
Weniger Raum für Tumorschmerzen

Eine Schmerztherapie gelingt am besten, wenn man bei der Anamnese detailliert nachfragt: Wo genau ist der Schmerz lokalisiert? Strahlt er aus? Wie stark ist er und wie fühlt er sich an? Der zeitliche Verlauf und Faktoren, die eine Zu- oder Abnahme der Beschwerden bewirken, sind ebenso wichtig wie die Vormedikation. Die Schmerzintensität kann der Patient am besten selbst einschätzen, z.B. auf einer visuellen Analog- oder numerischen Rating-Skala, schreiben Prof. Dr. Friedemann Nauck und Gesine Benze von der Universitätsmedizin Göttingen.
Die symptomatische Schmerzbehandlung kann umgehend starten – unabhängig von der tumorspezifischen Therapie. Einige Grundprinzipien gilt es in diesem Zusammenhang zu beachten (s. Kasten). Die Therapie soll die Beschwerden des Patienten auf ein erträgliches Maß reduzieren. Ziel ist die Schmerzfreiheit in Ruhe und eine deutliche Reduktion unter Belastung, ohne dass Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Konzentrationsstörungen überhand nehmen.
Grundprinzipien der Schmerztherapie
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Feststellung des Schmerztyps (nozizeptiv, neuropathisch)
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Kombination von nicht-medikamentöser und medikamentöser Therapie
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möglichst einfache Applikation (vorzugsweise oral)
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Applikation nach festem Zeitschema
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individuelle Dosierung und kontrollierte Dosisanpassung
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Gabe von Analgetika bevor der Schmerz wieder auftritt
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prophylaktische Behandlung von Nebenwirkungen (Komedikation)
Generell lassen sich zwei Ansätze unterscheiden: tumorspezifische und symptomatische Therapien. Erstere helfen z.B. gegen Schmerzen bei invasiv wachsenden Tumoren, die benachbartes Nervengewebe angreifen. Sie umfassen das gesamte Arsenal von Radiotherapie über operative Interventionen, medikamentöse Therapien bis zur Hormongabe.
Physio und komplementäre Verfahren als Ergänzung
Symptomatisch können auch nicht-medikamentöse Optionen wie physiotherapeutische Anwendungen und komplementäre Angebote zur Schmerztherapie genutzt werden. Die medikamentöse symptomatische Behandlung erfolgt nach dem Stufenschema der WHO. Dieses sieht zusätzliche orale Stufe-II-Opioide oder niedrig dosierte Stufe-III-Opioide für Patienten mit leichten bis mittelschweren Schmerzen vor. Die gleiche Empfehlung gilt, wenn die regelmäßige Gabe von Nichtopioidanalgetika unzureichend wirkt. Dabei sind nicht-invasive Applikationsformen (oral, oral-transmukosal, transdermal, rektal) so lange wie möglich vorzuziehen.
Die Basistherapie erfolgt regelmäßig in Form von retardierten Präparaten nach einem individuellen Plan. Die Dosierung wird ggf. stufenweise erhöht bis zu einer adäquaten Linderung (siehe Kasten). Bei neuropathischen Schmerzen kann der zusätzliche Einsatz von niedrig dosierten trizyklischen Antidepressiva (z.B. retardiertes Amitriptylin) oder Pregabalin den Effekt bessern.
Gegen Durchbruchschmerzen erhalten Patienten ein kurz wirksames Opioid. Das setzt allerdings eine ausreichende Basisanalgesie voraus. Wenn mehr als vier Attacken am Tag auftreten, sollte die Dauermedikation verstärkt werden. Die Wirkdauer der Bedarfsmedikation muss die gesamte Schmerzattacke abdecken. Empfohlen wird ein Sechstel der Tagesdosis des starken Opioids.
Medikamentöse Therapie
Substanzen der WHO-Stufe I (Metamizol, Ibuprofen, Paracetamol etc.) erhalten die Patienten in einer fixen Dosierung, schreiben die beiden Experten. Opioide der Stufe II (Tramadol, Tilidin/Naloxon etc.) sollten niemals in höherer als der angegebenen Maximaldosis verabreicht werden. Die wichtigste Substanzgruppe sind die Opioide der Stufe III, sie werden nach Bedarf titriert, eine Maximaldosis existiert nicht. Allerdings gilt bei älteren beziehungsweise opioidnaiven Patienten die Regel „start low, go slow“.
Schmerzen sind nicht das einzige Problem
Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung leiden häufig auch an Übelkeit und Erbrechen. Für viele ist Erstere belastender als ein gelegentlicher Vomitus – das Empfinden des Umfeldes kann davon abweichen. Die Auslöser sind divers und reichen von Medikamenten, gastrointestinalen oder zentralen Störungen über Tumorobstruktion bis hin zu psychischen Faktoren. Eine multifaktorielle Genese ist möglich.
Die Beschwerden lassen sich durch eine individuell angepasste Therapie lindern. Erste Maßnahmen können allgemein sein (z.B. angenehme Atmosphäre, Entspannungstechniken, Akupunktur). Intestinale Hindernisse sollte man kausal behandeln. Ist dies nicht möglich, kann evtl. eine Ablaufsonde (nasogastral, PEG) dem Erbrechen ein Ende setzen. Gibt es einen bekannten medikamentösen Auslöser, sollte parallel erwogen werden, ob ein Absetzen oder ein Wechsel sinnvoll ist. Elektrolytentgleisungen oder Infektionen als Ursache ziehen eine entsprechende spezifische Therapie nach sich.
Liegt den Symptomen eine Obstipation zugrunde, bieten sich verschiedene Gegenmaßnahmen an: mehr trinken, ballaststoffreicher essen und mehr Bewegung. Lassen sie sich bei Schwerkranken nicht durchführen, kann man auf Kolonmassage und Medikamente (z.B. Laxanzien, Opioidantagonisten) zurückgreifen. Eine Opioidgabe erfordert übrigens immer eine vorsorgliche und begleitende Verordnung von Laxanzien und initial von Antiemetika. Je nach vermuteter Ursache der Symptome kommen Antiemetika in verschiedenen Fällen in Betracht. Sofern kein Ileus vorliegt, fällt die Wahl auf Metoclopramid. Es wird neben Haloperidol auch gegen die opioidbedingte Übelkeit empfohlen.
Ist ein erregtes Brechzentrum der Auslöser, kann z.B. Dimeinhydrinat weiterhelfen. Drücken Metastasen auf entsprechende Bereiche in Hirn oder Leber, lindert Dexamethason das Tumorödem und damit Übelkeit und Erbrechen. Benzodiazepine wie Lorazepam lindern die Beschwerden bei Patienten mit antizipatorischer oder stressbedingter Übelkeit. Und gegen die Übelkeit als Nebenwirkung einer Chemo- oder Strahlentherapie sind NK1- und 5-Ht3-Rezeptorantagonisten zugelassen, letztere zudem für postoperative Beschwerden. Beide werden aber in der Palliativmedizin auch häufig off label eingesetzt.
Quelle: Nauck F, Benze G. Innere Medizin 2023: 64: 25-33; DOI: 10.1007/s00108-023-01478-1
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