Vom Giemen zum Asthma

Dr. Angelika Bischoff

Der Asthma Predictive Index kann helfen, eine Prognose zur Entwicklung von Asthma bei giemenden Kleinkindern zu stellen. Der Asthma Predictive Index kann helfen, eine Prognose zur Entwicklung von Asthma bei giemenden Kleinkindern zu stellen. © iStock/SeventyFour

Rezidivierendes Giemen bei Kleinkindern ist mit einer erheblichen Morbidität assoziiert und auch relevant für die Prognose. Wenn eine Atopie-Anamnese und Biomarker für eine Th2-Inflammation dazukommen, sollte die Arbeitsdiagnose eines frühkindlichen Asthmas gestellt werden. Das eröffnet die Möglichkeit, rechtzeitig zu intervenieren und die Symptomlast zu senken.

Eine aktuelle Auswertung elektronischer Gesundheitsdaten  von einer Million Vorschulkindern aus England ergab, dass im Jahr 2017 7,7 % von ihnen an einem Giemen (Wheeze) litten.1 In den ersten zwei Jahren wurden 15,8 % der Wheeze-Kinder in einer Notfallambulanz behandelt und 13,9 % stationär. 

Steroideinsatz offenbart diagnostische Unsicherheiten

Im Follow-up über sechs Jahre erkrankten 35 % der Kinder bis zum Schulalter an Asthma. Als Risikofaktoren dafür ließen sich altbekannte identifizieren: 

  • schweres oder häufiges Giemen
  • Frühgeburtlichkeit
  • Asthma der Mutter 
  • Atopie
  • erstes Wheezing-Ereignis im September

Von den Kindern mit Wheeze hatten 35 % inhalative Glukokortikoide erhalten und 15 % sogar orale. Das weist darauf hin, dass es viel Unsicherheit gibt darin, wann bei giemenden Kleinkindern ein Asthma diagnostiziert werden kann und wie man es dann behandelt, sagte Professor Dr. Monika Gappa, von der Klinik für Kinder und Jugendliche am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf.

Zur Orientierung hilft der Asthma Predictive Index (API), der als Prognosekriterium eingeführt wurde. Darein fließen Intervallsymptome, atopische Erkrankungen, Familienanamnese, sIgE/Prick und Eosinophilenzahl. Er nützt vor allem, wenn er negativ ausfällt, denn das deutet  mit hoher Sicherheit darauf hin, dass sich eher kein Asthma entwickeln wird. Ein positiver API zeigt zwar ein mäßiges Risiko für die Entwicklung eines Asthmas an, aber weist nach einer retrospektiven Analyse eine Sensitivität von nur < 30 % auf. „Das ist klinisch für eine Diagnose kaum hilfreich“, sagte Prof. Gappa. 

Die Nationale Versorgungsleitlinie hilft hinsichtlich der Asthmadiagnostik bei Kleinkindern nicht weiter, da sie die Objektivierung mittels Prüfung der Lungenfunktion oder bronchialen Hyperreagibilität fordert. Das lässt sich bei kleinen Kindern noch nicht machen. Besser bildet das DMP Asthma 1–5 Jahre die Altersgruppe ab. Hier können Kinder nach bestimmten Kriterien eingeschrieben werden (siehe Kasten).

Kriterien für das Einschreiben von Kindern zwischen ein und fünf Jahren ins DMP

Mindestens drei asthmatypische Episoden im letzten Jahr sowie ein Ansprechen der Symptome auf einen Bronchodilatator sind die Grundvoraussetzungen. Dazu muss noch wenigstens eines der folgenden Zusatzkriterien kommen:
  • Giemen auch unabhängig von Infekten
  • stationärer Aufenthalt wegen obstruktiver Symptome
  • atopische Erkrankung
  • Nachweis einer Sensibilisierung
  • Asthma bronchiale bei Eltern oder Geschwistern

Bei einer ersten Wheeze-Episode, die meist zusammen mit einem Atemwegsinfekt auftritt, sollte man versuchsweise ein kurz wirksames Beta-2-Mimetikum (Salbutamol) mit Inhalationshilfe verordnen mit der Empfehlung 3–4-mal täglich zwei Hübe anzuwenden, bis die Kleinen keine Luftnot mehr haben. Tritt mit dem nächsten Atemwegsinfekt erneut Giemen auf, müssen zunächst andere Ursachen für die Obstruktion ausgeschlossen werden. Das können anatomische Probleme wie eine Tracheo- oder Bronchomalazie, eine Fremdkörperaspiration oder eine protrahierte bakterielle Bronchitis sein.  Wenn solche Ursachen ausgeschlossen sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Ganze in Richtung Asthma entwickelt. Nun gilt es, Risikofaktoren wie Rauch­exposition, Frühgeburtlichkeit oder Atopie zu eruieren.  Wie Prof. Gappa zusammenfasste, darf man ein Asthma bei Kleinkindern annehmen, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
  • ärztlich verifiziertes Giemen, rezidivierend, auch ohne Infekt
  • kein Anhalt für eine alternative Diagnose
  • eigene atopische Erkrankung oder atopische Familienanamnese 
  • nachgewiesene inhalative Sensibilisierung
Hat das Kind auf den ersten Versuch mit dem Beta-2-Mimetikum gut angesprochen, setzt man eine symptom­orientierte Therapie damit fort. 

Behandlungseffekt nach acht Wochen prüfen

Bei rezidivierenden oder belastenden Symptomen können niedrig dosierte inhalative Kortikosteroide (ICS) dazukommen (z.B. 2 x 50 µg Fluticason). Bisher gibt es zwar keine Evidenz dafür, dass eine frühe Therapie mit inhalativen Steroiden (ICS) den Krankheitsverlauf langfristig günstig beeinflusst. Aber die Symptomlast lässt sich damit dauerhaft senken. Besonders gut sprechen Kinder mit inhalativer Sensibilisierung und/oder Eosinophilie > 300/µl auf die Steroide an. Nach acht Wochen sollte man die Wirksamkeit der Therapie überprüfen. Sind die Beschwerden unter Kontrolle, kann man über eine Step-down-Strategie nachdenken.

1. Bloom CI et al. J Allergy Clin Immunol 2021; 147: 1949-1958; DOI: 10.1016/j.jaci.2020.12.643

Kongressbericht: 16. Deutscher Allergiekongress

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Der Asthma Predictive Index kann helfen, eine Prognose zur Entwicklung von Asthma bei giemenden Kleinkindern zu stellen. Der Asthma Predictive Index kann helfen, eine Prognose zur Entwicklung von Asthma bei giemenden Kleinkindern zu stellen. © iStock/SeventyFour