Zukunftsprojekt MVZ
Ohne Krankenhaus oder Beteiligung der Kommune, sondern als GmbH unter der Regie ärztlicher Gesellschafter und mit Unterstützung der Mediverbund AG – so startet das MVZ „Ärzte am Reichenbach“.
Wolfgang Fink von der Mediverbund AG erzählt, wie es zur Gründung kam: „Dieses Projekt wurde im Grunde aus der Not heraus geboren. Weil die Eheleute Dres. Wäckers keine Praxisnachfolger fanden, hätten sie über kurz oder lang die Praxis einfach schließen müssen.“ Deren Patienten hätten sich auf die verbleibenden hausärztlichen Praxen in Baiersbronn aufgeteilt – wo es allerdings an Kapazitäten für zusätzliche Patienten mangelt.
Nachwuchs für die Praxis zu finden, war fast aussichtslos
So erzählt Hans-Jörg Schaible, der mit seiner Mutter Dr. Beate Schaible eine Gemeinschaftspraxis betreibt: „Ich werde selbst in absehbarer Zeit meine Praxis allein führen müssen – und ob ich einen neuen Praxispartner finden würde, ist ungewiss.“ Auch die Hausärzte der Regiopraxis freuten sich nicht über die Aussicht auf mehr Patienten, wie Dr. Wolfgang von Meißner erklärt: „Aktuell behandeln wir pro Arzt bereits wesentlich mehr Patienten im Quartal als wir eigentlich geplant hatten. Schon aus Platzgründen dürften es nicht mehr werden.“
Startschuss für den 1. April 2018 geplant
In der Gemeindeverwaltung von Baiersbronn war man in Sorge. Bürgermeister Michael Ruf recherchierte und stieß auf das im Januar 2017 gegründete MEDI-MVZ Aalen. Er stellte den Kontakt zwischen Wolfgang Fink von der Mediverbund AG und den Ärzten seiner Gemeinde her. Dann ging alles ganz schnell: Erste Gespräche im Juli, Notartermin Ende August, der Startschuss für das MEDI-MVZ Baiersbronn soll am 1. April 2018 fallen.
Die Kernkompetenz der Mediverbund AG liegt im Management von Ärzteverbünden. Sie verhandelt mit Kommunen, Vermietern, Zulassungsausschüssen und Banken. Sie arbeitet die Verträge aus und übernimmt auf Wunsch auch das Management und die Geschäftsführung der Gesellschaft. „Alles unter zwei Bedingungen“, so Fink, „wir beraten und unterstützen als neutrale Instanz ausschließlich MVZ von MEDI-Mitgliedern und unter rein ärztlicher Inhaberschaft“.
Minderheitsgesellschafter, die nicht selbst mitarbeiten
Dr. von Meißner und sein Kollege Dr. Michael Seitz aus der Regiopraxis traten dem MEDI-Verbund bei und beteiligen sich als Minderheitsgesellschafter am neuen MVZ, ohne selbst dort zu arbeiten. Ihr Kollege Hans-Jörg Schaible wird als einziger Gesellschafter mit einer vollen Stelle im MVZ Baiersbronn arbeiten. Seine Mutter und die Dres. Wäckers halten keine Gesellschaftsanteile, werden aber mitarbeiten und perspektivisch ihre Stunden reduzieren. Es laufen auch schon Gespräche mit zwei Ärztinnen in Weiterbildung.
Gemischte Zusammensetzung auch bei künftigen MVZ
Mehrheitsgesellschafter der neuen GmbH ist das MEDI-MVZ Aalen, ohne das der entscheidende Antrieb für das MVZ Baiersbronn gefehlt hätte, wie Ökonom Fink erklärt. Er rechnet für die Zukunft mit weiteren MVZ mit einer solchen gemischten Zusammensetzung der Gesellschafter. Der entscheidende Punkt ist für ihn aber die Bereitschaft der Praxisabgeber, nicht nur ihre Praxissitze in das MVZ einzubringen, sondern auch als Angestellte weiter mitzuarbeiten: „Sie können im MVZ – möglicherweise auch in anderen Räumlichkeiten – dann weiter ihre Patienten versorgen, allerdings ohne zusätzliche Belastung wie Bürokratie oder Personalverantwortung.“
Den beteiligten Ärzten gefällt diese Aussicht. So sagt Hausarzt Schaible: „Im MVZ kann ich als ärztlicher Leiter und Gründer summa summarum zu vergleichbaren Konditionen arbeiten wie bisher. Ich habe aber mehr Sicherheit, weil die finanzielle Verantwortung auf viele Schultern verteilt ist. Frühere Generationen hätten nur sehr ungern auf ihre ärztliche Selbstständigkeit verzichtet, aber die heutige Generation ist dazu bereit, solange sie als Gesellschafter beteiligt ist und mitgestalten kann.“
Auch Dr. Seitz ist zufrieden: „Wenn das Projekt funktioniert, dann kommt nicht eine Welle zusätzlicher Arbeit auf mich zu. Das bedeutet eine bessere Work-Life-Balance für die verbleibenden Jahre meiner Berufstätigkeit.“ Sein Praxispartner Dr. von Meißner nennt auch strategische Überlegungen: „Meinen MVZ-Anteil kann ich später einmal verkaufen, mit meiner Praxis wird mir das nicht so ohne Weiteres gelingen. Das MVZ ist für uns der Versuch, bei einem Zukunftsprojekt mitzumachen, in dem Ärzte in neuen Strukturen arbeiten – mit geregelten Arbeits- und Urlaubszeiten und ohne zwingende Investitionen. Wer so etwas nicht bieten kann, der findet keinen Nachwuchs.“