Medizinstudium: Vom Osten in den Osten
Der Umgang ist familiär und das Wetter meistens besser als in Deutschland – Benjamin Sohr ist mit seinem Studentenleben in Ungarn sehr zufrieden. Am Anfang sei es für den Chemnitzer ungewohnt gewesen, berichtet er. Die fremde Kultur und dann noch die komplizierte Sprache. Doch mittlerweile kennt Sohr viele der insgesamt 200 deutschen Studenten auf dem Campus und hat sich gut eingelebt. Seit zwei Jahren ist er an der gut 1000 Kilometer von seinem Zuhause entfernten Universität Pécs für Humanmedizin eingeschrieben; mit einem Abi-Schnitt von 2,6 ist das keine Selbstverständlichkeit.
Genauso wie Sohr haben 20 Abiturienten aus ganz Deutschland seit 2013 jedes Jahr die Möglichkeit, sich für einen von der KV Sachsen geförderten Medizin-Studienplatz zu qualifizieren. Die Voraussetzungen? Ein Abiturschnitt von mindestens 2,6, die Belegung von zwei naturwissenschaftlichen Fächern wie Biologie, Chemie oder Physik in der Oberstufe und der Wille später für mindestens fünf Jahre die hausärztliche Tätigkeit auf dem Land in Sachsen aufzunehmen.
7200 Euro Studiengebühren werden übernommen
Finanziert wird dieses Modellprojekt „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“ mit dem Strukturfonds zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in Sachsen, welcher paritätisch von der KV und den Krankenkassen getragen wird. Für alle zwölf Semester mit deutschsprachigen Vorlesungen werden dem Studenten die Studiengebühren in Höhe von 7200 Euro pro Semester an der ungarischen Universität übernommen. Ebenso wird die anschließende Weiterbildung in der Allgemeinmedizin mit 4800 Euro pro Monat gefördert.
Dank der KV Sachsen kann er nun „den Traum vom Medizinstudium leben“. Seine Beweggründe, warum er sich auf das Modellprojekt beworben hat, sind klar: „Wenn man sich in Deutschland auf einen Medizin-Studienplatz bewirbt, interessiert sich niemand für dein Durchhaltevermögen oder deine derzeitigen privaten Umstände. Bei der Stiftung für Hochschulzulassung (hochschulstart.de) ist man nur eine Auftragsnummer.“
Sein Abitur hat er an einem Abendgymnasium nachgeholt
Der 27-Jährige hat sich nach seinem Realschulabschluss für eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger entschieden und anschließend insgesamt sechs Jahre auf einer Schmerz- und Palliativstation gearbeitet. Die letzten drei Jahre davon hat er nebenher sein Abitur an einem Abendgymnasium in Chemnitz nachgeholt. „Ich denke, dass Studenten, die hohe Motivation und Durchhaltevermögen zeigen, erfolgreicher sein können, als Achtzehnjährige mit einem Einser Abitur“, bemerkt Sohr.
Dabei werden auf dem Land dringend Ärzte gesucht. Im Jahr 2016 betrug nach Angaben der KV Sachsen die Zahl der offenen Hausarztstellen 244. 2017 sind es 328 Stellen, die es nachzubesetzen gilt. Laut der KV ist es „absehbar, dass es problematisch sein wird, diese Lücke mit Blick auf die Zahl der Absolventen zu schließen“. Ihr Modellprojekt wird so weit gut angenommen. Pro Studienjahr würden sich an die 80 Abiturienten aus ganz Deutschland auf einen Förderplatz bewerben. Die ersten Mediziner, die sich als Landarzt niederlassen, werden nach 12 Semestern Regelstudienzeit und fünf Jahren Weiterbildung, also frühestens 2024, erwartet.
Benjamin Sohr freut sich schon auf den Hausarztberuf. Auch die Allgemeinmedizin ist, wie er sagt, sein absolutes Ziel. „Am liebsten würde ich mich in der Region Chemnitzer Land niederlassen, aber eigentlich ist es überall in Sachsen schön.“