Coronapandemie: Abrechnungsdaten verdeutlichen Krisenleistung der niedergelassenen Ärzte

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Cornelia Kolbeck

Die Pandemie zwang Ärzte in neue Einsatzfelder. Dazu gehörte und gehört die Testung auf SARS-CoV-2. (Agenturfoto) Die Pandemie zwang Ärzte in neue Einsatzfelder. Dazu gehörte und gehört die Testung auf SARS-CoV-2. (Agenturfoto) © iStock/filadendron

Ein „Trendreport zur vertragsärztlichen Versorgung während der Corona-Pandemie“ zeigt, dass die niedergelassenen Ärzte „in der Phase maximaler Ausbreitung der SARS-CoV-2-Infektionen für die Versicherten zur Stelle“ waren.

Haben Hausärzte Coronapatienten gemieden bzw. nur telefonisch betreut?, wollte eine Journalistin in einer Pressekonferenz vom KBV-Vorstand wissen. Es möge Einzelfälle geben, aber er bräuchte dann Ross und Reiter, um das kommentieren zu können, antwortete KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister.

Der telefonische Kontakt sei aber auch Teil der Coronastrategie gewesen. Viele Regelungen seien angepasst worden – u.a. damit Infizierte eben nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Praxen hätten kommen müssen. Dr. Hofmeister verwies zudem darauf, dass in Deutschland sechs von sieben COVID-19-Patienten ambulant behandelt würden.

Anzahl der abrechnenden Hausärzte leicht gestiegen

Erstes Ziel für erkrankte Patienten sei unverändert das ambulante System, also die Praxen mit rund 100 000 verfügbaren Anlaufstellen in der Fläche, betont der KBV-Chef Dr. Andreas Gassen in einem Videostatement. Mehrfach schon hatte die KBV-Führung die Praxen als Schutzwall bezeichnet, der die Kliniken vor Überlastung in der Krise schützt. Das Bundesgesundheitsministerium würde dies auch so sehen.

Bestätigt wird die gute Arbeit in Krisenzeiten durch eine Auswertung von Abrechnungsdaten seitens des Zentralinstituts für die kassenärzt­liche Versorgung (Zi). Wie der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried berichtet, hat es einen großen Ansturm der Versicherten auf alle Vertragsarztpraxen in der ersten Märzhälfte 2020 gegeben. Zu sehen seien durchweg zweistellige Fallzahlzuwächse gegenüber dem Vorjahreszeitraum, zurückzuführen u.a. auf Vorzieheffekte bei Arzneiverordnungen für die von COVID-19 besonders gefährdeten Patientengruppen.

Ab dem Zeitpunkt der Schulschließung Mitte März habe es je nach Fachrichtung einen Fallzahlrückgang mit persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt gegeben – in der letzten Märzwoche von 37 bis zu 64 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Aus den Abrechnungsdaten werde ebenfalls deutlich, so der Zi-Chef, dass die Anzahl abrechnender Ärzte nur geringe Unterschiede zum Vorjahreszeitraum aufweise. So hätten Hausärzte zwar in der dritten Märzwoche 12 % und in der vierten Märzwoche 39 % weniger Fälle als im Vorjahreszeitraum abgerechnet. Die Anzahl abrechnender Haus­ärzte habe in der dritten Woche aber um 2 % über dem Vorjahreszeitraum gelegen und in der letzten Märzwoche nur um 0,2 % darunter.

„Konkret bedeutet das, dass in den 14 KV-Regionen in der dritten Märzwoche rund 37 900 Hausärzte tätig waren; rund 760 Hausärzte mehr als im Vorjahreszeitraum rechneten dabei einen Fall mit Patientenkontakt ab“, so Dr. von Stillfried. Vergleichbare Effekte hätten sich in der fachärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung gezeigt. „Die Ärzte waren präsent“, so das Fazit des Zi-Vorsitzenden.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, betrifft der Rückgang bei Leistungen vor allem verschiebbare. So sank z.B. die Anzahl an Behandlungsfällen beim Mammographie-Screening in der letzten Märzwoche im Vergleich zum Vorjahr um 82 %, beim Hautkrebsscreening um 71 %, bei der Kindervorsorgeuntersuchung J1 um 55 % und bei DMP-Schulungen um 52 %. Verändert hat sich zugleich das Leistungsspektrum der Ärzte. So wurde im März rund 850 000-mal wegen Verdacht oder Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion behandelt, mehr als 355 000 Tests auf SARS-CoV-2 wurden durchgeführt.

Können Hausärzte als Billiglöhner zum Dienst verpflichtet werden?

Die niedergelassenen Ärzte haben in der Coronapandemie kurzfristig ihre Praxen umorganisiert. Trotz fehlender Schutzausrüstung wurde schnell reagiert, um SARS-CoV-2-Infizierte bzw. Verdachtsfälle von Nichtinfizierten zu trennen. Eingerichtet wurden Hausbesuche durch spezielle „COVID-19-Care-Ärzte“, Teststationen in Kooperation mit Gesundheitsämtern, telefonische Beratungen, vermehrte Videosprechstunden. Alles in allem hat die Versorgung dazu beigetragen, die Krankenhäuser vor Überlastung zu schützen. Der KBV-Vorstand hat mehrfach betont, dass die Niedergelassenen aufgrund ihrer Erfahrungen auch bei einer zweiten Infektionswelle gut gerüstet sein werden. Eine Herausforderung wird in den nächsten Wochen die Auswirkung der ausgeweiteten Testverordnung sein. Reiserückkehrer haben jetzt bis 72 Stunden nach Einreise Anspruch auf einen Test, bezahlt wird dieser aus dem Gesundheitsfonds. Das Honorar könnte das Ganze zum Kippen bringen: „Betrachtet man diesen ganzen Behandlungskomplex, dann wirken die 15 Euro, die Hausarztinnen und Hausärzte für den Abstrich bekommen sollen, wie ein schlechter Scherz“, meint der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt. Davon abgesehen sei unklar, ob Hausärzte die Ressourcen für die Testungen hätten und ob sie über die Verordnung zur Erbringung der Abstriche verpflichtet werden könnten.

DKG und DIVI: Notaufnahmen sind zentraler Ankerpunkt

Sechs von sieben COVID-19-Patienten steuern nachweislich zur Erstversorgung die ambulanten Praxen an. Dennoch sehen die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) die Kliniken als „zentralen Ankerpunkt“ in der Krise. Die Notaufnahmen seien auch in der Pandemie erste Anlaufstelle für Akut- und Notfallpatienten, heißt es. Dass dann auch noch den Niedergelassenen vorgeworfen wird, sie hätten sich „oftmals aus der Verantwortung zurückgezogen“, empört die Vertragsärzteschaft. „Um die gesetzgebende Instanz davon abzubringen, den Niedergelassenen eine zentrale Steuerungsfunktion bei der Zuweisung von Patientinnen und Patienten in geeignete Versorgungsebenen zu übertragen, ist anscheinend jeder Versuch recht und billig, die Leistungen des ambulanten Systems kleinzureden“, bemerkt die KV Rheinland-Pfalz. Der Spitzenverband Fachärzte mahnt – egal ob in oder außerhalb einer Krise – einen Dialog an.

Medical-Tribune-Bericht