Große Inspektion 7 Tipps, wie Sie Ihre Praxis zur Jahreswende auf Herz und Niere checken
1. Ist Ihnen bewusst, welches Entwicklungsziel Sie aktuell für Ihre Praxis anstreben sollen?
An welchem Punkt Ihrer Praxiskarriere stehen Sie? Ist Ihre Niederlassung im Aufbau, müssen Sie sich noch positionieren? Eine solche Positionierung kann über medizinische Aspekte erfolgen, über die technische Ausstattung oder über die eigene Person, etwa indem Sie Ihre Hobbys in der Praxis sichtbar machen. Alleinstellungsmerkmale haben einen wirtschaftlich belebenden Effekt und führen über die Identifikation mit der Praxis oft zu mehr eigener Zufriedenheit. Oder haben Sie eine stabil laufende Praxis und fühlen sich im grünen Bereich? Dann ist das vielleicht der Moment, mal neue Wege anzudenken. Wie sieht es bei Ihnen mit der Weiterbildungsbefugnis aus? Oder möchten Sie mal bei Spezialeinsätzen als Arzt mit dabei sein? Eine ganz andere Aufgabe liegt dagegen an, wenn Sie zu den Ü50ern gehören. Dann sollten Sie nämlich anfangen, von langer Hand ihre Praxisabgabe vorzubereiten.
2. Brauchen Sie mehr Umsatz, mehr Gewinn – oder kann alles bleiben, wie es ist?
Die Inflation der letzten Jahre hat zu höheren Praxiskosten bei gleichzeitigem Wertverlust der Praxiserträge geführt. Manche Praxen können die entstandene wirtschaftliche Lücke wegstecken, andere wollen oder müssen gezielt zusätzlichen Umsatz erwirtschaften. Wer mehr erwirtschaften will: Erfahrungsgemäß können sich Praxisinhaberinnen und -inhaber über drei bis fünf Jahre bis in die Spitzengruppe der 10 bis 15 % Top-Praxen entwickeln und damit das Doppelte des Durchschnitts verdienen. Wer sich für die Gewinnsteigerung entscheidet, muss sich eigentlich nur mit fünf betriebswirtschaftlichen Kennzahlen seiner Praxis beschäftigen und daraus Konsequenzen ziehen:
- Umsatz pro Arzt oder Ärztin im Verhältnis zu den gearbeiteten Stunden
- Anzahl der Privatpatientinnen und -patienten und ihr Anteil am Praxisumsatz
- Entwicklung des Patientenstamms
- Patientenzufriedenheit als Multiplikator und Privatpatienten-Magnet
- Personalstunden/Fall für den Einstieg in das Thema Mitarbeitereffizienz
3. Gibt es unnötige Stressfaktoren in der Praxis, die zu wenig Aufmerksamkeit bekommen?
Das ganze Leben scheint zurzeit extrem anstrengend. Aber muss auch der Praxisalltag eine Herausforderung sein? Steht Ihre Arbeitsroutine unter kontinuierlichem Zeitdruck, braucht vielleicht Ihr Terminmanagement eine Überarbeitung. Haben Ihre Mitarbeitenden alle Informationen, um einen Patientenbesuch einordnen zu können? Ist für alle klar, wie lange ein Termin mit einem bestimmten Anliegen dauert, welche Ressourcen benötigt werden und ob es Dinge gibt, die vor dem Arzttermin schon erfolgt sein können? Ein Entscheidungsbaum kann definieren, welche Fragen am Telefon abgeklärt werden müssen, um Zeit, Geräte und Räume planen zu können. Notfalltermine könnten Sie an das Ende der Vormittagssprechzeit stellen: Kommen wenige Notfallpatienten, hat das Team ein bisschen Luft, um liegen gebliebene Aufgaben in Ruhe abzuarbeiten.
Was außerdem Zeit und Nerven spart: ein selbstbewusster Umgang mit Besserwissern im Sprechzimmer und Vielrednern am Praxistelefon. Hilfreich sind Gesprächsleitfäden und für die Vielredner in der Sprechstunde auch die Ansage, wie viel Zeit zur Verfügung steht.
4. Nutzen Sie alle Möglichkeiten, um Ihre Lohnkosten zu optimieren?
Personalkosten machen häufig mehr als 50 % der Praxisausgaben aus. Das Problem sind dabei nicht die Gehälter allein, sondern vor allem die Sozial- und Versicherungsabgaben. Angesichts des Fachkräftemangels und der Wichtigkeit eines guten Teams ist eine Investition in Gehälter aber eine gute Sache. Nutzen Sie Lohnzuschüsse! Viele Zuschüsse sind steuer- und teilweise sozialversicherungsfrei, andere Zahlungen versteuert der Arbeitgeber pauschal. Um Mitarbeitenden ein kleines Plus in der Urlaubskasse zu verschaffen, können Arbeitgeber z. B. zusätzlich zum vereinbarten Gehalt eine Erholungsbeihilfe zahlen. Möglich sind auch betriebliche Gesundheitsförderung, Kindergarten- oder Internetzuschüsse, Essensgutscheine und das Zur-Verfügung-Stellen von Diensthandys und Laptops oder E-Bikes. Achtung: Vertraglich vereinbartes Arbeitsentgelt darf in der Regel nicht einfach in Lohnbausteine umgewandelt werden.
5. Ist Ihnen noch bewusst, dass das Team Chefsache ist?
Letztlich ist es immer der Faktor „Team“, der darüber entscheidet, ob alle morgens gerne zur Arbeit kommen und einen guten Job machen. Funktioniert Ihr Team entsprechend? Es sind die Praxischefinnen und -chefs, die die Verantwortung dafür tragen, ob ihre Mitarbeitenden alle Bedingungen haben, um in ihrer Praxis zu einem guten Team zu werden. Auch häufige Wechsel können das Team belasten – ein weiterer Grund, warum man Kräfte, die die Praxis aktiv mittragen, halten muss, damit diese nicht in besser bezahlte Jobs abwandern. Identifikation und Mitarbeiterbindung sind dann die Zauberworte.
Und was bindet Mitarbeitende an die Praxis? Regelmäßige vertrauensvolle und konstruktive Teamgespräche, Teamevents, verlässliche Personalgespräche, Entwicklungspläne. Natürlich auch wichtig: eine gerechte Entlohnung der Mitarbeitenden, die sich z.B. aus einem fixen Teil und einem variablen Teil, der mit einem persönlichen Jahresziel verbunden ist, zusammensetzt.
6. Bekommen Ihre Räumlichkeiten genug Aufmerksamkeit?
Ein Besuch in einer Hausarztpraxis kann auch Stressgefühle auslösen. Eine patientenfreundliche Praxiseinrichtung ist ein maßgeblicher Faktor, um die Patientenzufriedenheit zu erhöhen und das Stresslevel zu senken. Einen großen Einfluss hat dabei die Auswahl der Farben und der Beleuchtung.
Aber auch die schönsten Praxen kommen irgendwann in die Jahre. Unser Vorschlag zur optischen Inspektion: Schicken Sie Ihre MFA los, sie sollen Fotos machen – vom Flur, vom Tresen, vom Wartezimmer. So werden Dinge sichtbar, die sich sonst im Gesamtbild der Praxis verbergen: in den Ecken stehende Kartons, Flecken an Wänden, alte Bilder, Schmierfinger auf Stühlen und so weiter. Und laufen Sie auch mal als Gast durch Ihre Praxis. Sind Fußmatte und Türkanten vorzeigbar? Ist der Empfangsbereich gut beleuchtet? Gibt es am Tresen eine Taschenablage? Sind WC und Ausgang beschildert? Gibt es in der Toilette Jackenhaken? Was liegt im Sprechzimmer auf dem Schreibtisch? Machen Sie sich eine Checkliste!
7. Wagen Sie einen ehrlichen Blick: Haben Sie gut Vorsorge getroffen?
Auch wer keinen Abenteuerurlaub macht, kann verunglücken. Und auch wer gesund lebt, kann krank werden. Als Freiberufler muss ein niedergelassener Arzt für alle Fälle vorsorgen. Als Mindestvorsorge kann eine Generalvollmacht sicherstellen, dass im schlimmsten Fall zumindest Miete und Gehälter bezahlt werden können und Familie und Mitarbeitende abgesichert sind.
In einen Notfallordner gehören ansonsten eine Vorsorgevollmacht, eine Patientenverfügung, eine Betreuungsverfügung, ggf. Bankvollmachten und das Testament. Da Letzteres häufig auch an anderer Stelle hinterlegt ist, genügt ggf. der Hinweis darauf. Benötigt werden im Notfall auch Versicherungsunterlagen, Mitgliedschaften in der Ärztekammer, der KV und in Verbänden, außerdem der Kontakt zum Versorgungswerk sowie alle Miet- und Leasingverträge, ein Verzeichnis der Mitarbeitenden sowie der zu kontaktierenden Angehörigen und zu Dienstleistern wie Steuerberater, IT-Service und Anwalt. Informieren Sie Familie sowie Praxismitarbeitende zu diesen Unterlagen. Die Dokumente können gegen Gebühr im Zentralregister der Bundesnotarkammer hinterlegt werden.
Medical-Tribune-Bericht