Ökonomisierung und der Ärzte Codex
„Und dann sind Sie ganz schnell sehr, sehr allein“

Ökonomisierung im Gesundheitswesen beschreibt die zunehmende Ausrichtung des Gesundheitssystems an wirtschaftlichen Prinzipien wie Effizienz, Wettbewerb und Gewinnmaximierung. Dabei werden Aspekte wie Kostenreduzierung, Ertragssteigerung und Marktlogik stärker in medizinische und pflegerische Entscheidungen integriert. Das kann sich auf die Finanzierung, Organisation und Erbringung von Gesundheitsleistungen auswirken.
Befürworter der Ökonomisierung argumentieren, dass eine ökonomische Steuerung Effizienz fördert, Ressourcen besser nutzt und Innovationen anregt. Kritiker warnen vor negativen Folgen wie einer Dehumanisierung der Medizin, Priorisierung profitabler Behandlungen und der Vernachlässigung nicht wirtschaftlicher, aber notwendiger Gesundheitsleistungen.
Studien zeigen, dass die Ökonomisierung des deutschen Gesundheitswesens neben einer erhöhten Arbeitsbelastung zu einer Priorisierung profitabler Behandlungen führt. Die Einführung des DRG-Systems (Diagnosis Related Groups) setzt Krankenhäuser unter finanziellen Druck, was zu einer Bevorzugung lukrativer Eingriffe und einer Vernachlässigung weniger ertragreicher, aber notwendiger Behandlungen führen kann.
Empirische Untersuchungen belegen genauso wie die persönlichen Erfahrungen von Ärztinnen und Ärzten, dass medizinische Entscheidungen zunehmend von betriebswirtschaftlichen Überlegungen beeinflusst werden. Dies kann zu Über-, Unter- und Fehlversorgung von Patienten führen. So berichten Ärzt:innen, dass sie aus Kostengründen auf nützliche Leistungen verzichten müssen, während gleichzeitig überflüssige, aber profitable Leistungen erbracht werden.
Auch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) z.B. warnt davor, dass die Dominanz betriebswirtschaftlicher Ziele die patientenzentrierte Versorgung gefährdet und fordert Maßnahmen gegen Fehlanreize im DRG-System.
Die Idee, dass das Gesundheitssystem allen Menschen gleichermaßen dienen sollte, ist eine grundlegende ethische Norm, die in der Gesellschaft und Politik kaum infrage gestellt wird. Selbst wirtschaftlich orientierte Akteure argumentieren selten gegen das Gemeinwohl als Prinzip, sondern diskutieren, wie es realistisch umgesetzt werden kann.
Argumente gegen ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitssystem beziehen sich häufig auf Fragen wie: Kann ein solches System langfristig finanziert werden? Wird der Verzicht auf marktwirtschaftliche Mechanismen die Qualität und Innovation hemmen? Führt eine stärkere Gemeinwohlorientierung zu mehr zentraler Planung und damit zu Ineffizienz?
Das gewichtigste Argument wirtschaftsliberaler Stimmen ist, dass Wettbewerb und Gewinnorientierung Innovation und Effizienz fördern. Als Gegenargument lassen sich hier Beispiele anführen, bei denen Wettbewerb und Gewinnorientierung im Gesundheitswesen zu Fehlanreizen geführt haben, die zu Überbehandlung oder Unterversorgung zur Folge haben.
Tatsächlich ist die Umsetzung entsprechender Reformen komplex. Das deutsche Gesundheitssystem ist durch föderale Strukturen und vielfältige Akteure geprägt, was tiefgreifende Veränderungen erschwert. Eine reale Umsetzung hängt von politischen Mehrheiten ab, die sich für strukturellen Veränderung aussprechen müssten.