleichwertig, erklärte Privatdozent Dr. Wolfgang Rathmann vom Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf. Als pathologisch stufen die amerikanischen Diabetologen HbA1c-Werte ≥ 6,5 % ein, ebenso Nüchternblutzucker-Spiegel ≥ 126 mg/dl und eine Zweistunden-Plasmaglukose im oGTT ≥ 200 mg/dl. Auch eine „Zufallsglukose“ ≥ 200 mg/dl bei Patienten mit klassischen Hyperglykämie-Symptomen belegt die Stoffwechselkrankheit.
Bestätigungstest innerhalb von zwei bis drei Wochen
Wenn nur ein Wert (HbA1c, NBZ oder oGTT) die Grenze überschreitet, fordert die ADA einen Bestätigungstest. Dafür sollte derselbe Parameter möglichst zeitnah, also z.B. innerhalb von zwei bis drei Wochen, erneut kontrolliert werden, so Dr. Rathmann. Kommt ein Patient z.B. erst auf ein HbA1c von 7,0 %, danach auf 6,8 %, steht die Diabetes-Diagnose fest.
Eine Bestätigung ist überflüssig, wenn in der Primärdiagnostik zwei Tests (z.B. HbA1c und NBZ) pathologisch ausfielen. Überschreitet jedoch nur ein Parameter die Grenze – z.B. NBZ zu hoch, HbA1c normal –, wird der erhöhte Wert erneut kontrolliert. Die Diagnose erfolgt dann auf der Basis des Bestätigungstests, in diesem Fall des NBZ.
Grundsätzlich ist der Diabetesnachweis sowohl anhand von Glukose- als auch von HbA1c-Kriterien möglich, kommentierte Dr. Rathmann das amerikanische Vorgehen. Allerdings identifizieren beide Strategien unterschiedliche Populationen, wobei das HbA1c etwa ein Drittel weniger Diabetesfälle aufdeckt.
Die in der aktuellen Praxisleitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) geforderte Kombination von HbA1c- und Glukosemessung erscheint deshalb sinnvoll. Bei eindeutig pathologischen Werten genügt ein Test – ein HbA1c ≥ 6,5 % sichert die Diabetes-Diagnose, Werte < 5,7 % schließen sie aus. Selbstverständlich muss weiterhin der Blutzucker kontrolliert werden, wenn Patienten Symptome aufweisen oder z.B. wegen Begleiterkrankungen eine Verfälschung des HbA1c-Werts zu erwarten ist (s. Kasten).
HbA1c verwendbar?
„Der Begriff Prädiabetes wurde inzwischen verworfen“
Erst einmal offen bleibt die Diagnose bei Patienten mit einer Nüchternglukose von 100–125 mg/dl oder einem 2h-oGTT von 140–199 mg/dl. Betroffene sollten über ihr Diabetesrisiko und geeignete Lebensstiländerungen aufgeklärt werden. Ein Jahr später wird das HbA1c bei ihnen erneut kontrolliert. Der in manchen Praxen genutzte Einstundenwert im oGTT ist mangels Evidenzbasis noch in keiner Leitlinie aufgeführt, so Prof. Rathmann. Der Begriff „Prädiabetes“ sei inzwischen verworfen worden, da längst nicht alle Patienten mit erhöhtem Nüchternblutzucker oder gestörter Glukosetoleranz an Diabetes erkranken. In einer Metaanalyse prospektiver Kohortenstudien entwickelten Patienten mit einem HbA1c-Wert zwischen 5,5 und < 6,0 % nur zu 9 bis 25 % in den folgenden fünf Jahren einen Diabetes. Im HbA1c-Bereich von 6,0 % bis 6,5 % war das Konversionsrisiko mit 25 bis 50 % hingegen deutlich höher. Vor allem bei besonders gefährdeten Patienten (HbA1c > 6,0 %) erscheint deshalb ein intensives Follow-up sinnvoll, um durch Prävention den Übergang in einen Diabetes zu verhindern. Für ein solches Vorgehen sprechen auch die 23-Jahres-Resultate einer chinesischen Präventionsstudie. Demnach ist die Mortalität im Stadium der gestörten Glukosetoleranz noch nicht erhöht, die weitaus meisten Todesfälle ereignen sich erst nach dem Übergang zum Diabetes. Um die Lebenserwartung der betroffenen Patienten zu steigern, sollte man deshalb versuchen, die Manifestation der Stoffwechselerkrankung möglichst lange hinauszuzögern. Eine normale Glukosetoleranz muss dafür aber nicht unbedingt erreicht werden.12. DDG-Diabetologie-Update-Seminar Mainz
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