Arzt und Unternehmer – „Darin sehe ich keinen Widerspruch"

Niederlassung und Kooperation Autor: Anouschka Wasner

Teamarbeit wird bei der Buderer-Group großgeschrieben. Rechts: Allgemeinmediziner Dr. Johannes Buderer.  Teamarbeit wird bei der Buderer-Group großgeschrieben. Rechts: Allgemeinmediziner Dr. Johannes Buderer. © Fotolia/REDPIXEL, privat.

Einzelpraxis, GmbH, MVZ, Zweigstelle: Alleine hat er das nicht alles geschafft. Das sagt er selbst und es spiegelt sich überall wider. Die Unternehmungen des Dr. Buderer sind Familien- und Teamleistungen.

Dr. Johannes Buderer ist Facharzt für Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie. Dynamische 60 Jahre alt, seit 25 Jahren niedergelassener Hausarzt in einer kleinen baden-württembergischen Stadt, verheiratet, zwei Söhne, eine Tochter. Nacht- und Wochenendarbeit gehören für den Arzt auch mal dazu. „Wir sind rege“, sagt er über sich selbst und seine Familie. Im Anschluss an seinen Praxistag und unser Gespräch fährt er noch mal ins Altenheim, einen Patienten versorgen. „Ich mach das grad noch“, sagt er in bedächtigem süddeutschem Tonfall.

Wer seinen Namen in die Suchmaschine eingibt, findet die Homepages dreier Arztpraxen, eines Unternehmens sowie mehrere gepflegte Social-Media-Kanäle. Der Mann ist wirklich rege. Ein Unternehmender.

„Es kommt darauf an, zu erkennen, welcher Patient mehr Aufmerksamkeit und Zeit benötigt"

Dabei hat auch Dr. Buderer die Herausforderungen einer täglich großen Patientenzahl zu stemmen. „Ich hatte heute vormittag fast 40 Patienten“, beantwortet er die Frage, ob er denn genug Zeit für seine Patienten hat. „Es kommt darauf an, zu erkennen, welcher Patient mehr Aufmerksamkeit und Zeit benötigt.“

Als niedergelassener Arzt sei er gleichzeitig immer auch Unternehmer. „Darin sehe ich keinen Widerspruch“, fügt er nach kurzem Überlegen hinzu. Im Gegenteil: Das passe gut zusammen – hier wie da ginge es darum, Bedürfnisse von Menschen zu erkennen und Antworten darauf zu geben. Und Fleiß sei nur eine der Voraussetzungen: Ohne strategische Überlegungen und klare Entscheidungen ließe sich nichts aufbauen. Die ersten Erfahrungen in puncto Unternehmensführung haben er und seine Familie in einem nebenerwerblichen Betrieb gemacht, auch im gesundheitlichen Bereich. Daher wisse er, dass letztlich die Mitarbeiter die wichtigste Ressource sind. „In der Praxis heißt das: Das sind nicht meine Helferinnen – es sind Fachangestellte. Die Verantwortung dafür, ob sie sich als Teil begreifen, trage überwiegend ich selbst.“

Im letzten Jahr ist die Zahl seiner Mitarbeiter von sechs auf 30 angewachsen. „Das war nicht leicht“, sagt Dr. Buderer. Auf dem Bewertungsportal jameda finden sich neben den positiven Stimmen auch solche, die spüren lassen, dass diese Umwälzungen nicht an allen Patienten spurlos vorübergegangen sind.

18 Hausarztsitze unbesetzt: Grund genug für ein MVZ

Doch fast an seine Grenzen gestoßen wäre Dr. Buderer an einem früheren Punkt seiner Unternehmungen. „Geht man nach dem Schlüssel ‚ein Hausarzt für 1661 Einwohner‘, sind im Planungsgebiet bereits 18 Hausarztsitze unbesetzt und die ersten geben ihren Sitz ohne Nachfolger ab“, beschreibt der Hausarzt die Situation. Grund genug für einen Unternehmenden, auf die Idee zu kommen, ein MVZ zu gründen.

Dabei ist die Gründung eines MVZ kein Pappenstiel. Den abgebenden Arzt mühsam von den Vorteilen einer Übergangskooperation überzeugen, die Finanzierung mit der Bank und eventuellen Förderstellen klären, eine passende Immobilie finden – alles das hat Dr. Buderer einige Energie gekostet. Das ist normal.

Doch für den alteingesessenen Hausarzt völlig überraschend stolperte er dann auch über die Zulassungsstelle, die ihm signalisierte, dass sein Konstrukt Schwierigkeiten machen würde. Denn: Dr. Buderer wollte alleine gründen. Und zwar ein MVZ, eine BAG sei keine Alternative. „Ich habe Kollegen, die eine Gemeinschaftspraxis gegründet haben. Jetzt sind sie auf drei Angestellte beschränkt und müssen selbst vor Ort sein.“

Somit blieb nur ein Modell übrig: ein MVZ mit einer GmbH als Trägergesellschaft. Das geht auch als Einzelperson – allerdings nicht in Baden-Württemberg, so die KV, erzählt Dr. Buderer. Sie wünschte sich unbedingt einen zweiten Gesellschafter bei dieser Gründung. Dr. Buderers Anwalt, Dr. Florian Hölzel aus Wiesbaden, wunderte sich über die strengen Anforderungen (siehe Kasten).

Die Ein-Personen-GmbH für MVZ-Gründer

„Seit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz von 2012 ist die MVZ-Gründung für einen Einzelarzt nicht mehr möglich“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Florian Hölzel aus Wiesbaden, der Dr. Buderer in dieser Sache beigestanden hat. „Ein MVZ benötigt seitdem immer eine Trägergesellschaft. Die infrage kommenden Personengesellschaften benötigen allerdings mindestens zwei Gesellschafter – die GmbH als Kapitalgesellschaft ist dagegen auch mit einer Person möglich.“ Solche Ein-Personen-GmbHs würden sowohl gesellschaftsrechtlich wie auch zulassungsrechtlich mittlerweile bundesweit akzeptiert – genau deswegen habe man sich ja die GmbH als Rechtsform ausgesucht, so der Anwalt.

Man habe natürlich versucht, so Dr. Buderer, der KV nahezubringen, „dass wir über ein MVZ, in dem wir erfahrene Abgeber sowie junge Kolleginnen und Kollegen anstellen können, Hausärzte vor Ort halten können“. Man müsse den Jungen etwas bieten: Teilzeit, flexible Arbeitszeiten, keine Nachtdienste, keine Administration. Natürlich ist der KV das grundsätzlich bewusst. Das machte die Diskussion aber nicht leichter – man habe noch nie eine GmbH mit einer Person akzeptiert. Dann irgendwann ein Einlenken: Die KV akzeptiere eine GmbH, wolle aber, dass der Sitz der GmbH im gleichen Ort wie das MVZ liege. Auch das sei ihm bis dato als Anforderung aus anderen KVen gänzlich unbekannt, so Anwalt Hölzel. Er vermutet, dass darüber verhindert werden sollte, dass eine GmbH gleich drei, vier oder fünf MVZ gründen könne – und dann mit einer Mindeststammeinlage von 25 000 Euro im Ernstfall überfordert wäre. Und dann bestand die KV noch darauf, dass in der Namensgebung der GmbH für das Handelsregister Straße und Hausnummer des MVZ-Sitzes erscheinen müssen. „Da hat selbst der Notar gestaunt, das war ihm noch nie untergekommen!“, so der Anwalt. Sitz der im August 2016 gegründeten Buderer-Group.med Besigheim MVZ GmbH wurde also Besigheim. Und am 1. Januar 2017 öffnete das erste MVZ der Buderer-Group mit drei angestellten Ärztinnen und dem abgebenden Arzt. Und weil letztlich ja doch alles funktioniert hat, gründete Dr. Buderer Ende 2017 noch eine Zweigstelle in Bietigheim mit weiteren drei angestellten Ärztinnen. Seine alteingesessene Bietigheimer Einzelpraxis behielt er einfach – ‚Betreibermodell‘ nennt man das in Zulassungsdeutsch. Der nächste Plan: Ende 2018 läuft der Mietvertrag der Praxis in Besigheim aus und es soll ein neuer Standort geschaffen werden mit dem Potenzial für mehrere Arztsitze.

„Die Group ist für mich Programm. So etwas geht nur im Team"

Aber wer weiß, ob Dr. Buderer seine Pläne auch durchziehen würde, wenn er nicht eine weitere Motivation hätte. „Ich freue mich darauf, dass ich bald meinen Beitrag dazu leisten kann“, sagt sein ältester Sohn, der in diesem Jahr sein Medizinstudium beendet. Dr. Buderers Frau ist stellvertretende Geschäftsführerin, sein zweiter Sohn als Betriebswirt unterstützend am Ball – und die Jüngste macht gerade eine zusätzliche Ausbildung zur MFA in der Praxis des Vaters. „Die Buderer-Group.med GmbH, die ich aus formalen Gründen gegründet habe, ist als ‚Group‘ auch Programm: So etwas geht nicht im Alleingang, du brauchst ein motiviertes Team und Menschen im engen Umfeld, die Visionen teilen“, sagt er.   Dass von außen dagegen wenig Unterstützung kam, hat Dr. Buderer schon enttäuscht. Die Unflexibilität bei Zulassung und Förderung in einem Planungsbezirk, der mal knapp über, aber auch mal knapp unter der 85%igen Auslastung liegt, versteht er nicht. Angesichts des Strukturwandels in der hausärztlichen Versorgung wünscht er sich da mehr von den KVen. „Wir haben auf unserem Weg auch tolle Erfahrungen gemacht. Aber die bürokratischen und zulassungsrechtlichen Hürden – das war eine Herausforderung“, so der Hausarzt. Und man merkt, dass er bei diesem Satz eher unter- als übertreibt.
Dr. Buderer erklärt seinem Praxisteam die Baupläne für das neue MVZ in Bietigheim. 
Alle sollen sich möglichst früh mit dem Neubau identifizieren können. Dr. Buderer erklärt seinem Praxisteam die Baupläne für das neue MVZ in Bietigheim. Alle sollen sich möglichst früh mit dem Neubau identifizieren können. © privat
Dr. Buderer vor einer Plakatierung an der Strecke, die von seiner Bietigheimer Praxis zu seiner Besigheimer Praxis führt. Dr. Buderer vor einer Plakatierung an der Strecke, die von seiner Bietigheimer Praxis zu seiner Besigheimer Praxis führt. © privat